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aber durch das der Wahrheit binden will. So ruht die art-
griechische Mythe offenbar auf Naturanschauung/ je wei-
ter aber sie von ihrem Ursprünge sich entfernt, um so
mehr treten jene großen einfachen Naturformen in ihr
zurück, und das ganze bunte Gewimmel freyer absicht-
loserSchöpfungen in der Götterwelt nimmt ihre Stelle ein.
Das also hat diese Untersuchung uns gewonnen,
daß sic über Ort, Zeit und die wirkenden Kräfte in die-
ser großen poetischen Begebenheit, so viel es bey einem
solchen Gegenflande möglich isi, uns versiändigt hat. Der
Nhein, der Nil des alten Deutschlands, der sein Delta
in Holland hat, nachdem er die Schweizergebürge ver-
lassen, durch seine Seen hindurchgeflossen, und über
seine Cataracte sich gesiürzt, tritt in jene schönen reichen
Ebenen zwischen den Vogesen und dem Taunusgebürge
und dem Hunsrück *) ein, und dort hat daS Gedicht sich
ersien Sitz und Stammland selbsi gewählt, und fließt nun
groß und herrlich durch seine Geschichte, wie der edle
Strom durch seine Natur. WormS insbesondere, das
alte BorbetomaguS, schon dem Ptolemaeus be-
kannt , von den Römern besetzt, Sih des Erzbischoff-
thums, das bis zum Anfänge des achten Jahrhunderts
selbsi Maynz als Filial unter sich begriff; unter -en
sränkischen Fürsten Paris gleich geachtet, indem die
Könige sich dort ihren ösilichen, wie hier ihren wesilichen
Sitz gegründet, und Dagobert an einem wie am
andern Orte ein Dyonisiusmünster gestiftet, und einen
Pallast baute, den 791 eine Feuersbrunst in der rheini-
schen Stadt verzehrte: dieser Ort ist vor allem das HauS
-er Helden in diesem Kreise. Keineswegs war auch die
Erinnerung alter Herrlichkeit in dieser Stadt bis auf die
uächstvcrflossenen Zeiten hin ganz untergegangen. Man
zeigte noch gegen das Ende des sechszehnten Jahrhun-
derts das sogenannte RiesenhauS und des gehörnten Sieg-
frieds Lanze, einen ungeheuren Wellcnbaum. Eine alte
Sage, erzählte die Chronik der Stadt, hatte das Anden-
ken an seine Begräbnißstätte in der Kirche der heiligen
Cacilia aufbewahrt. Als daher der Kayser Friedrich der
dritte um die Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, nach-
dem er in Belgien Krieg geführt, in WormS verweilte,
war er neugierig, die Wahrheit der durch ganz Deutsch-
land verbreiteten Dichtungen von seiner Riesengrüße,
durch eigene Untersuchung zu prüfen. Er ließ daher daS
Grab öffnen, wie der König Franz Rolands Grab,
allein, ob man gleich so tief vordrang, daß man auf
Frcher pakae. p. 8? führt eine Stelle aus dem Mar«
>ner einem altdeutschen Dichter aus der Zeit Friedrichs U- an,
wo es heißt: „Der Jmelungenhort lit in dem Lurlenburg
in de».« Der Jmelungen hort, wie es scheint, der Nibelun-
gen Hort, und die Stelle wo er verborgen, der Lurleyfelsm
oder die Lor er le» bc» Wesel im obern Rheingau.

die Wasserquellen traf, so fand man doch keine Spur
von Gebeinen. Die Vermuthung Frehers, als ob zwi-
schen .ihm und dem berühmten Sigbert, der um LZ9 unter
dem König Theoderich major DomuS gewesen, und in
Worms mit seiner Gattin Crimhilde gewohnt, und viele
Thaten dort verrichtet, eine Verwechselung vorgegangen,
mögte wohl nicht ganz grundlos sich bewähren. Kaum wird
es gegenwärtig möglich seyn, noch irgend etwas historisch
Gewisses über diesen Gegenstand auszumitteln. Wie dem
Untergang von Altdeutschland jene Gedächtnißschwäche
vorangeeilt, in der die letzte Zeit rein vergessen, was wahr-
haft Merkwürdiges in ihrer Vergangenheit geworden, ist die
Sage ganz verstummt, und was die Armuth schriftlicher
Denkmäler, wenn nicht unverhofft sich neue unbekannte
Quellen öffnen, geben kann, mögte nicht leicht viel weiter
führen, als wir bisher erreicht. Nachdem das Andenken
an die Begebenheiten bis auf wenige Ortsnamen viel-
leicht, etwa Guntersblum, GuntramSheim,
Godramstein, Hagenheim, Folkeshetm und
die Benennung deS Rosengartens bey WormS,
ausgestorben ist, hat man zuletzt auch noch das letzte
Denkmal zerstört, das wohl noch Zeugniß geben konnte
von jenen Jahrhunderten. Die schöne alte Capelle in
Worms nahe bey dem Dome, die in einem remen,
großen Style gestaltet, mit dem Tempel, den Theo-
derich in Ravenna gebaut, und dessen Kuppel lange
die Urne mit seiner Asche trug, in ihren Formen die
auffallendste Aehnlichkeit gezeigt, und wahrscheinlich also
nicht in einer viel späteren Zeit gegründet wurde, hak
der eigene freywillige Entschluß des dortigen Kirchenra«
theS der Zerstörung hingegeben, und das Land verlrert
an ihm melleicht das älteste und merkwürdigste Denk-
mal seiner Vergangenheit. So ist alle Geschichte doch
immer nur Nomadenzug, und haben auch Jahrtausende
die Erdhütten und die Steingezelte sich erhalten, endlich
bricht sie doch die Zett. Wie Sturmvögel jetzt hoch über
dem Meere schweben, und dann sich niederscnken und
mit den Flügelsvitzen den Rand der Wellen streifen, und
die weise Brust im kühlen Erdblut baden, und wieder mr^
tcrtauchen und unter dem Wasser durchbrechend weiter
eilen: so schießt das Leben gleichfalls bald eine Feuerku-
gel durch die Lüfte durch; fährt dann nieder an die
Erde, und furcht sich dorthin schlagend und wieder an
den andern Ort, und wühlt sie dann weiter unter dem
Boden durch, und wirft in hohen Hügeln die Erde auf,
und hat niemal bleibende Stätte an einem Puncte. Un-
wenn die wilde Kraft irgendwo ausgetobt,, dann tritt die
alte Mutter sorgsam her, und bringt die dienstbaren Na-
turgeister mit hinzu, daß sie langsam wieder glätten,
was der Frevel zerrissen hat; und die arbeiten leise leise
nagend wie das Knistern in Ruinen; jeder Augebück hat
ein Staubkörnchen abgerieben; lange Zeit besänftigt
großen Aufruhr, heilt tiefe Wunden, ebnet alle Hügel.
Und eS ist nicht an der Natur zu tadeln, daß ste ihr
Reich gegen Beschädigung wahrt, und eS ist auch am
Leben nicht zu schelten, wenn eS zerstört, was es ge-
baut; denn eS soll sich nicht in seiner eigenen Werke
Fessel geben: wenn aber ein einzelner Pnvatwillen von
gestern und von heute zerstört, was der Jahrhunderte ist,
das muß man für frech und gottlos halten.
 
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