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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0291
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Frömmigkeit, Fresken und Filigran

allgemeinen stimmen die Texte überein, nur sind in den einzelnen Handschriften die
jeweiligen Vor-, Zwischen- und Nachspiele an verschiedenen Stellen eingefügt. In
zweimal zwölf Auftritten stellten mehr als 100 Laienschauspieler am Gründonners-
tag und Karfreitag die Passion Christi dar. Lange Zeit kannte man den Verfasser der
überlieferten Texte nicht. Anton Nägele fand schließlich heraus, »daß der Text des
Gmünder Passionsspiels . . . völlig mit dem des Immenstadter Passionsspiels über-
einstimmt«.6 Als Verfasser dieses Spiels gilt der Geistliche Rat Johann Sebastian von
Rittershausen. Das Vorbild für seine Textgestaltung fand er nicht in den Evangelien,
sondern in Klopstocks »Messias«. Doch diese Beziehung ist rein äußerlich, von Rit-
tershausen wollte nicht seelische Ergriffenheit und hochgespannte Gefühle in dichte-
rischer Sprache zum Ausdruck bringen, für ihn waren vor allem die sinnfälligen
äußeren Vorgänge wichtig. Er verwendete auch nicht den klassischen Hexameter-
vers, sondern gereimte Knittelverse in Hans Sachsens Manier. So entstand volkstüm-
liche, publikumswirksame Gebrauchsliteratur ohne besonderen poetischen Ehrgeiz.
Am Karfreitag wurde die Passion vom zweiten Verhör Christi vor Kaiphas bis zur
Kreuztragung aufgeführt. Man verzichtete bewußt auf die Darstellung der Kreuzi-
gung und schloß mit der Verkündigung des Todesurteils und den Spottreden der
Henkersknechte. Voller Ergriffenheit folgten die Zuschauer den Vorgängen auf der
Bühne, deren Wirkung durch musikalische Ausgestaltung noch gesteigert wurde.
Dramatische Höhepunkte, wie z. B. das Abendmahl, die Fuß Waschung, Christus am
Ölberg, die Geißelung, waren mit Musik eingerahmt, aber auch die Texte mancher
Vor- und Zwischenspiele gaben den Komponisten Anlaß zu kleinen Oratorien, Kan-
taten, Arien, Duos und Rezitativen. Vier Musiker beteiligten sich an der Komposi-
tion der Bühnenmusik zum Gmünder Passionsspiel: Aloys Bernard vom Kloster
Berkheim, Musikdirektor Johann Schmid von Ellwangen, Emst Weinrauch vom
Kloster Zwiefalten und Pater Angelus Dreher von Kirchheim.7 Die Vertonungen
von Schmid, Bernard und Weinrauch fanden jedoch beim Publikum wenig Anklang.
Deswegen wurde Angelus Dreher mit der Komposition einer völlig neuen Bühnen-
musik beauftragt, die in den Jahren 1774 und 1775 zum erstenmal erklang. Über 150
Jahre lang war die gesamte Passionsmusik verschollen, schließlich wurden die Noten
im Jahre 1956 von Albert Deibele auf der Empore des Münsters wiederentdeckt.s
Die Musik zum alten Gmünder Passionsspiel ist das einzige Notenmaterial, das sich
aus der Barockzeit erhalten hat und das genauere Auskunft geben kann über das
Musikleben in der alten Reichsstadt Gmünd im 18. Jahrhundert.9
Angelus Dreher hinterließ insgesamt sieben, z. T. umfangreiche musikalische Wer-
ke. Das »Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg« für Sopran-, Alt-, Tenor- und
Baßsolo, Chor, zwei Flöten, zwei Hörner, zwei Trompeten und Streicher wurde am
29. und 30. März 1958 im »Pelikan« in Gmünd wieder aufgeführt.10 »Er (A. Dreher)
 
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