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eitung für Einsiedler.

1808.-

20

-7. Juni.

Die fünft Lieb ist die Lied des Vaterlands von der geschrieben
steht: äuicir »mor patriae. Diese Lieb, wenn sie durch den Geist
nicht geregnet wird, so gibt sie Ursach zu vollbringen groß Uebey;
denn sie halt keinen Glauben, sie verordnet und stift viel Krieg
und Uneinigkeit, sie bestellt Verrätherei und übertritt das Gesetz
Gottes und auch der Menschen; sie veracht und hält rvenig von
-er christglaubigen Kirche- sie gebiert Neid und Haß, Zwieträch-

tigkeit und Hoffart; Schmeichler, Zuduttler und Verrätber, ze rcht
sie in ihre Dienstbarkeit, mit der Verkehrung aller Gerechtigkeit,
und ist gewöhnlich zu Wilthen und strafen ohn alle Barmherzigkeit.
Denn sie niemands schonet noch und das alles zu behalten ihren
zeitlichen Stand der alten Herkommen und Gewohnheit, sie sevend
bös oder gut, darum denn oft zu End zerstöhrt wird das Varerland.
Der beschlossen Gart des Rosenkranz Mariä Bl. 275.

Gedanken: wie sich dieSagen zur Poesie
und Geschichte verhalten, von Ja-
kob Grimm.
(Beschluß.)

Ferner ergiebt sich, wie Poesie und Geschichte in
der ersten Zeit der Völker in einem und demselben Fluß
strömen, und wenn Homer von den Griechen mit Recht
ein Vater der Geschichte gepriesen wird, so dürfen wir
nicht länger Zweifel tragen / daß in den alten Nibelun-
gen die erste Herrlichkeit deutscher Geschichte nur zu
lange verborgen gelegen habe.
Nachdem aber die Bildung dazwischen trat, und
ihre Herrschaft ohne Unterlaß erweiterte, so mußte,
Poesie und Geschichte sich auseinander scheidend, die alte
Poesie auS dem Kreis ihrer Nationalität unter das ge-
meine Volk, das der Bildung unbekümmerte, flüchten,
in dessen Mitte sie niemals untergegangen ist, sondern
sich fortgesetzt und vermehrt hat, jedoch in zunehmender
Beengung und ohne Abwehrung unvermeidlicher Einflüsse
der Gebildeten.
Dieß ist der einfache Gang, den es mit allen Sa-
gen des Volks, so wie mit seinen Liedern zu haben
scheint, seitdem ihr Begriff eine etwas veränderte Rich-
tung genommen, und sie aus Volks'sagen, d. h. Natio-
nalsagen, Volkssagen, d. h. des gemeinen Volks gewor-
den sind. Ich wenigstens meinerseits habe es nie glau-
ben können, daß die Erfindungen der Gebildeten dauer-
haft in das Volk eingegangen, und dessen Sagen und
Bücher aus dieser Quelle entsprungen wären.
Treue ist in den Sagen zu finden, fast unbezweifel-
bare, weil die Sage sich selber auüspricht und verbrei-
tet, und die Einfachheit der Zeiten und Menschen, un-
ter denen sie erhallt, wie aller Erfindung an sich fremd,
auch keiner bedarf. Daher alles, was wir in ihnen für
unwahr erkennen, ist es nicht, insofern eS nach der alten
Ansicht des Volkes von der Wunderbarkeit der Natur

gerade nur so erscheinen, und mit dieser Zunge ausge-
sprochen werden kann. Und in allen den Sagen von
Geistern, Zwergen, Zauberern und ungeheuer« Wun-
dern ist ein stiller aber wahrhaftiger Grund vergraben,
vor dem wir eine innerliche Scheu tragen, welche in
reinen Gemüthern die Gebildetheit nimmer verwischt hat
und aus jener geheimen Wahrheit zur Befriedigung auf-
gelösct wird.
Jcmehr ich diese Volssagen kennen lerne, desto we-
niger ist mir an den vielen Beyspielen auffallend, die
weite Ausbreitung derselben, so daß an ganz verschiede-
nen Oertern, mir andern Namen und für verschiedene
Zeiten dieselbe Geschichte erzählen gehört wird. Aber
an jedem Orte vernimmt man sie so neu, Land und
Boden angemessen, und den Sitten einverleibt, daß man
schon darum die Vermuthung aufgeben muß, als sey die
Sage dnrch eine anderartige Betriebsamkeit der letzten
Jahrhunderte unter die entlegnen Geschlechter getragen
worden. Es ist das Volk dergestalt von ihr erfüllt ge-
wesen, daß es Benennung, Zeit, und was äußerlich ist,
alles vernachläßigt, nach Unschuld in irgend eine Zeit
versetzt, und wie sie ihm am nächsten liegen, Namen
und Oerter unterschiebt, den unverderblichen Inhalt
aber niemals hat fahren lassen, also daß er die Läute-
rung der Jahrhunderte ohne Schaden ertragen hat, an-
gesehen die geerbte Anhänglichkeit, welche ihn nicht wol-
len ausheimisch werden lassen. Daher es im einzelnen
eben so unmöglich ist, den eigentlichen Ursprung jeder
Sage auszuforschen, als es erfreulich bleibt, dabey auf
immer ältere Spuren zu gerathen, wovon ich anderwärts
einige Beyspiele bekannt gemacht habe.
Auch ist ihre öftere Abgebrochenheit und Unvollstän-
digkeit nicht zu verwundern, indem sie sich der Ursachen
Folgen und des Zusammenhangs der Begebenheiten
gänzlich nicht bekümmern, und wie Fremdlinge daste-
hen , die man auch nicht kennet, aber nichts desto weni-
ger versteht.
Ju ihnen hat Las Volk seinen Glauben niedergelegt,
 
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