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Gut gemeint!
te Baronessen Amanda und Cornelia von Steinröthel auf
Haselbach führten ein großes Haus. Sie glaubten es der
Würde ihrer alten, angesehenen Familie schuldig zu sein, als
einzige Trägerinnen des hocharistokratischen Namens auch ent-
sprechend zu repräsentiren, zudem sie über die hiezu nöthigen
Mittel vollauf verfügen konnten. Ihr Jour fixe war von
der besten Gesellschaft besucht; das hiebei Gebotene trug
immer den Charakter des Auserlesenen: sie setzten einen ge-
wissen Stolz darein, auch in der Ausstattung ihrer Apparte-
ments jeder Kritik die Spitze bieten zu können.
In einem ihrer Salons befand sich ein kostbarer Teppich,
der längst den Beeid aller Besucherinnen erregt hatte. Eines
Tages glaubte Baronesse Amanda entdeckt zu haben, daß
die Farbenwirkung dieses Prachtstückes etwas nachgelassen
habe; sie berieth sich deßhalb mit ihrer Schwester, wie
diesem Mangel abzuhelfen wäre. Nach kurzer Ueberleg-
ung beschlossen die Damen, den Teppich versuchsweise
chemisch reinigen zu lassen, was Baronesse Cornelia zu
besorgen versprach. Es wurde ein Dienstmann requirirt, der
das ziemlich schwere Prunkstück an den Ort seiner Bestimmung
schaffen sollte, weil im Hause nur weibliche Dienerschaft existirte.
Eine halbe Stunde später meldete sich der von Baronesse
Cornelia requirirte Dienstmann bei Baronesse Amanda, welche
ihm den Teppich mit dem Bemerken übergab: „Der Teppich hat
einen großen Werth, behandeln Sie ihn recht sorgfältig; er ist noch
wie neu — nur die Farben scheinen etwas Nachlassen zu wollen!"
„Dös macht nix'n, Madam'!" erwiderte der Dienstmann.
Bon der unpassenden Ansprache unangenehm berührt, fuhr das
Fräulein fort: „Wir werden schon hören, was man sagt; gehen
Sie also . . Sie wissen doch, wohin Sie den Teppich zu tragen
haben?" — Berständnißinnig lächelte der brave Mann und er-
widerte, indem er seine Last zusammenpackte: „Feilt si' nix,
Madam' — das is das erste Mal nöt, daß i' so was b'sorg'!"
Dann verschwand er eilfertig.
Eiie paar Stunden später meldete das Stubenmädchen, daß
der Dienstmann wieder gekommen sei und die gnädige Baronesse
zu sprechen wünsche. Amanda befahl, ihn vorzulassen. Das
Mädchen führte den Mann in's Boudoir und blieb an der
Thiire stehen, um etwaige, sich aus der Verhandlung ergebende
Anordnungen entgegenzunehmen, insbesondere, >veil die Ablohn-
ung solcher Dienstleistungen gewöhnlich als kleine laufende Aus-
gabe von der Beschließerin erledigt zu werdeu pflegte. Der
Dienstmann trat ein, wischte sich den Schweiß von der Stirne,
räusperte sich imb sah, ohne etwas zu sagen, bald auf die Dame
des Hauses, bald auf die erwartungsvoll wartende Zofe, bis ihn
endlich die Erstere mit einem ungeduldigen. „Nun, was ist's?"
zum Sprechen aufforderte. Der gewissenhafte Dienstmamr wieder-
holte seine pantomimischen Bedenken, die Unterhaltung zu eröffnen,
indem er ziemlich deutlich mit dem Daumen über seine Achsel
nach dein Stubenmädcheil deutete. Jndignirt herrschte ihn nun
Amanda.au: „Nun, so reden Sie doch!" Offenbar erleichtert
durch diese Aufforderung, griff der Dienstmann in seine Tasche,
brachte daraus drei Zwanzigmarkstücke hervor, welche er sammt
einem Zettel aus ben Tisch des Hauses uiederlegte und sagte
triumphirend: „Sechz'g Markln hab'n wir kriagt, dös hätt' i'
meiner Lebtag nöt denkt!"
Wie ein Tiger schnellte die Baronesse empor und rief im
Tone der höchsten Empörung: „Mensch, Dienstmaim, sind
Sie betrunken! Was haben Sie mit dem Teppich gemacht?
Was soll dies Geld — diese elenden 60 Mark?"
Sichtlich beleidigt entgegnete der Dieustmann: „Mit
dem Teppich Hab' ich gemacht, was mir ang'schafft
worden is und mehr Hab' i' nöt d'rauf kriagt!"
„Wo ist der Teppich?"
„Ja, wo denn, als im Versatzhaus!!" — —
Die Baronesse sank mit einem schwachen Aufschrei
in den Fauteuil zurück, und das Stubenmädchen stopfte
hastig ihr Taschentuch in den Mund.
„Sind Sie verrückt?" kreischte Baronesse Amanda;
„hat Ihnen denn meine Schwester nicht angegeben,
wohin Sie den Teppich tragen sollen?"
Aergerlich versetzte der Mann für Alles: „Da
brauch' i' koan' Schwester nöt; wenn Sie amal sag'n:
^Sie wissen doch, wohin Sie den Teppich zu tragen habend
dann kennt sich unsereins doch aus, und da gibt's dann nix
anders, als das Versatzhaus. So machen 's alle feinen
Leut', die net woll'n, daß über a' solche Sach' viel g'red't
wird!"
und ist gerettet.
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Gut gemeint!
te Baronessen Amanda und Cornelia von Steinröthel auf
Haselbach führten ein großes Haus. Sie glaubten es der
Würde ihrer alten, angesehenen Familie schuldig zu sein, als
einzige Trägerinnen des hocharistokratischen Namens auch ent-
sprechend zu repräsentiren, zudem sie über die hiezu nöthigen
Mittel vollauf verfügen konnten. Ihr Jour fixe war von
der besten Gesellschaft besucht; das hiebei Gebotene trug
immer den Charakter des Auserlesenen: sie setzten einen ge-
wissen Stolz darein, auch in der Ausstattung ihrer Apparte-
ments jeder Kritik die Spitze bieten zu können.
In einem ihrer Salons befand sich ein kostbarer Teppich,
der längst den Beeid aller Besucherinnen erregt hatte. Eines
Tages glaubte Baronesse Amanda entdeckt zu haben, daß
die Farbenwirkung dieses Prachtstückes etwas nachgelassen
habe; sie berieth sich deßhalb mit ihrer Schwester, wie
diesem Mangel abzuhelfen wäre. Nach kurzer Ueberleg-
ung beschlossen die Damen, den Teppich versuchsweise
chemisch reinigen zu lassen, was Baronesse Cornelia zu
besorgen versprach. Es wurde ein Dienstmann requirirt, der
das ziemlich schwere Prunkstück an den Ort seiner Bestimmung
schaffen sollte, weil im Hause nur weibliche Dienerschaft existirte.
Eine halbe Stunde später meldete sich der von Baronesse
Cornelia requirirte Dienstmann bei Baronesse Amanda, welche
ihm den Teppich mit dem Bemerken übergab: „Der Teppich hat
einen großen Werth, behandeln Sie ihn recht sorgfältig; er ist noch
wie neu — nur die Farben scheinen etwas Nachlassen zu wollen!"
„Dös macht nix'n, Madam'!" erwiderte der Dienstmann.
Bon der unpassenden Ansprache unangenehm berührt, fuhr das
Fräulein fort: „Wir werden schon hören, was man sagt; gehen
Sie also . . Sie wissen doch, wohin Sie den Teppich zu tragen
haben?" — Berständnißinnig lächelte der brave Mann und er-
widerte, indem er seine Last zusammenpackte: „Feilt si' nix,
Madam' — das is das erste Mal nöt, daß i' so was b'sorg'!"
Dann verschwand er eilfertig.
Eiie paar Stunden später meldete das Stubenmädchen, daß
der Dienstmann wieder gekommen sei und die gnädige Baronesse
zu sprechen wünsche. Amanda befahl, ihn vorzulassen. Das
Mädchen führte den Mann in's Boudoir und blieb an der
Thiire stehen, um etwaige, sich aus der Verhandlung ergebende
Anordnungen entgegenzunehmen, insbesondere, >veil die Ablohn-
ung solcher Dienstleistungen gewöhnlich als kleine laufende Aus-
gabe von der Beschließerin erledigt zu werdeu pflegte. Der
Dienstmann trat ein, wischte sich den Schweiß von der Stirne,
räusperte sich imb sah, ohne etwas zu sagen, bald auf die Dame
des Hauses, bald auf die erwartungsvoll wartende Zofe, bis ihn
endlich die Erstere mit einem ungeduldigen. „Nun, was ist's?"
zum Sprechen aufforderte. Der gewissenhafte Dienstmamr wieder-
holte seine pantomimischen Bedenken, die Unterhaltung zu eröffnen,
indem er ziemlich deutlich mit dem Daumen über seine Achsel
nach dein Stubenmädcheil deutete. Jndignirt herrschte ihn nun
Amanda.au: „Nun, so reden Sie doch!" Offenbar erleichtert
durch diese Aufforderung, griff der Dienstmann in seine Tasche,
brachte daraus drei Zwanzigmarkstücke hervor, welche er sammt
einem Zettel aus ben Tisch des Hauses uiederlegte und sagte
triumphirend: „Sechz'g Markln hab'n wir kriagt, dös hätt' i'
meiner Lebtag nöt denkt!"
Wie ein Tiger schnellte die Baronesse empor und rief im
Tone der höchsten Empörung: „Mensch, Dienstmaim, sind
Sie betrunken! Was haben Sie mit dem Teppich gemacht?
Was soll dies Geld — diese elenden 60 Mark?"
Sichtlich beleidigt entgegnete der Dieustmann: „Mit
dem Teppich Hab' ich gemacht, was mir ang'schafft
worden is und mehr Hab' i' nöt d'rauf kriagt!"
„Wo ist der Teppich?"
„Ja, wo denn, als im Versatzhaus!!" — —
Die Baronesse sank mit einem schwachen Aufschrei
in den Fauteuil zurück, und das Stubenmädchen stopfte
hastig ihr Taschentuch in den Mund.
„Sind Sie verrückt?" kreischte Baronesse Amanda;
„hat Ihnen denn meine Schwester nicht angegeben,
wohin Sie den Teppich tragen sollen?"
Aergerlich versetzte der Mann für Alles: „Da
brauch' i' koan' Schwester nöt; wenn Sie amal sag'n:
^Sie wissen doch, wohin Sie den Teppich zu tragen habend
dann kennt sich unsereins doch aus, und da gibt's dann nix
anders, als das Versatzhaus. So machen 's alle feinen
Leut', die net woll'n, daß über a' solche Sach' viel g'red't
wird!"
und ist gerettet.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Noch nie dagewesenes Entkommen eines Romanhelden"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 108.1898, Nr. 2856, S. 206
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg