Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
58

Der Dienstbeendigungs-Wecker.

bracht werden! Mayer hatte so etwas wie eine Ahnung, daß
er in dieser Nacht die Dienstschläser erwischen werde. In solchem
Vorgefühl ging Mayer gegen alle Gewohnheit Abends in's Gast-
haus zuin „pirschen" und leistete sich wieder gegen alle Ordnung
sechs Glas Bier, ein Ouantum, das den mitzechenden Landarzt
veranlaßte, den Oberkontroleur des Alkoholismus gefährlichster

Art zu bezichtigen. Doch Mayer lachte nur dazu und behielt das
Geheimniß seines bevorstehenden nächtlichen Kontrolganges, auf
dein das Bier schon wieder verdunsten werde, für sich im Busen.
Auf dem Beimweg überlegte der Oberbeamte, wie der Rontrol-
dienst auf praktischste Art die Nacht hindurch bethätigt werden
könnte.

Sechs Mann Grenzwache sind draußen, davon zwei im
Bezirk der Schutzhütte, und deren Dienstzeit läuft erst gegen
Morgen ab. Diese zwei Mann müßten etwa um vier Uhr Früh
kontrolirt werden. Des Zipperleins wegen ist es bedenklich, sich
einige Stunden niederzulegen; das Aufstehen könnte vereitelt
werden, die Beine den Dienst versagen. Also ist es vernünftiger,
das Bett zu meiden, die Nacht im Sattel zuzubringen und vorher
die übrige Mannschaft zu kontroliren. Berr Mayer ritt denn auch
um die Geisterstunde in die stille, schwarze, kalte Nacht hinaus,
bis an's Ende seines Bezirkes nach Osten, pflichtgetreu steht
die Mannschaft im Dienst. Nichts verdächtiges, keine Spur von
Schwärzern, kein Aufgriff, die Grenze ist wie ausgestorben.

Der Gberkontroleur kehrte auf seinem Schlachtroß heim, weckte
den Stallburschen und übergab ihin die Stute zur Linstallung.
Jetzt gilt es, der Schutzhütte an der westgrenze den zugedachten
Besuch abzustatten, Für alle Fälle hat Mayer eine kleine Blend-
laterne mit; es könnte ja nöthig sein, die Schutzhütte zu beleuchten
und im peu nach Linquartirung zu suchen.

Ein heilloser Marsch durch die kalte Nacht! Aber es muß
sein! Und vielleicht gelingt es, Dienstschwänzer abzufangen.

Der weg auf verschneiter Straße dehnt sich nahezu endlos.
Mayer, der Anfangs warmgeritten war, begann zu frieren trotz
der Bewegung, die Sporen verbreiten eine unangenehme Kälte
an den Mützen und der Schleppsäbel erweist sich als überaus lästige
Beigabe zur Wanderung.

Als nach stundenlangem Marsche der Oberkontrolcur in der
Nähe der Schutzhütte anlangte, vermochte er die Zeit nicht zu
bestimmen. Ein grauer Schimmer ist über das Gelände aus-

gebreitet und vom Grenzflüsse
her dampft der Nebel. Licht
machen, die Laterne anzünden
wollte Mayer nicht, um seine
Anwesenheit nicht vorzeitig zu
verrathen. Bis an das Fluß-
ufer vorzugehen und unten
zu kontroliren, würde zwecklos
sein, für den Fall, daß die
Grenzaufseher in der Bütte —
schlafen. Also ist eine pütten-
kontrole praktischer.

Mayer hielt den Schlepp-
säbel krampfhaft hoch und
schlich durch den Schnee pfad-
los die Böschung hinan zur
Schutzhütte, Bier blieb er wie
angemauert stehen und horchte.

Schier Berzkloxfen vor Freude empfand der Kontroleur, denn
aus dem Bütteninnern dringt ein Geräusch, ähnlich wie von einer
polzsäge, prachtvolle Gutturaltöne, ein Schnarchduett, das wie
Pimmelsmusik in die Ohren des endlich siegreichen Kontrolbeamten
klingt. Zu Zweit liegen die Aufseher drinnen und schlafen, statt
daß sie die Grenze bewachen und das deutsche Reich vor Schaden
bewahren.

Lin Frostschauer erinnerte Mayer daran, daß ein Mann
seiner Jahre unmöglich den Rest der bitterkalten Nacht im Freien
verbringen dürfe. Die pütte ist ja schließlich auch zum Schutz
für den Kontrolbeamten da, und Mayer kann doch ganz gut i n
der Bütte auf das Erwachen der ertappten Dienstschwärzer warten.
Gedacht, gethan! Leise und vorsichtig begab sich der Oberkontro-
leur in die Bütte, die Thüre war unversperrt und ließ sich ge-
räuschlos schließen. Mählich gewöhnte sich das Auge an das
Dunkel in der Bütte und Mayer vermochte zu erkennen, daß, wie
vermuthet, der Ex-Bräuer neben dem Ex-Küfer behaglich, wenn
auch in Uniform und in den Mantel gewickelt, auf dem Beu im
pintergrunde der pütte liegt und herrlich schläft. Beide schnarchen
um die wette; sie haben nicht das Geringste gemerkt, daß ein
Dritter in die pütte gekommen ist.

Neben der Thüre kann der Oberkontroleur auch nicht stehen
bleiben, einmal zieht es durch die Fugen erbärmlich herein, und
dann vertragen die Gichtfüße das lange Stehen absolut nicht.
Den einzigen vorhandenen Sessel mag Mayer nicht benützen, weil
der Stuhl defekt ist und Umfallen könnte. Zst das Beu aber für
die Aufseher da, warum nicht auch für den Kontrolbeamten?

Mayer schlich in die freie,- unbelegte Ecke und ließ sich vor-
sichtig in das Beu nieder. Bier will der Kontroleur auf das
Erwachen seiner Schwänzer warten und sich weiden an den ver-
blüfften Mienen der überraschten Aufseher. Ls wird himmlisch
werden! So ein Fang war noch nicht da, seit es eine Grenz-
wache gibt in Deutschland!

Aber langweilig ist dieses warten auf den Triumph doch,
tödtlich langweilig. Und müde wird man dabei, unsäglich müde.
Kein Wunder! Sechs Balbe Bier am Abend, der weite Ritt,
der mühselige Marsch bis zur pütte, die ganze Nacht kein Auge
zugethan! Und Mayer ist, weiß Gott, kein Märzhaserl mehr,
im Gegentheil, ein Mann, der gerne in Pension ginge, wenn
man nicht gar so viel an Geld verlieren würde als Staats-
pensionist. Mit Neunzehntel ginge er mit Freuden und gäbe er
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Dienstbeendigungs-Wecker"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stockmann, Hermann
Entstehungsdatum (normiert)
1902 - 1902
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 117.1902, Nr. 2975, S. 58

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen