166
Gmünd im Spätmittelalter
unfähigen Armen, wirksam Fürbitte bei Gott leisten konnten, motivierte alle Schich-
ten des Bürgertums, aber auch den Landadel zu reichen Stiftungen und Almosen-
spenden. Viele Stiftungen sollten das harte Los der Siechen mildern: Teils wurden
Geldbeträge gestiftet, bestimmt zur Aufteilung unter den Siechen, teils Brot und
Wein oder Kostzulagen (Schönbrot, Fleisch, Pfeffer, Fferinge). Andere Stiftungen
befreiten die Spitalisten von den schwersten Arbeiten in der vom Spital betriebenen
Landwirtschaft. Die bedeutendste Stiftung errichtete 1443 Anna Straißerin, die
Tochter des reichen Fernhändlers Hans Straißer: Sie übergab 2000 Pfund Heller,
damit die acht ärmsten und kränkesten Personen aus der vorderen Siechstube in einer
eigenen Stube leben und von einer Magd versorgt werden konnten.135 Zu nennen
sind auch die großzügigen Seelgeräte der Herren von Rechberg, die sich dadurch die
Aufnahme von Pfründnern aus ihrer Herrschaft sichern wollten.136
Das Leben der etwa 60 bis 70 ständig im Spital versorgten Männer und Frauen137
unterschied sich je nach der Art ihrer Pfründe — die sozialen Schranken der städti-
schen Gesellschaft blieben auch im Spital gewahrt. Wer im Alter in der besser ausge-
statteten oberen Pfründe leben wollte, mußte sich seine Versorgung teuer erkaufen.
1437 erwarb Heinrich Turenfelder, 1426 Mitglied der Bürgertrinkstube, und seine
Frau für 370 fl. eine Reichenpfründe, die ihnen eine besondere Stube zusicherte,
dreimal wöchentlich Fleisch, zehn Laib Brot, zwei Maß Wein täglich und die spise,
die allwegen ain spitalmaister isset und usz sinem hafen.m Für 70 fl. bekam man 1456
eine Pfründe am Knechtstisch. Ihr Inhaber aß mit den Spitalknechten in der hinteren
Stube und hatte seine Kammer über dem Marstall. Falls er krank werden sollte,
konnte er zu den Pfründnern in der hinteren Stube des vorderen Spitalhauses wech-
seln.139 Das Hab und Gut eines jeden Pfründners gehörte nach seinem Tod in jedem
Fall dem Spital. (Diese Pfründkäufe sicherten die Altersversorgung von Bürgern und
hatten nichts mit der besorgnuss der armen, kranken, bilgerin und eilender personen
baiderlai geschlechtsm zu tun. Neben Pilgern und Kranken wurden auch Geistes-
kranke aufgenommen.141) Ähnliche Pfriindverträge waren außerhalb des Spitals auch
unter Verwandten üblich. Eine andere Möglichkeit ist 1425 belegt: Damals kaufte
sich ein Ehepaar bei den Dominikanern eine Pfründe.142
Nach dem Übergang in städtische Regie erlebte das Spital in der zweiten Hälfte des
14. Jahrhunderts einen kräftigen Aufschwung. In den Quellen fallen besonders die
Jahre 1361 und 1362 auf, in denen das Spital für nicht weniger als 1942 Pfund Heller
den Langenacker, die Rinderbacher Mühle, Güter zu Lautern und die Dorfherr-
schaft Dewangen erwarb.143 In den Jahren nach 1370 fand auch eine planmäßige
Erweiterung des Spitalgeländes statt, das erst damals den heutigen Umfang erhielt.144
Wichtigster Zuwachs war die Gumpenmühle, die in den Spitalbezirk verlegt wurde.
Dieser Kauf kann als Zeugnis für einen Sachverhalt gelten, der das Verhältnis zwi-
Gmünd im Spätmittelalter
unfähigen Armen, wirksam Fürbitte bei Gott leisten konnten, motivierte alle Schich-
ten des Bürgertums, aber auch den Landadel zu reichen Stiftungen und Almosen-
spenden. Viele Stiftungen sollten das harte Los der Siechen mildern: Teils wurden
Geldbeträge gestiftet, bestimmt zur Aufteilung unter den Siechen, teils Brot und
Wein oder Kostzulagen (Schönbrot, Fleisch, Pfeffer, Fferinge). Andere Stiftungen
befreiten die Spitalisten von den schwersten Arbeiten in der vom Spital betriebenen
Landwirtschaft. Die bedeutendste Stiftung errichtete 1443 Anna Straißerin, die
Tochter des reichen Fernhändlers Hans Straißer: Sie übergab 2000 Pfund Heller,
damit die acht ärmsten und kränkesten Personen aus der vorderen Siechstube in einer
eigenen Stube leben und von einer Magd versorgt werden konnten.135 Zu nennen
sind auch die großzügigen Seelgeräte der Herren von Rechberg, die sich dadurch die
Aufnahme von Pfründnern aus ihrer Herrschaft sichern wollten.136
Das Leben der etwa 60 bis 70 ständig im Spital versorgten Männer und Frauen137
unterschied sich je nach der Art ihrer Pfründe — die sozialen Schranken der städti-
schen Gesellschaft blieben auch im Spital gewahrt. Wer im Alter in der besser ausge-
statteten oberen Pfründe leben wollte, mußte sich seine Versorgung teuer erkaufen.
1437 erwarb Heinrich Turenfelder, 1426 Mitglied der Bürgertrinkstube, und seine
Frau für 370 fl. eine Reichenpfründe, die ihnen eine besondere Stube zusicherte,
dreimal wöchentlich Fleisch, zehn Laib Brot, zwei Maß Wein täglich und die spise,
die allwegen ain spitalmaister isset und usz sinem hafen.m Für 70 fl. bekam man 1456
eine Pfründe am Knechtstisch. Ihr Inhaber aß mit den Spitalknechten in der hinteren
Stube und hatte seine Kammer über dem Marstall. Falls er krank werden sollte,
konnte er zu den Pfründnern in der hinteren Stube des vorderen Spitalhauses wech-
seln.139 Das Hab und Gut eines jeden Pfründners gehörte nach seinem Tod in jedem
Fall dem Spital. (Diese Pfründkäufe sicherten die Altersversorgung von Bürgern und
hatten nichts mit der besorgnuss der armen, kranken, bilgerin und eilender personen
baiderlai geschlechtsm zu tun. Neben Pilgern und Kranken wurden auch Geistes-
kranke aufgenommen.141) Ähnliche Pfriindverträge waren außerhalb des Spitals auch
unter Verwandten üblich. Eine andere Möglichkeit ist 1425 belegt: Damals kaufte
sich ein Ehepaar bei den Dominikanern eine Pfründe.142
Nach dem Übergang in städtische Regie erlebte das Spital in der zweiten Hälfte des
14. Jahrhunderts einen kräftigen Aufschwung. In den Quellen fallen besonders die
Jahre 1361 und 1362 auf, in denen das Spital für nicht weniger als 1942 Pfund Heller
den Langenacker, die Rinderbacher Mühle, Güter zu Lautern und die Dorfherr-
schaft Dewangen erwarb.143 In den Jahren nach 1370 fand auch eine planmäßige
Erweiterung des Spitalgeländes statt, das erst damals den heutigen Umfang erhielt.144
Wichtigster Zuwachs war die Gumpenmühle, die in den Spitalbezirk verlegt wurde.
Dieser Kauf kann als Zeugnis für einen Sachverhalt gelten, der das Verhältnis zwi-