Fliegende Blätter (131.1909 (Nr. 3336-3361))

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—-- Der Misanthrop. ^—

„Ich begreife gar nicht, wie es Menschen gibt,
die einem immer begegnen!"

Das Oeteh.

er König von Siam war etwas grau
Und nicht mehr in guten Jahren.
Die Königin, feine junge Frau,

Ift einst auf die Jagd gefahren.

Es war wohl ein ganzer Höflingstroß
Gegeben ihr zum Geleite;

Ein feiner junger Weidgenoß
Blieb immer an ihrer Seite.

Und als zu Ende nun war die Jagd,

Da haben im blühenden Tale
Huf grünem Rafen fie Raft gemacht
Zum fröhlichen Jägermahle.

Die Königin wankt, und alles schaut
Erschrocken zu ihr und bange.

„Ich bin gestochen!" fo ruft fie laut,

Und zischend entweicht eine Schlange.
Sie löst vom Fuße die Hülle schnell.

Ein Biß von dem giftigen Munde!

Da warf sich nieder der junge Gefell
Und sog das Gift aus der Wunde.
„Gerettet ift," riefen die Männer all,
„Die Königin vom Verderben!" -

„„Und doch,"" sprach finfter der Senefchall,
„„Und doch muß der Jüngling sterben!

Denn nach dem heil’gen Gesetz gebührt
Ohne Gnade der Tod dem Manne,

Der unfers Königs Weib berührt.

D’rum hängt ihn dort an die Tanne!"" —
Starr blickte der Jüngling. Die Königin
Sprach wie ohne Leid und Grollen:

„So führt den Sünder zum Tode hin,

Wenn die heibgen Gesetze es wollen...

Doch halt! Zuvor noch gebt mir kund,

Woher die Gesetze stammen!" —

„„Von den Göttern — durch der Friefter Mund
„Und Schuld gleich und Strafe zusammen?" —
„„Das fteht im Gesetz nicht; doch es wird
Wohl jedem als Recht erscheinen!" " —

„Ich glaube, Herr Senefchall, Ihr irrt;

Das können die Götter nicht meinen.
Verurteilt find wir ja alle zum Tod;

Doch wann wir den Hbfchied erhalten,

Dafür gibt es kein menschlich Gebot,

Deß wollen die Götter walten.