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46 KUNSTWISSENSCHAFTLICHE BEWEGUNG IN OESTERREICH.

nebenstehenden Neubau aus der Diadochenzeit, dem dorischen Marmor-
tempel, weichen.

Die spärlichen Reste des Aufbaues gaben sich in sehr alterthüm-
lichen bemalten dorischen Geisonstücken mit Löchern in den Mutulen
zum Einhängen der Tropfen und in Gesimsstücken einer späteren Periode
mit figürlichem Friese archaistischer tanzender Frauen zu erkennen.

Mit der Aufdeckung dieses Objectes konnte die Untersuchung der
samothrakischen Heiligthümer auf der Insel als abgeschlossen betrachtet
werden, denn es ist aller Voraussicht nach kein Bauwerk mehr un-
berücksichtigt geblieben.

Wie für die erste Expedition auf die Publication verwiesen wurde,
muss auch für die zweite bezüglich der vielen technischen und formalen
Details auf die demnächst zu erscheinende Veröffentlichung der Auf-
nahmen dieser zweiten Reise hingewiesen werden.

Zur Klarstellung des Gesammtresultats beider Reisen wurde vom
Linienschiffslieutenant Ritter v. Becker ein grösserer Plan der Anlage
der Heiligthümer angelegt.

Man erkennt demnach die Heiligthümer der grossen Götter in
einem Complexe verschieden geformter und verschieden grosser Bauten,
welche in der Tiefe des Thaies und auf den daranstossenden Höhen
gruppirt, baulich und landschaftlich ein geschlossenes Ganze bildeten.
In der Tiefe lag einem chthonischen Cultus entsprechend der alte
Mysterientempel mit seinen Opferstellen, der zu verschiedenen Zeiten
umgebaut, endlich neben sich den neuen Culttempel erstehen sah. Neben
diesen neuen, gewiss in die Diadochenzeit fallenden Tempel traten zur
Verherrlichung der Oertlichkeit eine Anzahl mehr oder weniger decora-
tiver Bauten, welche, auf die umgebenden Höhen gesetzt, der Anlage
nach allen Seiten einen landschaftlich freien und zugleich architekto-
nischen Abschluss gaben, so die lange Stoa an der Nordseite des Ptole-
maeion, an der Ostseite das Arsinoeion. Die nahezu genaue Datirung
der Bauten erhöht den Werth der Aufdeckung, der noch dadurch ge-
steigert wird, dass in den Grundrissdispositionen der sämmtlichen Objecte
ganz neue, bis jetzt an keinem erhaltenen Objecte constatirte Planformen
bekannt wurden.

Die Aufdeckung der Gesammtanlage der Bauten wie die Formen
der einzelnen Objecte müssen demnach als willkommene Errungenschaft
zur Ausfüllung einer grossen Lücke in der Geschichte der Architektur
der Diadochenzeit angesehen werden.

Die wichtigsten Funde, wie die Giebelfiguren des neuen Tempels,
die Nike, das grosse ornamentale Akroterion, endlich viele Stücke der
Architekturen wurden nach Wien zur Aufstellung im kunsthistorischen
Museum überführt.
 
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