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fomnty Brownfield, ein ungeheuer reicher und ebenso dicker
Mann von etlichen sechzig Jahren, war im ganzen Distrikt
nur unter dein Beinamen „Der Jlieger" bekannt. Da uns
dieses Epitheton bei der Beleibtheit seines Trägers immerhin
etwas ungewöhnlich erschien, beschlossen wir, ihn bei nächster
Gelegenheit einfach zu fragen — und das thaten wir denn auch.
Es war bei einein gemüthlichen Gaftnrahl, wie sie Mr. Brownfield
von Zeit zu Zeit zu veranstalten pflegte, und inan reichte gerade
den aromatischen Kaffee und Liqueure herum, als wir unseren
Gastgeber baten, uns die Geschichte seines Lebens zu erzählen,
namentlich aber, warum inan ihn allgemein „Den Jlieger"

heiße. Mr. Brownfield schmunzelte erst ein wenig, als verweilten
seine Gedanken bei heiteren Erinnerungen — dann aber wurde
er wieder ernst und begann: „Na fa, es mag sich ja immerhin
unwahrscheinlich anhören, aber es ist buchstäblich wahr. Es gibt
Leute da hinten iin Jndierland, die reißen sich die Augen aus
und setzen sie sich unbeschadet wieder ein; andere stecken sich
Nadeln durch die Backen, und ich habe init meinen eigenen Augen
gesehen, wie sich Einer ein großes Schwert, das auf beiden
Seiten haarscharf geschliffen war, in den Bauch trieb, ohne den
geringsten Schaden zu nehmen oder auch nur zu bluten. Letzthin
hat sich gar ein Mann in New-l^ork in einem Sarg zwanzig
Tage lang ohne Luft und Nahrung unter Wasser setzen lassen,
und als man ihn herausholte, war er so gesund und munter,
wie nur je zuvor. Nun glaubt man immer, daß das Gaukler
wären, aber das ist einfach Unsinn. Die Leute find eben anders
organisirt, wie die gewöhnlichen Menschen — und ich muß das
wissen; denn ich bin auch so einer: Ich konnte in meiner
Jugend fliegenl .. Ja — schaut nur, richtig fliegen, wie ein
Vogel in der Luft, ohne Vorbereitung und ohne jeden Apparat.
Bis zu meinem dreiundzwanzigsten Jahre wußte ich allerdings
selbst nichts davon. Ich grub dainals auf- einem Diamantfeld im
Norden und schlug und schoß mich schlecht und recht durch. Da
badeten wir einmal an einem Samstag iin Jlnffe und trieben
dabei allerhand dummes Zeug. Lin freund von mir trat Wasser,
indem er die Bewegungen machte, als wollte er eine Treppe
hinaufsteigen, und dadurch ging er nicht unter. Ich versuchte
das auch und machte dabei eine Entdeckung, die mein ganzes

Tommy der Flieger. FI

Leben umgestalten sollte. Während nämlich mein Jreund bei

seinen Bewegungen immer nur knapp mit dem Kopf über Wasser

blieb, formte es sich bei mir wie zu wirklichen Treppenstufen, auf

denen ich ohne jede Mühe Hinauf-
stieg, bis ich auf der Oberfläche des
Jluffes angelangt war und dort so
gemüthlich spazieren ging, als be-
fände ich mich auf
trockenem Boden.

Na, die Ge-
sichter von den
Anderen hättet
Ihr sehen sollen!

Als ich aber so

eine kleine Strecke

auf dein Wasser

xromenirt war,

kam ich an die Brücke, die von einem Ufer zum anderen führte.
„Tommy", sagte ich mir, „wenn dich das Wasser trägt, trägt
dich vielleicht auch die Luft, versuch's wenigstens einmal!" ■—
Und es gelang — glaubt mir, es gelang! Als ob es so sein
müßte, setzte ich einen Juß vor den: anderen in die ksöhe, und
wieder war es, als stiege ich eine unsichtbare Treppe hinauf, bis

war. Ebenso stieg
wieder hinunter
über das Wasser
Land, wo sich in-
gesammelt hatten,
grüßten.

'.»1 ™

ich oben auf der Brücke
ich auf der anderen Seite
und ging von da aus —
natürlich — wieder an's
zwischen Tausende an-
die mich jubelnd be-
Nun war ich damals
schon ein gerissener Bur-
sche und hatte kaum die
Entdeckung ge-
macht, daß ich
mich auf dein
Wasser und in
der Luft frei
bewegen
konnte, als ich
mir auch schon
über die hohe

Wichtigkeit dieser phänomenalen Eigenschaft klar geworden war.
Vor allen Dingen nur nichts merken lassen! Ich schnitt also inein
gleichgültigstes Gesicht und that so, als ob das Jliegen eines
Menschen eigentlich die selbstverständlichste Geschichte von der Welt
wäre. Dann begab ich mich ruhig nach Bause, ohne mich vorher
erst anzukleiden; denn meine Sachen hatte die Menge bereits unter
sich als theure Reliquien vertheilt. Zu Bause harrte ich dann der
kommenden Dinge. . . Na, Ihr könnt Euch denken, daß ich nicht
sehr lange zu warten brauchte. Zwar gab es damals noch nicht
solche Menschen, die einen ausfragen, um es nachher in die
Zeitung zu setzen; dadurch ist die Geschichte auch nicht so be-
kannt geworden. Aber sie wurde doch bekannt genug, um mir
manchen ehrenvollen Besuch zu bringen. Da kain zunächst ein
Aussteller; der wollte inich durchaus mit einem hohen Gehalt für
seinen Eircus engagiren. Eine Universität kaufte mir bei leben-
digem Leibe meinen Körper ab, um ihn nach meinem Tode zu
zerschneiden. Ich habe dafür ein schönes Stück Geld gekriegt.
Auch ein berühmter Einbrecher erbot sich, mich als Lompagnon
anzunehmen, was ich aber nach reiflichem Ueberlegen ablehnte —

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Tommy der Flieger"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Albrecht, Henry
Entstehungsdatum (normiert)
1902 - 1902
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 117.1902, Nr. 2978, S. 87

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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