Kalendergeschichten.
162
Im vergangenen Sommer hat der Lukas Krumm unver-
sehens einmal Stubenleut' bekommen, drei Volksbeglücker in
blauen Käshemden, wüste Bärte im Gesicht, oder vielmehr: die
Gesichter in wüsten Bürten, an den Füßen juchtene Jagdstiefel,
jeder auf dem Hut eine Gockelfeder. Besagte Feder war eine
Hauptfach' für den Freischärler, aber schwer zu erhalten, denn
im März und April von 1848 sind im ganzen badischen Land
allen Gocklern die Schwänz' ausgerissen worden; die Bäuerinnen
haben genug darum gejammert. Tie Einquartirung war beim
Lukas grad so willkommen, wie die Sau in des Juden Haus,
doch merken hat er sich nichts lasten, sondern Brod, Erdäpfel,
Zwetschenbrenz, Speck und Eier hergegeben, und dabei laut
beklagt, daß er bei so bedrängten Zeitläuften nicht im Stande
sei. mit einer bestern Aufwartung sich einzustellen. Eine Höf-
lichkeit ist der andern Werth; darum sagten die Wehrmänner,
sie hätten es seit langem nimmer so gut gefunden, langten
tapfer zu. und fragten nur. ob nicht Wein oder Bier zu haben
sei? — „Im Engel zu Weitenung gibt's genug." machte Lukas.
— „So laßt holen." — „Wovon? Ich habe kein Geld. Habt
ihr?" — Die Freischärler warfen einen Kronthaler auf den
Tisch. „Da. schickt nur tapfer fort!" sagte der Rothbart. welcher
meistens für sich und die andern das Wort führte. Der Wein
wurde geholt. Lukas durfte mittrinken, ward wie die andern
guter Dinge und legte sich wohlbezopft zu Bette.
Der nächste Vormittag verging eben so in Saus und Braus.
„Wie schade." sagte der Rothbart. „daß wir heute Mittag schon
weiter müssen. Bei euch hätte es uns lange gefallen." —
„Bedauere gleichfalls," entgegnete Lukas, „doch habt ihr ja
Geld wie Heu. und könnt euch das Leben überall angenehm
machen." — Die Freischärler sahen lächelnd einander an, und
geheimnißvoll sprach der Rothe: „Drum machen wir's selber.
das Geld." — Lukas schnellte von seinem Sitz. „Das wird
eine saubre Geschichte absetzen," rief er aus. „jetzt hat mein
Weib zwei Kronenthaler in den Engel getragen. Wenn Nach-
frage geschieht, so bleibt's an mir hängen und ich komme auf
Bruchsal." — „Narr, sie waren nicht falsch." — „Was denn, j
wenn ihr sie doch selber gemacht habt?" — „Das ist eben die
Kunst, wir machen richtiges Geld, und selbige Kunst ist erst
nicht schwer." — „Nicht schwer?" rief Lukas, „ei. so verrathet
sie mir."
Die bärtigen Gäste schüttelten die Köpfe. „Was würde es
euch helfen," versetzte der Rothe: „ein armer Tropf wie ihr
kommt doch zu nichts. Das Wasser fließt in den Bach, und
wo nichts ist. kommt nichts hin."
Dem Lukas stieg mit dem Wein der Grattel zu Häupten.
„Ich bin kein armer Tropf." schrie er. mit der Faust auf den
Tisch schlagend, „ich vermag so viel als einer. Ich rede nicht
vom Baumwirth zu Sinzheim. Mit dem Herrn Link dürft ihr
mir freilich nicht kommen, oder mit so einem, aber mit dem
Röffelwirth von Leiberstung, will ich mich ohneweiters messen.
Wie viel muß einer im Vermögen besitzen, um die Kunst zu
lernen? Heh? Heraus mit der wilden Katz' aus dem Sack!"
„Gebt Fried'." machte der Rothe abweisend.
„Ich will's wissen," schrie Lukas, „ich muß es wissen. Ich
bin ein guter Mann, habe keine Schulden, sondern noch Geld
auf Zins liegen."
„Nutzt alles nix," fuhr gleichmüthig der Freischärler fort:
„Geldbriefe kannst du meinetwegen haben, aber es gehört baares
Geld dazu. Eine Rolle von vierzig Kronthalern muß es sein,
in Papier gewickelt. Du aber hast ja nicht einmal so viel
Münze im Hans, um eine Maß Wein zu zahlen."
Lukas stutzte. Der andre kümmerte sich nicht weiter um
ihn. sondern verlangte Feuer für die Cigarre von seinen Ge-
nossen. die ihrerseits die ganze Unterredung nicht beachtet hatten.
Endlich hob der Bauer zögernd wieder an: „Wenn ich aber
die vierzig Kronthaler in einer Rolle herbrächte? Wie dann?"
„Ei. so thüten wir sie in den Schmelztiegel, machten unser
Hokuspokus, und verwandelten sie in vierhundert Stück."
„Einen in zehn?"
„Nein und ja; nämlich ja. wenn ihrer vierzig beisammen
sind. Doch was soll das Geschwätz? Laßt uns austrinken."
Lukas Krumm faßte einen großen Entschluß. Er holte
richtig eine Geldrolle herbei, brachte den eisernen Tigel. machte
ein Kohlenfeuer im Ofenloch an und verlangte nach der Kunst.
Die Gäste sträubten sich und suchten Ausreden. „Wir dachten,
ihr hättet kein Geld ini Hause." meinten sie, „und wollten euch
nur das Maul wässerig machen." Doch der Bauer nahm keine
Ausrede an, und bewog endlich die andern zum Nachgeben.
„Weil ihr's seid." sagten sie: „aber wenn ihr das Geheimniß
weiter verschwätzt. so soll euch..."
„Werde mich hüten." betheuerte Lukas: „wenn mehr Leute
die Kunst verstünden, so würde der Halbbatzenweck bald einen
kleinen Thaler gelten."
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Im vergangenen Sommer hat der Lukas Krumm unver-
sehens einmal Stubenleut' bekommen, drei Volksbeglücker in
blauen Käshemden, wüste Bärte im Gesicht, oder vielmehr: die
Gesichter in wüsten Bürten, an den Füßen juchtene Jagdstiefel,
jeder auf dem Hut eine Gockelfeder. Besagte Feder war eine
Hauptfach' für den Freischärler, aber schwer zu erhalten, denn
im März und April von 1848 sind im ganzen badischen Land
allen Gocklern die Schwänz' ausgerissen worden; die Bäuerinnen
haben genug darum gejammert. Tie Einquartirung war beim
Lukas grad so willkommen, wie die Sau in des Juden Haus,
doch merken hat er sich nichts lasten, sondern Brod, Erdäpfel,
Zwetschenbrenz, Speck und Eier hergegeben, und dabei laut
beklagt, daß er bei so bedrängten Zeitläuften nicht im Stande
sei. mit einer bestern Aufwartung sich einzustellen. Eine Höf-
lichkeit ist der andern Werth; darum sagten die Wehrmänner,
sie hätten es seit langem nimmer so gut gefunden, langten
tapfer zu. und fragten nur. ob nicht Wein oder Bier zu haben
sei? — „Im Engel zu Weitenung gibt's genug." machte Lukas.
— „So laßt holen." — „Wovon? Ich habe kein Geld. Habt
ihr?" — Die Freischärler warfen einen Kronthaler auf den
Tisch. „Da. schickt nur tapfer fort!" sagte der Rothbart. welcher
meistens für sich und die andern das Wort führte. Der Wein
wurde geholt. Lukas durfte mittrinken, ward wie die andern
guter Dinge und legte sich wohlbezopft zu Bette.
Der nächste Vormittag verging eben so in Saus und Braus.
