Rietschel's Meisterschaft.
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jugendlich weibliches Köpfchen (d. h. in völliger, ich meine voll in ab-
gerundeter erster Entwickelung begriffen) als Studium zu beginnen,
womit Sie denn für immer einen bedeutenden Schritt weiter gethan
haben, und das Resultat für alle Zeit der Werkstatt eiuen Anhalt
giebt. Ihre Zeichnung der Giebelfelder szum Dresdener Theater
1839) sehen sich die jungen Bildhauer besonders an und vergleichen
Ihre darin bethätigte Klarheit in der allgemeinen Entwickelung der
Zusammenstellung, als auch die der Formen, die aut die Naturwahr-
heit sich begründen und im Allgemeinen wie im Einzelnen dem Auge
die gefälligste Auslösung, wonach überhaupt der Bildhauer strebeu
soll, gewährt. Zu meiner großen Freude giebt es wenigstens Einzelne,
die aus der Masse sich so das Rechte herauszufinden wissen; möchte
nur auch dem guten Sinn die That, mit begeisterter Fähigkeit die
Hand folgen. Aber hier stockt es meistens — und woran? — an
der Beharrlichkeit, wenigstens wiederholt sich diese Kraftlosigkeit öfter,
wo ich's nicht erwarte in meinem kleinen Werkstattbereiche, und mich
traurig, auch wohl widerwärtig zornig macht. Da ich weiß, wie
Sie meiner Langmuth oft genug Zeuge waren, so muß ich Ihnen
zur Bekräftigung ihres guten Glaubens, daß er ja nicht untergehe
erzählen, daß, während ich unwohl war, H. den Kopf des seit dem
Monat September geformten, lebensgroßen Adlermodelles im ver-
lorenen Gipsabgüsse dergestalt reparirte, daß er nahe dem Kälber-
kopf, schwerfällig und charakterlos geworden war. — Ich habe den
Kopf neu modellirt, in Neben- und Sonntagsstunden, rein und ich
glaube tüchtig wie der erste war, hergestellt, daß ich im Stillen dieses
Geduldpröbchen in mir selbst zur Erholung loben darf." —
So steht Rauch inmitten seiner Schule urtheilend — selbst-
schaffend — kunstfördernd — schulbildend. — Er greift dabei über
den besonderen Bereich der eigenen Kunstübung hinaus auf verwandte
Gebiete und auf die Kunstpflege überhaupt an das Einzelne an-
knüpfend, das Allgemeine ins Auge fassend. In diesem Betracht ist
seine Thätigkeit hier noch etwas weiter zu verfolgen. Zwei Richtungen
derselben fallen für diese Zeit hauptsächlich ins Auge: seine Beziehung
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jugendlich weibliches Köpfchen (d. h. in völliger, ich meine voll in ab-
gerundeter erster Entwickelung begriffen) als Studium zu beginnen,
womit Sie denn für immer einen bedeutenden Schritt weiter gethan
haben, und das Resultat für alle Zeit der Werkstatt eiuen Anhalt
giebt. Ihre Zeichnung der Giebelfelder szum Dresdener Theater
1839) sehen sich die jungen Bildhauer besonders an und vergleichen
Ihre darin bethätigte Klarheit in der allgemeinen Entwickelung der
Zusammenstellung, als auch die der Formen, die aut die Naturwahr-
heit sich begründen und im Allgemeinen wie im Einzelnen dem Auge
die gefälligste Auslösung, wonach überhaupt der Bildhauer strebeu
soll, gewährt. Zu meiner großen Freude giebt es wenigstens Einzelne,
die aus der Masse sich so das Rechte herauszufinden wissen; möchte
nur auch dem guten Sinn die That, mit begeisterter Fähigkeit die
Hand folgen. Aber hier stockt es meistens — und woran? — an
der Beharrlichkeit, wenigstens wiederholt sich diese Kraftlosigkeit öfter,
wo ich's nicht erwarte in meinem kleinen Werkstattbereiche, und mich
traurig, auch wohl widerwärtig zornig macht. Da ich weiß, wie
Sie meiner Langmuth oft genug Zeuge waren, so muß ich Ihnen
zur Bekräftigung ihres guten Glaubens, daß er ja nicht untergehe
erzählen, daß, während ich unwohl war, H. den Kopf des seit dem
Monat September geformten, lebensgroßen Adlermodelles im ver-
lorenen Gipsabgüsse dergestalt reparirte, daß er nahe dem Kälber-
kopf, schwerfällig und charakterlos geworden war. — Ich habe den
Kopf neu modellirt, in Neben- und Sonntagsstunden, rein und ich
glaube tüchtig wie der erste war, hergestellt, daß ich im Stillen dieses
Geduldpröbchen in mir selbst zur Erholung loben darf." —
So steht Rauch inmitten seiner Schule urtheilend — selbst-
schaffend — kunstfördernd — schulbildend. — Er greift dabei über
den besonderen Bereich der eigenen Kunstübung hinaus auf verwandte
Gebiete und auf die Kunstpflege überhaupt an das Einzelne an-
knüpfend, das Allgemeine ins Auge fassend. In diesem Betracht ist
seine Thätigkeit hier noch etwas weiter zu verfolgen. Zwei Richtungen
derselben fallen für diese Zeit hauptsächlich ins Auge: seine Beziehung