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Ephron, Walter; Strzygowski, Josef <Prof. Dr.>; Bosch, Hieronymus [Hrsg.]
Hieronymus Bosch - Zwei Kreuztragungen: eine "planmässige Wesensuntersuchung" — Zürich, Leipzig, Wien, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.29309#0157
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24. Die Lilienmuster am gelben Kleid des Mannes vor Pilatus (Narr ?) sind ganz
verschwommen. Als französische Lilien werden sie am Weinb.-Bild deutlich.

25. Die Hand der Frau ist ohne verständliche Funktion wiedergegeben.

26. Fehlen der Strickschlinge, die das Halten des Strickes erst begründet.

27. Fehlen der malerischen Durchführung der linken Hand des Scharfrichters.
Fehlen der Kapuzenspitze.

28. Unmögliche Daumenhaltung des mit dem Strick zuschlagenden Hen-
kersknechtes.

29. Fehlen der malerischen und anatomischen Durchführung des Kinder-
bildnisses an der Rückseite.

30. Fehlen der physiognomischen Charakteristik des Scharfrichterskopfes.
(Einzelbeispiel für alle ähnlichen Mängel an den anderen Köpfen.)

31. Verkürzung der schief liegenden Leiter zu einem malerisch nicht dar-
stellungswürdigen Detail.

32. Der Umbug am freifallenden Mantel des Scharfrichters ist unbegründet.
Das Weinb.-Bild gibt mit dem unter dem Mantel liegenden Kreuzarm die Er-
klärung. Beweis für die flüchtige, gedankenlose Arbeit des Kopisten.

F orm.

33. Die zweistufige Komposition ist durch nichts im Bild begründet. Die
Pariser „Geißelung des hl. Georg“, die Baldaß als gleichartige Komposition
anführt, erweist sich bei näherem Vergleich als ein mit dem Mus.-Bild nicht
gleichartiger Bildaufbau. Die zweistufigen Bosch-Werke „Ausstellung Christi“
in Frankfurt und Philadelphia zeigen im Gegensatz zum Mus.-Bild eine logi-
sche Begründung der Zweistufigkeit.

34. Der zweistufigen Komposition auf zwei übereinanderliegenden Gelände-
stufen müßte eine gemeinsame Figurenprojektion entsprechen. Am Mus.-Bild
zeigen die beiden Gruppen aber nicht einen gemeinsamen, sondern zwei
verschiedene Figuren-Horizonte. (Gutachten über Perspektive.) Der Horizont
der oberen Gruppe liegt um die Geländestufe höher als der Horizont der
unteren Gruppe. Das beweist, daß die beiden Gruppen nicht gemeinsam kom-
poniert wurden (so wie der ebene Zug des Weinb.-Bildes) und daß erst später
ohne Berücksichtigung des dadurch entstehenden perspektivischen Mißver-
hältnisses die Christusgruppe über die Schächergruppen gestellt wurde.

35. Der abstrakte, irreale Raum, den Baldaß annimmt, entspringt einer irrigen
Anschauung. Der Raum ist ganz natürlich.

36. Die Baldaß’sche Annahme einer formalen Dreieckskomposition ist irrig.
Ein Dreieck muß in der Bildenden Kunst ruhende Punkte verbinden. Da die
Spitze des Dreiecks, der Kopf Christi, sich mit seiner ganzen Gruppe nach
rechts wegbewegt, kann das Dreieck vom Künstler nicht komponiert worden

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