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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0444
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Vom Kaiserreich über die Zeit der Weltkriege bis zur
demokratischen Republik
von Ernst Lämmle

I. Schwäbisch Gmünd von 1894 bis 1945

Im Wilhelminischen Deutschland 1894 bis 1914
Paul Möhler, der sein Amt als Stadtschultheiß am 28. Mai 1894 übernahm, wollte
aus Gmünd eine moderne Stadt machen; er setzte in dieser Beziehung die Politik sei-
nes Vorgängers Untersee fort. Gmünd sollte neben den anderen wiirttembergischen
Industriestädten bestehen können. Möhler war ein Mann mit erstaunlichem Weit-
blick und von großer Tatkraft, ein Praktiker, der sich in 28jähriger Tätigkeit hohes
Ansehen in der Bürgerschaft erwerben konnte. Zu Königs Geburtstag 1903 erhielt er
die Amtsbezeichnung Oberbürgermeister.
1852 in Gmünd geboren, im monarchischen Obrigkeitsstaat aufgewachsen, geprägt
von der Reichsgründung von 1871, fiel der größte Teil seiner Amtszeit in das Wilhel-
minische Zeitalter. Es ist nach Wilhelm II. benannt; der Kaiser verfügte über so viel
Intelligenz wie jeder andere europäische Herrscher, ja über mehr als die meisten, aber
sein Mangel an Selbstdisziplin, seine Ich-Bezogenheit, sein überentwickelter Sinn für
theatralische Auftritte und sein fundamentales Mißverständnis der Geschichte ver-
hinderten, daß er einen gedeihlichen Gebrauch von ihr machteI Zu Ausgang des
Jahrhunderts drängte die deutsche Politik, freudig unterstützt vom Kaiser, in zwei
Richtungen: nach kolonialer Expansion und nach Seegeltung. Das Verhängnisvolle
dieser Politik lag darin, daß sich das Deutsche Reich damit Rußland und England
gleichzeitig zum Feind machte, obwohl es schon mit Frankreich als einem erbitterten
und unversöhnlichen Gegner zu rechnen hatte. Die politischen Entscheidungen fie-
len im Wilhelminischen Deutschland in einem nach außen abgeschirmten, jeglicher
Kontrolle entzogenen Kreis von Fürsten, Diplomaten, Ministerialbeamten und
hohen Militärs. Der Reichstag und damit die Parteien hatten darauf keinen Einfluß.
In einen sehr düsteren Zeitpunkt, die große Enttäuschung nach dem Ausgang des
Ersten Weltkriegs, fiel Möhlers 25jähriges Amtsjubiläum. Aus diesem Anlaß wurde
er am 28. Mai 1919 zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Mit Jahresende 1922 schied
 
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