könnte: der Korb mit Trauben dominiert auch hier die
Stilllebenmotive, das kleine mopsartige Hündchen, das
bei Snyders die Blutstropfen eines toten Rehs aufleckt,
raubt bei JVK I einen kleinen toten Vogel an gleicher Stel-
le im Vordergrund links. Schließlich gibt die Dame im
Bild von Snyders, die von Robels Theodor van Tulden ge-
geben wird, in ihrer stilistischen Nähe zu der van Kessels
einen Hinweis darauf, dass auch diese bisher nicht zuge-
wiesene Dame von der Hand desselben Malers sein dürf-
te. Allerdings halten wir die Zuschreibung Robels an van
Tulden, die von Stephanie Gericke63 für das Dresdner
Snyders-Bild übernommen wurde, für nicht überzeugend.
Wir sehen hier als Mitarbeiter van Kessels die Hand von
Jan Boeckhorst, der auch für das Mädchen mit dem Papa-
gei des Dresdner Snyders (Abb. 92) verantwortlich sein
dürfte.
In nur einem einzigen Beispiel, dem „Prunkstillleben"
aus den 50er-Jahren (Abb. 93, Kat. 483), lässt sich die
Stilllebenmalerei von JVK I auf der von Jan Fyt, dem Schü-
ler von Frans Snyders, insbesondere mit seinem barock-
malerischen Kompositions-Geniestreichen verkörperten
Qualitätshöhe finden. Zahlenmäßig größeren Einfluss
übten die jagdbilder des Jan Fyt mit ihrer ungeheuren
Dramatik auf den jüngeren Malerkollegen van Kessel aus.
Ein Prunkstillleben von Jan Fyt (Abb. 94)64 könnte mit
der Anlage der Komposition als Freiluft-Terrassendekora-
tion mit den imperiales Herrschaftsdenken symbolisie-
renden Säulen und Vorhängen als freies Vorbild gedient
haben. Auf die Darstellung von erlegtem Wild und ver-
schiedener Musikinstrumente, Motive, die der Darstel-
lung Fyts Sinnschichten von Vanitas und Jagdstolz zufü-
gen, verzichtet van Kessel, der in der Zusammenstellung
seiner Motive trotz kleinerer ,wörtlicher' Übernahmen
wie der großen Karibik-Muscheln, die sich links unten
(Abb. 93) bei van Kessel, rechts oben bei Fyt unterhalb
des Säulenpostaments (Abb. 94) findet, recht selbständig
bleibt. In klaren, harten Formen stellt JVK I seine Motive
in einen hierarchisch treppenstufenförmig ansteigenden
imaginären Bildraum. Formen der Elemente Wasser (die
Muscheln) und Erde (Blumenkohl) bilden die Basis allen
Werdens, als deren Höhepunkt die Blumen im Glas
menschlichem Kunstwillen, ausgedrückt im Porzellan, im
Glas, in der Weinkaraffe auf gleicher (höchster) Ebene ge-
genüber gestellt werden. Vor dem Wissen, dass jedem
Stilllebenmotiv des 17.Jh., außer der mimetischen Freude
an der dem Motiv angemessenen Form, auch weiterfüh-
rende symbolhafte Bedeutung innewohnen kann, liegt es
nahe, im Verwelken des Blumenstraußes Memento-Mori-
Gedanken der Vergänglichkeitsebene, in der vulvaartig
aufgebrochenen rosaroten Melone und dem davor liegen-
den geöffneten Granatapfel erotische Fruchtbarkeitssym-
bole, in den Trauben Jungfräulichkeit oder in Verbindung
mit dem Rotwein im Glas eucharistische Symboltiefe aus-
gedrückt zu sehen. Der Betrachter, der sich auf diese iko-
nologischen Deutungen einlassen mag, die in der Malerei
des 17. Jh. immer möglich, aber nicht immer zwingend
sind, wird auch bei den über die Insekten- und Tierstillle-
ben (Kat. 325-455) hinausgehenden Früchtestillleben
(Kat. 456-488) fündig werden.
Im Vergleich zu verwandten Kompositionen des Sohnes
stellten wir bereits ein bisher wenig beachtetes Gemälde
(Abb. 10, Kat. 461) vor. Dieses ,banketje' ist nur eines in
den 50er-Jahren geschaffenen , Frühstücks-Stillleben' im
Stile des Jan Davidsz. de Heem, das JVK I in unmittel-
barem Kontakt mit dem in der Zeit von 1640 bis 1658 in
Antwerpen arbeitenden Utrechter Stilllebenmaler ge-
schaffen haben muss.65 In erster Anlehnung an Vorbilder
des de Heem signierte JVK I im Jahr 1653 drei Gemälde
(Kat. 459, 463, 464); 1654 ein weiteres (Kat. 460) und
dann 1655 das bereits erwähnte (Abb. 10, Kat. 461).