„Wie schade." sagte der Rothbart. „daß wir heute Mittag schon
weiter müssen. Bei euch hätte es uns lange gefallen." —
„Bedauere gleichfalls," entgegnete Lukas, „doch habt ihr ja
Geld wie Heu. und könnt euch das Leben überall angenehm
machen." — Die Freischärler sahen lächelnd einander an, und
geheimnißvoll sprach der Rothe: „Drum machen wir's selber.
das Geld." — Lukas schnellte von seinem Sitz. „Das wird
eine saubre Geschichte absetzen," rief er aus. „jetzt hat mein
Weib zwei Kronenthaler in den Engel getragen. Wenn Nach-
frage geschieht, so bleibt's an mir hängen und ich komme auf
Bruchsal." — „Narr, sie waren nicht falsch." — „Was denn, j
wenn ihr sie doch selber gemacht habt?" — „Das ist eben die
Kunst, wir machen richtiges Geld, und selbige Kunst ist erst
nicht schwer." — „Nicht schwer?" rief Lukas, „ei. so verrathet
sie mir."
Die bärtigen Gäste schüttelten die Köpfe. „Was würde es
euch helfen," versetzte der Rothe: „ein armer Tropf wie ihr
kommt doch zu nichts. Das Wasser fließt in den Bach, und
wo nichts ist. kommt nichts hin."
Dem Lukas stieg mit dem Wein der Grattel zu Häupten.
„Ich bin kein armer Tropf." schrie er. mit der Faust auf den
Tisch schlagend, „ich vermag so viel als einer. Ich rede nicht
vom Baumwirth zu Sinzheim. Mit dem Herrn Link dürft ihr
mir freilich nicht kommen, oder mit so einem, aber mit dem
Röffelwirth von Leiberstung, will ich mich ohneweiters messen.
Wie viel muß einer im Vermögen besitzen, um die Kunst zu
lernen? Heh? Heraus mit der wilden Katz' aus dem Sack!"
„Gebt Fried'." machte der Rothe abweisend.
„Ich will's wissen," schrie Lukas, „ich muß es wissen. Ich
bin ein guter Mann, habe keine Schulden, sondern noch Geld
auf Zins liegen."
„Nutzt alles nix," fuhr gleichmüthig der Freischärler fort:
„Geldbriefe kannst du meinetwegen haben, aber es gehört baares
Geld dazu. Eine Rolle von vierzig Kronthalern muß es sein,
in Papier gewickelt. Du aber hast ja nicht einmal so viel
Münze im Hans, um eine Maß Wein zu zahlen."
Lukas stutzte. Der andre kümmerte sich nicht weiter um
ihn. sondern verlangte Feuer für die Cigarre von seinen Ge-
nossen. die ihrerseits die ganze Unterredung nicht beachtet hatten.
Endlich hob der Bauer zögernd wieder an: „Wenn ich aber
die vierzig Kronthaler in einer Rolle herbrächte? Wie dann?"
„Ei. so thüten wir sie in den Schmelztiegel, machten unser
Hokuspokus, und verwandelten sie in vierhundert Stück."
„Einen in zehn?"
„Nein und ja; nämlich ja. wenn ihrer vierzig beisammen
sind. Doch was soll das Geschwätz? Laßt uns austrinken."
Lukas Krumm faßte einen großen Entschluß. Er holte
richtig eine Geldrolle herbei, brachte den eisernen Tigel. machte
ein Kohlenfeuer im Ofenloch an und verlangte nach der Kunst.
Die Gäste sträubten sich und suchten Ausreden. „Wir dachten,
ihr hättet kein Geld ini Hause." meinten sie, „und wollten euch
nur das Maul wässerig machen." Doch der Bauer nahm keine
Ausrede an, und bewog endlich die andern zum Nachgeben.
„Weil ihr's seid." sagten sie: „aber wenn ihr das Geheimniß
weiter verschwätzt. so soll euch..."
„Werde mich hüten." betheuerte Lukas: „wenn mehr Leute
die Kunst verstünden, so würde der Halbbatzenweck bald einen
kleinen Thaler gelten."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Kalendergeschichten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Revolutionsanhänger <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 11.1850, Nr. 261, S. 162
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg