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Edler, Josef
Die Liebfrauen-Kirche zu Frankfurt am Main und ihre Kunstwerke — Düren, Rhld.: Buchdruckerei und Verlag Max Danielewsky, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.66543#0054
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nach dem Süden und Osten ab. Ein Ausfluß der Form ist in Nürn-
berg feststellbar. Hier scheint jedoch schon der Strom zu versiegen.
Die nach 1322 entstandenen Reliefs im Nürnberger Rathaussaal werden
als letzte Ausläufer gedeutet werden müssen100). Das eine Relief der
„Brabanfia und Norimberga” ist ein teigiges Auslaufen des Wanebach-
stils. Die runden Augenbögen, die lange Nase, der große Abstand von
Nase und Mund, die wulstige Unterlippe, die Kapuze des Gewandes,
schließlich die falsche Stellung der Schenkel zueinander sind durchweg
Formen, die beiden gemeinsam sind. Der späte Nachahmer des Wane-
bachstils bildet mit geringerem Können die Formen seines Vorbildes
nach und läßt sie verwischt erscheinen. Es ist die typische Erscheinung
des „schlaffen Stils”. Die hartumgrenzte Form des Frankfurter Sfük-
kes ist zerschmolzen und zerrinnt in eine unklare, teigige Form.
Das Grabmal eines unbekannten Paares.
Der Grabstein hat eine Höhe von 2.20 m und eine Breite von 1.10 m.
Auf dem Kastenrahmen des Steines ist die Inschrift gegeben. Der Text
auf der oberen Seife besagt in gotischen Minuskeln: „Anno dni.
MCCCCLXIII i.h.s.”. Die Ermahnung auf der unteren Seite lautet:
„Menfscb laehs von den Sünden”. Die Seifenrahmen tragen in gotischen
Majuskeln die beidemal gleichen Buchstaben: „A.M.G.P.D.T.”, eine
Abkürzung für den Verkündigungsspruch des Engels: „Ave Maria, gra-
tia, plena, dominus tecum”. Im Innenfeld des Grabsteines sind unter
gekuppelten Eselsrücken, die auf Konsolen aufsitzen und mit Krabben
und Kreuzblumen geschmückt sind, die beiden Verstorbenen in betender
Geste dargesfellt. Beide halten Rosenkränze in den Händen und stehen
auf gegenständigen Löwen. Diese habe gemeinsam einen Kopf, der die
Physiognomie eines menschenähnlichen Subjekts trägt und aus dem
feingezahnten Maul eine breite Zunge streckt.
Das Paar ist modisch gekleidet. Der Mann trägt ein enges Unferge-
wand mit schmalem Kragen und geschnürten Ärmeln. Darüber liegt ein
ärmelloser Rock (Tappert), dessen Saum und Armlöcher mit Pelz ver-
brämt sind. Eine beliebte Mode für die damalige Zeit war der weiche
Stoffhut, der auf der linken Schulter liegt, und dessen weites Zier- und
Tragband um die Schultern geschlungen, vorn über den Körper fällt.
Den Kopf hüllt eine dicke, gelockte Haarkappe.
Die Kleidung der Frau ist eine für diese Zeit auch nicht unbekann-
te Form. Über dem Unfergewand, das über der Brust in Falten gelegt
ist, wird der faltenreiche Mantel mit den Unterarmen hochgehalten. Ein
rüschenbesetztes, dickes Tuch, das das kleine Gesicht noch hervor-
schauen läßt, umrahmt den Kopf.
Das im oberen Feld des Grabsteins befindliche Wappen mit dem
Jesusmonogramm weist zunächst auf das Tympanon des Südwestporfals
hin. Dort kommt das gleiche Wappen an den Konsolen der Maria und
des Johannes vor. Die fast gleichzeitig entstandene Skulptur zeigt, ob-
wohl sie im 19. Jahrhundert stark überarbeitet wurde, eine starke Ver-
wandtschaft mit dem Grabstein. Die parallelen, dicken Faltenröhren
der Männerkleider, die sorgsam geschichteten, breitlappigen Falten
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