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Abb. 109 Daniel Seghers, Blumen um Barock-Kartusche. Solingen,
Gal. Müllenmeister 1976

einzigartigen Kartuschen-Komposition (Abb. 112, Kat.
626). Im Zentrum dieser Darstellung hängt an einem
blauen Band ein aus fremdartig skurril-schönen Meeres-
schnecken und -muscheln bestehendes Gebinde mit Blu-
men. Möglichst jede leere Stelle wird vom Maler mit In-
sekten ausgemalt.
Blumen und Früchte rahmen, zusammengesteckt in der
Form von Gebinden, eine in den katholischen Ländern
erfolgreiche, uns heute in fünf Versionen (Kat. 616-620)
bekannte Darstellung mit Monstranz (Abb. 113, Kat. 616).
Auf sehr großer Kupferplatte (70 x 105,5 cm) in quer-
rechteckigem Format beanspruchen die Begleitmotive,
sich in ihrer Strahlkraft und Plastizität aus dem dunkel ge-
haltenen Hintergrund vordrängend, mehr Aufmerksam-
keit des Betrachters als die Kernszene, die in einer Mons-
tranz ausgestellte Hostie, den Leib Christi symbolisierend.
Als „Ecce panis Angelorum" wurde eine Komposition die-
ser Art bei Forchoudt 1671 für 48 Gulden gehandelt93;

1675 kam aus Antwerpen in Wien bei den Forchoudts ein
Bild dieses Themas zum Verkauf an94; letztlich wurde in-
nerhalb der Familie Forchoudt 1697 „1 Ecce panis ange-
lorum van van Kessel" vererbt95.
Möglicherweise auf Vorrat um ein von einem Kollegen
noch zu füllendes querovales Mittelfeld gemalt werden
Blumen dann Bestandteil von Gebinden, die in ihrer Viel-
falt von Motiven ins allegorische Inhaltsfeld hinüberspie-
len. Unabhängig vom noch zu malenden inneren Feld
breitet JVK I in vier Ecken den gesamten ihm zur Verfü-
gung stehenden Motivapparat zur Illustration eines alle-
gorischen Gedankens aus: alle Motive der „Allegorie der
Elemente" (Abb. 114, Kat. 665) finden sich weitgehend
identisch in der Kartuschenrahmung um den profanen In-
halt einer Liebesallegorie (Kat. 623), die durch den bo-
genschießenden Amor verkörpert wird. Das Datum dieser
Kartuschen-Darstellung, 1 664, gibt uns Veranlassung,
ähnliche Kompositionen in die 1660er-Jahre zu datieren,
davon ausgehend, dass wir die Arbeitsweise von JVK I so
weit verstanden haben, dass diese versimplifizierenden
Datierungs-Schlussfolgerungen statthaft sind.
In den Jahren 1665-1667 entsteht in einer „Kartusche
mit Vanitassymbolen um Ecclesia" (oder „Allegorie Euro-
pas", Abb. I15, Kat. 627) in Zusammenarbeit mit Erasmus
Quellinus eine der motivreichsten Gehänge-Konstrukti-
onen um eine Nische, in der Quellinus in Grisaille-Tech-
nil< seine Vorstellung der Personifikation Europas verbild-
lichen konnte. JVK I hat in den Randmotiven all das, was
er bis dahin entwickelt hatte, ,untergebracht'. Anlässlich
der Ausstellung „Das Flämische Stillleben" schrieb Wolf-
gang Prohaska einen Kommentar zu dieser Komposition,
der in seiner Treffsicherheit seinesgleichen sucht. Wir zi-
tieren in Auszügen: „Ein gerahmtes Gemälde und Gehän-
ge aus Blumen, Musikinstrumenten, Fahnen, Büchern,
,geistlichen' Gegenständen u.a.m. hängen an blauen
Bändern, die an Ringen bzw. an einem trompe-l'oeil-artig
gegebenen Holzbalken am oberen Bildrand befestigt
sind. Unter dieser reichen, dem Typus der Blumengirlan-
den mit Insert folgenden Kompositionen befinden sich auf
einem Tisch (?) ein Tric-Trac-Spiel, Spielkarten, ein Tennis-
schläger und Bälle, Münzen, eine Weinflasche, ein Glas
mit geschälten Zitronen, Kriegsgerät, Pauken, Trommel-
schlägel, eine Fahne, ein Buch mit Illustrationen von In-
sekten und ein Himmelsglobus. Ein großer Teil dieser Ob-
jekte kommt z. T. wörtlich auf van Kessels 1664 datierter
Darstellung des Erdteils Europa (als Teil der vierteiligen
Erdteilserie) ...vor [unsere Kat. Nr. 54].

Abb. 110 Jan van Kessel d.Ä., Kartusche mit Maria, Kind und Jo-
hannes. London, Gal. Johnny Van Haeften 2003 (Kat. 599)

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JVK I: Kränze und Kartuschen um Allegorien
 
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