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Eggers, Friedrich
Vier Vorträge aus der neueren Kunstgeschichte — Berlin, 1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.42195#0062
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größere, Entwürfe hat er dazu gemacht und immer wieder ver-
worfen. „Simpel muß so eine Figur sein," sagte er, „denn Chri-
stus steht über Jahrtausenden." Er bildete ihn mit sanftnieder-
gebeugtem Haupte, beide Arme haben sich mit den geöffneten Hän-
den nur wenig vom Körper entfernt, wie um das: „Kommt zu
mir!" zu begleiten. So „drückte er seine Liebe aus, seine Umar-
mung der Menschen" wie Thorvaldsen es sich dachte, daß der
Hauptcharakter von Christus fei.*) Die Gewandung ist einfach und
in edlem Style drapirt. Der Kopf ist im Ausdruck groß und be-
deutend; es ist darin der vererbte Typus beibehalten, aber in freier
Durchbildung höherer Kunst.
Ist also hier die vorliegende Aufgabe gelöst? Ist Thorvald-
sen's Christus mit den Jüngern eine Versammlung von griechi-
schen Gewandfiguren, haben sie römisches Redner- oder Senato-
renblut unter den Gewändern, oder zeigen diese Gestalten jene
Hagerkeit, Strenge und Eckigkeit des Styles, welche man vom
Mittelalter her mit christlichen Stoffen so sehr gewohnt ist, ver-
eint zu sehen? — Keins von Beiden. Es sind Männer von star-
kem Gemnth und Geist, an der Grenzscheide der antiken Welt
stehend, Alle von einer großen Sache beseelt. In ihrer äußeren
Erscheinung stellen sie sich dar in der biblischen, typischen Tracht
der lang herabfallenden Tunika, über welche der Mantel geworfen
ist, nicht nach der kunstvollen regelrechten Weise des antiken Le-
bens, nicht in affektirter Schlichtheit, welche den Schönfluß des
Gewandes geflissentlich meidet, sondern in freier Schönheit nach
der Individualität des Einzelnen. Es macht einen wundervollen
Eindruck, sich von dieser Versammlung von Gottesstreitern um-
geben zu sehen. Dem Heiland zunächst stehen Petrus und Pau-
lus. Beide haben etwas Gedankenvolles, ruhig Ernstes, ganz als
ob auch sie schon, irdischem Ringen entrückt, Mitantheil haben
an der himmlischen Verklärung. In stiller Würde, mit den
Schlüsseln in den Händen, scheint Petrus auf die Menschheit,
welche der Pforte naht, zurückblicken. Seine gekrauste Stirn,

') Kcstner, römische Studien, S. 78.
 
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