Wenigstens in zwei Fällen muss JVK I ,unter den Au-
gen' de Heems Kopien angefertigt haben. Von dessen Ge-
mälde „Stillleben mit Römer" aus dem Kopenhagener
Museum, das de Heem 1652 gemalt hat66, fertigte JVK I
1 653 die beiden Kopien an, die er signierte und datierte
(Kat. 463, 464). Die Vermutung darf angestellt werden,
dass sich im Werk de Heems, dessen von Fred Meijer
schon lange angekündigter CEuvrekatalog leider noch im-
mer nicht vorliegt, so manche Überraschung in Bezie-
hung zu JVK I wird finden lassen.
Im seltenen hochrechteckigen Format arbeitete JVK I
im de Heem-Stil bis in die späteste Schaffensphase: 1659
entsteht ein „Früchtestillleben mit Römer" (Kat. 465) und
1675 ein „Früchtestillleben mit Römer und Hummer"
(Kat. 466), in dem all das enthalten ist, was für eine de
Heem-Zuschreibung notwendig wäre - wären da nicht
die van Kessel-Signatur und die Vielzahl von Schmetter-
lingen, die als Lieblingsmotive van Kessels bei de Heem
in dieser Anzahl eher ungewöhnlich sind.
Neben diesen routiniert gemalten, zwar räumlich ver-
schränkten aber in ihrer Gleichförmigkeit doch eher
einfachen de Heem nahe stehenden Stillleben mit den
immer gleichen Motiven (Weinglas, Trauben, Melonen,
Pfirsiche, Pomeranzen, Kirschen, Austern, Krabben,
Schmetterlinge und immer die angeschälte Zitrone) - weit
entfernt von dem hochbarocken Prunkstillleben im Fyt-
Stil der 50er-Jahre (Abb. 94) - geht der Eklektizist den
Weg zum Einfachen, Klaren weiter: im Jahr 1672 signiert
er ein mit wenigen Motiven auskommendes Stillleben auf
einer Tischplatte (Kat. 467), in dem sich Einflüsse von
Frans Snyders, Jacob van Hulsdonck und Jacob Foppens
van Es67 zu einem doch typischen JVK I verbinden.
94
JVK 1: Früchtestillleben
Stilllebenmotive, das kleine mopsartige Hündchen, das
bei Snyders die Blutstropfen eines toten Rehs aufleckt,
raubt bei JVK I einen kleinen toten Vogel an gleicher Stel-
le im Vordergrund links. Schließlich gibt die Dame im
Bild von Snyders, die von Robels Theodor van Tulden ge-
geben wird, in ihrer stilistischen Nähe zu der van Kessels
einen Hinweis darauf, dass auch diese bisher nicht zuge-
wiesene Dame von der Hand desselben Malers sein dürf-
te. Allerdings halten wir die Zuschreibung Robels an van
Tulden, die von Stephanie Gericke63 für das Dresdner
Snyders-Bild übernommen wurde, für nicht überzeugend.
Wir sehen hier als Mitarbeiter van Kessels die Hand von
Jan Boeckhorst, der auch für das Mädchen mit dem Papa-
gei des Dresdner Snyders (Abb. 92) verantwortlich sein
dürfte.
In nur einem einzigen Beispiel, dem „Prunkstillleben"
aus den 50er-Jahren (Abb. 93, Kat. 483), lässt sich die
Stilllebenmalerei von JVK I auf der von Jan Fyt, dem Schü-
ler von Frans Snyders, insbesondere mit seinem barock-
malerischen Kompositions-Geniestreichen verkörperten
Qualitätshöhe finden. Zahlenmäßig größeren Einfluss
übten die jagdbilder des Jan Fyt mit ihrer ungeheuren
Dramatik auf den jüngeren Malerkollegen van Kessel aus.
Ein Prunkstillleben von Jan Fyt (Abb. 94)64 könnte mit
der Anlage der Komposition als Freiluft-Terrassendekora-
tion mit den imperiales Herrschaftsdenken symbolisie-
renden Säulen und Vorhängen als freies Vorbild gedient
haben. Auf die Darstellung von erlegtem Wild und ver-
schiedener Musikinstrumente, Motive, die der Darstel-
lung Fyts Sinnschichten von Vanitas und Jagdstolz zufü-
gen, verzichtet van Kessel, der in der Zusammenstellung
seiner Motive trotz kleinerer ,wörtlicher' Übernahmen
wie der großen Karibik-Muscheln, die sich links unten
(Abb. 93) bei van Kessel, rechts oben bei Fyt unterhalb
des Säulenpostaments (Abb. 94) findet, recht selbständig
bleibt. In klaren, harten Formen stellt JVK I seine Motive
in einen hierarchisch treppenstufenförmig ansteigenden
imaginären Bildraum. Formen der Elemente Wasser (die
Muscheln) und Erde (Blumenkohl) bilden die Basis allen
Werdens, als deren Höhepunkt die Blumen im Glas
menschlichem Kunstwillen, ausgedrückt im Porzellan, im
Glas, in der Weinkaraffe auf gleicher (höchster) Ebene ge-
genüber gestellt werden. Vor dem Wissen, dass jedem
Stilllebenmotiv des 17.Jh., außer der mimetischen Freude
an der dem Motiv angemessenen Form, auch weiterfüh-
rende symbolhafte Bedeutung innewohnen kann, liegt es
nahe, im Verwelken des Blumenstraußes Memento-Mori-
Gedanken der Vergänglichkeitsebene, in der vulvaartig
aufgebrochenen rosaroten Melone und dem davor liegen-
den geöffneten Granatapfel erotische Fruchtbarkeitssym-
bole, in den Trauben Jungfräulichkeit oder in Verbindung
mit dem Rotwein im Glas eucharistische Symboltiefe aus-
gedrückt zu sehen. Der Betrachter, der sich auf diese iko-
nologischen Deutungen einlassen mag, die in der Malerei
des 17. Jh. immer möglich, aber nicht immer zwingend
sind, wird auch bei den über die Insekten- und Tierstillle-
ben (Kat. 325-455) hinausgehenden Früchtestillleben
(Kat. 456-488) fündig werden.
Im Vergleich zu verwandten Kompositionen des Sohnes
stellten wir bereits ein bisher wenig beachtetes Gemälde
(Abb. 10, Kat. 461) vor. Dieses ,banketje' ist nur eines in
den 50er-Jahren geschaffenen , Frühstücks-Stillleben' im
Stile des Jan Davidsz. de Heem, das JVK I in unmittel-
barem Kontakt mit dem in der Zeit von 1640 bis 1658 in
Antwerpen arbeitenden Utrechter Stilllebenmaler ge-
schaffen haben muss.65 In erster Anlehnung an Vorbilder
des de Heem signierte JVK I im Jahr 1653 drei Gemälde
(Kat. 459, 463, 464); 1654 ein weiteres (Kat. 460) und
dann 1655 das bereits erwähnte (Abb. 10, Kat. 461).
Wenigstens in zwei Fällen muss JVK I ,unter den Au-
gen' de Heems Kopien angefertigt haben. Von dessen Ge-
mälde „Stillleben mit Römer" aus dem Kopenhagener
Museum, das de Heem 1652 gemalt hat66, fertigte JVK I
1 653 die beiden Kopien an, die er signierte und datierte
(Kat. 463, 464). Die Vermutung darf angestellt werden,
dass sich im Werk de Heems, dessen von Fred Meijer
schon lange angekündigter CEuvrekatalog leider noch im-
mer nicht vorliegt, so manche Überraschung in Bezie-
hung zu JVK I wird finden lassen.
Im seltenen hochrechteckigen Format arbeitete JVK I
im de Heem-Stil bis in die späteste Schaffensphase: 1659
entsteht ein „Früchtestillleben mit Römer" (Kat. 465) und
1675 ein „Früchtestillleben mit Römer und Hummer"
(Kat. 466), in dem all das enthalten ist, was für eine de
Heem-Zuschreibung notwendig wäre - wären da nicht
die van Kessel-Signatur und die Vielzahl von Schmetter-
lingen, die als Lieblingsmotive van Kessels bei de Heem
in dieser Anzahl eher ungewöhnlich sind.
Neben diesen routiniert gemalten, zwar räumlich ver-
schränkten aber in ihrer Gleichförmigkeit doch eher
einfachen de Heem nahe stehenden Stillleben mit den
immer gleichen Motiven (Weinglas, Trauben, Melonen,
Pfirsiche, Pomeranzen, Kirschen, Austern, Krabben,
Schmetterlinge und immer die angeschälte Zitrone) - weit
entfernt von dem hochbarocken Prunkstillleben im Fyt-
Stil der 50er-Jahre (Abb. 94) - geht der Eklektizist den
Weg zum Einfachen, Klaren weiter: im Jahr 1672 signiert
er ein mit wenigen Motiven auskommendes Stillleben auf
einer Tischplatte (Kat. 467), in dem sich Einflüsse von
Frans Snyders, Jacob van Hulsdonck und Jacob Foppens
van Es67 zu einem doch typischen JVK I verbinden.
94
JVK 1: Früchtestillleben