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Planeten, links die vier Jahreszeiten, rechts die vier Elemente, unten
die sieben Weltwunder. Diese universelle Weltsicht, Natur und Kunst
durchdringend, drückte sich auch in Van Kessels Konzept aus. Land-
karten wurden häufig mit landestypischen Tieren verziert, was für Van
Kessel Anregung gewesen sein dürfte, zahlreiche Tiere - Vierbeiner,
Vögel und Fische - im Vordergrund seiner Stadtsilhouetten darzustel-
len. Die formale Anregung bekam Van Kessel von der niederländi-
schen Kunst des 16. jh. In Joris Hoefnagels ,Cadiz-Ansicht' von
1575/82 liegen auf dem Uferstreifen im Vordergrund Muscheln. ...
Sein wichtigstes Vorbild waren die Ende des 16. Jh. entstandenen und
noch im 17. Jh. sehr verbreiteten Kupferstiche von Adriaen Collaert,
die ebenfalls verschiedenartige Tiere vor einem Landschaftsgrund zei-
gen, von denen Van Kessel einige kopiert hat. ... Darüber hinaus
bediente er sich für die Tiere diverser graphischer oder gemalter Vorla-
gen. Die Veduten beruhen vielfach auf Braun/Hogenbergs Städtebuch
,Civitates Orbis Terrarum'.
36 der kleinen Tafeln wiederholen die 40 Kupfertafeln umfassende,
1 660 datierte Serie Van Kessels im Prado [vgl. Kat. 1-40J. Die Erdteile
müssen überaus beliebt gewesen sein, da es offensichtlich mehrere
Serien gegeben hat. ... De Bie berichtet von dem außerordentlich
hohen Preis von 4.000 Gulden, den Van Kessel für eine Serie erzielte.
... Sein Sohn, Ferdinand van Kessel, fertigte für Johann Sobieski von
Polen eine ähnliche Folge, die er 1689-1691 nach dem Brandverlust
noch einmal wiederholte. ...Offenbleiben muß, ob es sich bei den
Münchener Bildern um die im handschriftlichen Zusatz von de Bies
,Gulden Cabinet' erwähnte Serie handelt. 1682 wird im Nachlassin-
ventar des Antwerpener Silberschmiedes Jan Gillis eine Serie von ,vier
deelen van de weirelt ... gestoffert van Quellinus den Ouden' aufge-
führt. ... Eramus Quellinus dürfen stilistisch auch die Figuren der Mün-
chener Serie und der beiden im Kunsthandel befindlichen Bilder zuzu-
schreiben sein.
Die Architektur war in ihren Umrissen angelegt, als Quellinus die
Figuren malte, an die dann Van Kessel die Details herangemalt hat.
Die kleinen Stadtansichten sind auf der Rückseite stets mit einer
Nummer und dem Namen der Stadt versehen. Einige Rückseiten tra-
gen flüchtige Pinselzeichnungen für die Tiere im Vordergrund, jedoch
nie für die entsprechende Darstellung auf der Vorderseite, sondern für
andere Täfelchen, häufig auch für solche der anderen Kontinente. Das
heißt, die vier Bilder entstanden nicht nacheinander zwischen 1664
(Europa) und 1666 (Amerika), sondern gleichzeitig. Einige Städte sind
dem falschen Kontinent zugeordnet (zu Asien: Athen, Angola, Kap der
Guten Hoffnung und Suaquin; zu Afrika: Kap St. Augustin/Brasilien).
Die Bilder befinden sich noch in ihren originalen schwarzen Eben-
holzrahmen, eine spätere Vergoldung wurde 1966 entfernt. Jede Kup-
fertafel ist für sich gerahmt und trägt vorn auf der oberen Leiste den
jeweiligen Städtenamen in, wie es scheint, der gleichen Handschrift
wie die Beschriftung auf ihren Rückseiten." (MK München 2002,
S. 231 ff.)



54

54 EUROPA, 1664
Abb. 27, Farbe, S. 42, Text S. 32, 133
München, Alte Pinakothek, Inv. Nr. 1910
Mitteltafel Kupfer, 48,4 x 67,1 cm
Signiert auf dem Bild im Bild unten halbrechts in Form von Raupen:
jan van Kessel FECIT 1664
Rückseite beschriftet in Schwarz: ,Europe Rome Capitale'; in Weiß: ,A'
Literatur: Krempel 1973, S. 10-12; AK Münster/Baden-Baden 1979/80,
Nr. 14; Greindl 1983, S. 366, Nr. 47; de Bruyn 1988, Kat.222; AK
Wien/Essen 2002, Abb. 31a; MK München 2002, S. 235 ff.
„Der Rahmen der Mitteltafel trägt die Inschrift ,Roma', womit die
Hauptstadt der Christenheit geehrt wird. Durch den Bogen links fällt
der Blick auf die Engelsburg, das Mausoleum des römischen Kaisers
Hadrian und nun Schutzburg der Päpste, davor die Statue des Herku-
les Farnese als weiterer Hinweis auf die römische Antike.
Der Verkörperung des Erdteils Europa, einer gekrönten Frauengestalt
in einem Brokatkleid und hermelingeschmückter Bluse, wird von
einem Putto ein Füllhorn gereicht. Auf dem Tisch neben ihr sind Insig-
nien päpstlicher Macht ausgebreitet, die Tiara, die Schlüssel Petri und
eine Bulle Alexanders VII. (ALEXANDER PP VII / ADFUTURAM REI
MEMORIAM / omnium saluti / placet ut publicer illu .../ Datum Antu-
erpiae 24 /martii 1665 De mand ... primi / ... Antuerpae D./ V Brut
Secrea; Blatt 2: XXIII / APRIL / VOLLEN / AFLAET IM/S IORIS/KERKE
DICHEYT AMBROSCO / CAPELLO BISS). Unter dem Helm liegt ein
Buch (DE IURE / ET IUSTITIA/15 IANUA 1623 / AETATIS 69), dahinter
steht eine aufgeschlagene Bibel (auf dem linken Titelblatt hebräischer
Text, auf dem rechten: Ad vertustissima / exemplaria / castigata / Quid
in horum Biblio / rum castigatione prae / stitum sit subsequens / prae.
Atio latius indi /cabit). Am Tisch lehnen Degen, Papstkreuz und eine
Helebarde.
Halb verborgen unter einem schützenden Vorhang steht links unten
ein Gemälde mit Insekten und drei Alraunwurzeln (bezeichnet: mad-
ragora / del naturel). Mandragora ist ein Alraun in menschenähnlicher
Gestalt, dem der Aberglaube vielfache Eigenschaften zuweist. ...
In den Wandnischen des Raumes stehen gekrönte Frauen mit Szep-
ter und Schilden, wohl Personifikationen europäischer Königreiche,
die zweite von rechts verweist mit dem Lilienschild auf Frankreich.

JVK 1: Städtelandschaften

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