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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0352
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Der Anfang vom Ende.
Politische Strukturen der Reichsstadt im 18. Jahrhundert

von Ursula Laurentzsch

Bürgerprozesse und Magistrat
Reichsstädtische Geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts war für die historische
Forschung lange Zeit ein wenig dankbares Thema. Nach der Schilderung mittelalter-
licher Stadtherrlichkeit erschien die Spätzeit eher als ein beschämender Appendix;
man deklarierte sie als Zeit der Verknöcherung und Erstarrung.1 Otto Borst kom-
mentiert zusammenfassend: Die Reichsstädte seien nun in einen Dämmerschlaf
zurückgesunken, in dem sie dahinvegetierten, politisch heiseitegeschohen, geistig ver-
trocknet, mit einem verknöcherten Beamtenapparat und einem in lächerlicher Hans-
wurstiade verkommenen Kirchturmshorizont.2 Inzwischen ist dieses lieblose Urteil
einer angemesseneren Einschätzung reichsstädtischer Endzeit gewichen — besonders
deshalb, weil die schlechten Erfahrungen mit den straff organisierten Machtstaaten
des nationalistischen und imperialistischen Zeitalters noch nicht vergessen sind.3
Denn nicht nur »Dämmerschlaf« und »Hanswurstiade« kann man der Stadt des 18.
Jahrhunderts bescheinigen, sondern man gewinnt auch den Eindruck eines äußerst
lebendigen städtischen Innenlebens in einer Zeit, als einem nach außen die Hände
gebunden waren und man einzig danach trachten mußte, Exekutionen, Kontributio-
nen und Einquartierungen, die die Zeitläufte der Stadt auferlegten, möglichst ohne
viel Schaden zu überstehen. Durchaus positive Entwicklungsansätze werden in den
Bürgerprozessen des 18. Jahrhunderts offenbar; Ansätze, die als Gegensteuerung zu
obrigkeitlicher Erstarrung zu werten sind. Auch in Gmünd waren beide Erscheinun-
gen vertreten: einerseits ein begieriges und ängstliches Nichtteilenwollen der Macht
der in sich abgeschlossenen Ratsaristokratie, die Tendenz zur Bürokratisierung und
Repräsentation; der bekannte Aalener Historiker Johann Gottfried Pahl charakteri-
sierte dieses »Staatsverständnis« der Reichsstädte mit den Worten: Unwandelbare
Bewahrung des Bestehenden in den öffentlichen Einrichtungen und Anstalten, festes
Haften an den herkömmlichen Gebräuchen und Mißbräuchen, steife und feierliche
Formen im gesamten Staatsleben4 — und andererseits ein unverdorbenes, starkes
politisches Interesse städtischer Mittelschichten. Was hier aufeinanderprallte, war
die Forderung des Magistrats nach Anerkennung seiner Obrigkeit und die der Bür-
 
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