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sprach der Sohn: Es ist eine ziemliche Bitte; st es an-
ders gefällig deinen Gnaden , denn ich begehr nichts
«nders dann, daß -eine Tochter meine Schwester, die
in dem Elende lange ohne Trost ist gewesen, nun wieder
zu deinen Halden werde onpfangen, and deine gnädige
Gegenwärtigkeit genieße. Da hieß ihn der Vater der
Rede schweigen. Da hätte der Jüngling so großes Mit-
leiden mit seiner Schwester, und hieß heimlich einen
Wagen bereiten mit aller Nothdurft, und sandte nach
feiner Schwester. Also geschah, daß der Herzog mit sei-
.nem Sohne und mit seiner Ritterschaft saß auf Hohen-
burg, und sah einen gezierten Wagen kommen; da sprach
er: Wer da komme. Da sprach sein Sohn, seine Toch-
ter Otilie komme da. Da sprach der Herzog: Wer ist
so frevel oder so thöricht, der sie ohne mein Heißen
hätte herberufen. Da merkte der Sohn, daß dieß nicht
möchte verholen bleiben und sprach: Herr, ich dein
Diener betrachtete, daß eS Schande war, daß sie in
so großer Armuth wohnete, und habe sie hergesandt aus
großem Mitleiden, dessen begehre ich deine Gnade.
Vor Zorne hob der Vater seinen Stab auf und schlug
den Jünglig so sehr, daß er sich wandt und starb. Des
betrttbete sich der Vater so sehr, daß er sich bis an sei-
nen Tod in ein Kloster zur Busse legt, gedachte auch
seiner Missethat und sandte nach Sankt Otilie» und
empfahl sie einer andern Klosterfrauen und hieS ihr nicht
mehr geben als einer Magd, damit ließ sie sich wohl be-
gnügen. In diesen Zeiten geschah es, daß ihre Amme
starb, da gedachte sie an den Ernst, den sie zu ihr hätte
gchabet in ihrer Jugend, und begrub sie selber mit ihren
Händen. Darnach über dreißig Jahr sollte man einen
andern Menschen an derselben Stelle begraben, da fand
man, daß dieser arme Leichnam gar verfaulet war, ohne
allein die rechte Brust, damit sie Sankt Ottilien hätte
gesäuget. Es geschah einmal, daß dem Herzoge Sankt
Otilia begegnete im Kloster, da überwand er sich und
sprach: Tochter, was gehst du? Da sprach sie: Herr
ich gehe und trage ein wenig HabermeleS, davon will ich
-en armen Mensche» ein Müslein machen. Da sprach
er: Vielliebte Tochter! dich soll nicht beschweren, daß
du bisher ein arm Leben hast geführet, es soll nun al-
les besser werden. Also gab er ihr das Kloster mit al-
lem seinem Gute und begehrte, daß sie mit Fleiße mit
ihre» Klosterfrauen ewiglichen Gott für seine Sünde be-
tete. Danach kürzlich starb er, da ist ihr erschienen in
-cm Geiste, daß ihr Vater in großen Peine» wäre um
seine Sünde, die er noch nicht auf Erden gebusset hät-
te, darum büßte sie mit Fasten und mit Wachen so
lange für ihren Vater, -aß zu jüngste eine Stimme

mit cknem Lichtscheins kam und sprach: Otilie -u Aus-
wählte Dietterm Gottes, nicht »einige -ich mehr um
-eine» Vater, denn der allmächtige Gott hat dich erhö-
ret, md führen die Engel -eines Vaters Seele gen
Himmel.
Diese heilige Jungfta« hätte unter sich hundert und
-reisig Jungfrauen in ihrem Kloster, die versorgte sie
leiblich und geistlich mit guter Lehre und gutem Bilde,
das sie ihnen Vortrag. Und war ihre Speiße Gersten-
brod, ihr Bette eine Bärenhaut und ihr Kiffen ein har-
ter Stein. Die heilge Otilie merkte, -aß wenig armer
Menschen zu dem Kloster kamen, an denen sie Werke
der Barmherzigkeit möchte üben, weil der Berg zu hoch
war, darum thät sie bauen unter dem Berge eine Kirche
zu Sankt Martins Ehre, und dabei eine Herberg. Da
Sankt Ottilie in diesem Bane gar bekümmert war, da
kam zu ihr em Mann, -er brachte drei Zweig von einer
Linden und gab ihr die, -aß sie die sollte pflanzen ihm
zu einem Gedächtnisse. Also hieß sie drei Gruben ma-
chen und schte den ersten Zweig im Namen des Vaters,
und den andern im Namen des Sohnes, und den drit-
ten im Ncmen deS heiligen Geistes. Die drei Zweige
wurden gioße Bäume, und stehen noch heutiges TagrS
da. Danach sammelte sie alle ihre Frauen, und hieß sie
erwählen, was Regeln sie wollten empfahen, ob sie woll-
ten rin offen Kloster haben. Da sprachen sie alle: Dies
sollte in ihrer Ordnung liegen. Da sprach sie: Ich er-
kenne euch alle in Christo, daß ihr wohl ein beschlossen
strenges Leben führet, doch weiß ich, daß unsere Nach-
kommen die Härtigkeit nicht mögen erleiden, und daß
ihnen daS ein Fluch würde, was Ms ein Heil sollte
seyn. Darum ist meine Begierde, daß wir unter der
offenen Regrl bleiben. Diese Sankte Otilie hatte beson-
dere Andacht zu Gankte Johann dem Täufer, ritte
Nacht lag sie in ihrer Andacht, da erschien ihr Sankt
Johann und zeigte ihr eine große leere Stelle, wo sie
e ne Kirche sollte bauen. Des Morgens ordnete sie den
Bau an. Einmals fielen vier Ochsen mit einem belade-
nen Wagen, die Steine zu der Kirche führten, den
Felsen herab über siebenzig Schuh Höhe; die wurden
-och von Sakt Otilien aufgehalten, daß sie unversehret
blieben, und denselben Wagen mit Steinen zu dersel-
ben Stunde zur Kirche brachten. Neben der Kirche hirß
sie eine Kirche bauen, da wohnete sie mit wenig Frauen
in Andacht. Sie hatte einen Bruder Adelbert genannt,
der hatte drei Töchter: Eugenia, Attala und Gunde-
linde, die hörten so groß Lobsagen von ihrer Base, daß
sie begehrten ein geistlich Leben. Da das Sankt Otilie
empfand, nahm sie diese Jungfrauen mit großen Freu-
 
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