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279

Der £7 e r r Rat als Sherlock Reimes.

3U finden war. Das galt als offenes Dienstgeheimnis. Lr begab
sich dorthin, ließ sich unbemerkt in einer Ecke nieder und gewahrte
denn auch alsbald mit einiger Befriedigung, wenn schon mit
innerem Abscheu, den Gesuchten als Mitglied einer sehr fidelen
Tafelrunde. In mißbilligender Betrachtung seines urvergnügten
Untergebenen durchlebte der Rat die nächsten Stunden und kon-
sumierte dabei unwillkürlich einige Glas Bier — jedenfalls weit
inehr als seine hergebrachte sehr bescheidene Abendration. Gespannt
wartete er der Dinge, die da kommen sollten. Ls wurde später
und später. Der geheime Beobachter, der nun einmal auf seinen
Posten gebannt war, sah hie und da mit Grauen auf die Uhr
und dachte mit noch größerem Grauen seiner Gattin. Aber er
mußte nun einmal aushalten, um den Leichtfuß zu überführen.

Seine Geduld wurde freilich auf eine harte Probe gesetzt.
Nervös, schläfrig, gequält trank er Glas um Glas und geriet
dadurch in eine merkwürdige, Welt, Menschheit, Zeit und Ehe-
hälfte gering achtende Stimmung. Endlich brach der Stammtisch
auf und der Rat machte sich mit einer gewissen Unsicherheit hinter-
her, die im Freien noch zunahm.

Bald gewahrte er aber zu seinem Schrecken, daß die laute
Gesellschaft, deren illegitimer Schatten er war, noch keineswegs
ans Heimgehen dachte. Er sah mit lebhaftem Entsetzen, wie sie
debattierend vor dem Ratskeller hielten und dann dort in der
Tiefe verschwanden. Eine Minute schwankte er im Widerstreit
der Empfindungen — er schwankte auch sonst bereits erheblich —
dann verschwand er ebenfalls. In gemessener Entfernung von
der überwachten Korona ließ er sich bei einer Flasche Liebfrauen-
milch nieder, die seine Gewissensbisse bald dermaßen linderte, daß
er ihr nach geraumer Zeit eine zweite folgen ließ. Seine Stimmung
wurde dadurch eine so gehobene, versöhnliche und kosmopolitische,
daß er sich wiederholt versucht fühlte, an die Tafelrunde, wo es
sehr animiert zuging, heranzutreten, dem Sekretär zuzutrinken
und in einer allgemeinen großen Verbrüderung den kleinlichen
bureaukratischen Spürsinn zu ertränken. Aber er besann sich doch
noch rechtzeitig seiner geheimen Mission und bewahrte sein In-
kognito.

Sehr spät war es oder vielmehr schon ziemlich früh, als
man auch hier endlich aufbrach, verschwommen sah der Herr
Rat den Sekretär vor sich — noch verschwommener in endloser
Ferne das Bild seiner Amalie, die sehr zürnend aussah. Aber
er folgte mit hartnäckiger pflichttreue dem ersteren und geriet
so noch in eine Art Verbrecherkneipe, wo die illustre oder doch
zum mindesten illuminierte Gesellschaft ihre letzte Linkehr hielt.

von da an verwirrte sich seine Erinnerung vollkommen und
er fand sich erst am Hellen Tage in seinem Bett unter den eisigen
Blicken seiner teuren Hälfte wieder. „Frau," murmelte er in
einem entsetzlichen Seelen- und nicht viel besseren Körperzustande,
„Du mußt mich im Bureau entschuldigen lassen!"

„Ist schon geschehen!" sagte sie mit einer Stimme, die wie
ein Hackmesser klang.

Er — fehlend — am Montag! Scheußliche Gewissensbisse
und Kopfschmerzen folterten ihn. Da kam der alte Hausarzt,
untersuchte ihn, machte ein sehr maliziöses Gesicht, verordnete
eine kräftige Suppe, Ruhe, Diät, und ging wieder.

Plötzlich zog jemand die Glocke.

„Einer von Deinen Leuten I" sagte Amalie mit einem zer-
schmetternden Blicke.

Er stöhnte, und die ganze Schwere seiner Pflichtvergessenheit
fiel ihm auf die Seele. „Eintreten lassen!" murmelte er.

Aber seine Augen wurden groß und weit und seine Mienen
erstarrten, wie mit unschuldvollster Teilnahme niemand anderer
ins Zimmer trat als der — Sekretär.

„Entschuldigen Sie, Herr Rat!" sagte er weich und mit-
fühlend. „Die Kanzlei schickt mich, um mich nach Ihrem werten
Befinden zu erkundigen, wir sind alle so besorgt, weil Sie doch
noch nie fehlten — besonders am Montag noch niemals —
hoffentlich sind Sie nicht ernster erkrankt?"

„Nein!" stammelte er. „Nein! Nur so eine kleine plötzliche
Erkältung . . ."

Amalie räusperte heftig im Nebenzimmer. Auch sie schien
heftig erkältet.

„Io, ja!" bestätigte der Sekretär treuherzig. „Solche kleine
Verkühlungen kommen besonders jetzt im herbste häufig vor. Herr
Rat wissen ja selbst, mich hat es auch schon einigemal gepackt. .
heut' fühl' ich mich, Gott sei Dank, aber pudelwohl. . ."

Der Rat konnte bloß nicken. Innerlich knirschte er mit den
Zähnen. Dann aber, als der andere draußen war, sank er
fassungslos in die Kiffen. „Heuchler!" murmelte er. „Pharisäer!
Lr ist heute im Bureau und ich lieg' im Bett... o diese

Menschen!" w. y.

-00^0«-

Fabel.

„Nach dem Tode sind wir alle gleich!" sagte die Katze mit
Genugtuung zum Hasen.

H Zn viel des Guten.

Heiratsvermittler: „. . . Die Dame hat e' Baar-
vermögen von e' halben Million — und dazu ist sie e' tüchtige,
sparsame Hausfrau." — Lebemann: „Sooo? . . Was Hab' ich
dann von ihrer halben Million?"
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Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Zu viel des Guten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Gyenis, Hans
Entstehungsdatum (normiert)
1909 - 1909
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 131.1909, Nr. 3358, S. 279
 
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