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“Der I^alif als Bettler.
iesmal hatte Harun al Raschid, der Beherrscher der Gläubigen,
sich als Bettler verkleidet, um die Art der Wohltätigkeit
seiner Untertanen kennen zu lernen, und so begab er sich, in
ärmliche Gewänder gehüllt, bei Beginn der Dämmerung in die
Straßen von Bagdad. In einer der belebtesten stellte er sich auf
und begann eben, die Vorübergehenden um Almosen anzusprechen —
als ein Trupp anderer Bettler auf ihn zukam.
„Wer bist Du? Was willst Du hier?“ schrien sie ihn an.
„Allah sei mit Euch. Ich bin ein armer Mann und will die
Mildtätigkeit der Gläubigen in Anspruch nehmen.“
„Allah schlage Dich mit der Pestilenz! Du willst betteln. So
suche Dir ein anderes Revier! Dies ist unser Platz.“
„Euer Platz?! Hat vielleicht der Kalif selber Euch diesen
Platz angewiesen?“
„Nein, Du Hund! Was versteht der Kalif vom Betteln. Geh’
fort von hier!“
„Nein, ich bleibe. Mir hat der Kalif diesen Platz angewiesen.“
Dabei streckte der Kalif einem Vorübergehenden die Hand ent-
gegen, und er erhielt eine kleine Münze.
Da umringten die Bettler wütend den Kalifen. — Die Krücken
eines Lahmen wurden über seinem Haupte geschwungen, und ein
Blinder, ein Messer in der Hand, packte den Beherrscher der
Gläubigen an der Brust.
In diesem gefährlichen Augenblicke drang ein junger Soldat
mit gezogenem Säbel in den Kreis der Bettler und hieb mit der
flachen Klinge auf sie ein, daß sie schreiend auseinanderstoben
und davonliefen. Am schnellsten lief der Lahme, und der Blinde
war immer dicht hinter ihm her. Der Kalif aber sprach zu
seinem Retter: „Vielleicht kann auch ein. Bettler eine gute Tat
belohnen. Sage mir, wer Du bist!“ —
Am ander’n Tag wurde der junge Soldat in den Palast vor
den Kalifen geführt. Und Harun al Raschid begann: „Du hast einem
Bettler das Leben gerettet; Du bist ein Edelmann. Der Bettler war
ich. Ich habe Dich auserseh’n für ein hohes Amt an meinem Hofe.“
Da entgegnete ein wenig zögernd der Krieger: „Herr, ich
will nicht mehr von Deiner Gnade empfangen, als ich verdiene.
Wisse deshalb: Ich hatte Dich erkannt unter den Bettlern!“
Da fuhr der Kalif auf: „Und das sagst Du mir?! Ich sehe,
Du bist zu wenig klug für einen Hof. Einem Bettler das Leben
retten, das kann eine Heldentat sein; einem Könige das Leben
retten, ist vielleicht nur ein Geschäft. Geh’, man soll Dir tausend
Zechinen zahlen!“
Albert Roderich.
CaöreJ—
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“Der I^alif als Bettler.
iesmal hatte Harun al Raschid, der Beherrscher der Gläubigen,
sich als Bettler verkleidet, um die Art der Wohltätigkeit
seiner Untertanen kennen zu lernen, und so begab er sich, in
ärmliche Gewänder gehüllt, bei Beginn der Dämmerung in die
Straßen von Bagdad. In einer der belebtesten stellte er sich auf
und begann eben, die Vorübergehenden um Almosen anzusprechen —
als ein Trupp anderer Bettler auf ihn zukam.
„Wer bist Du? Was willst Du hier?“ schrien sie ihn an.
„Allah sei mit Euch. Ich bin ein armer Mann und will die
Mildtätigkeit der Gläubigen in Anspruch nehmen.“
„Allah schlage Dich mit der Pestilenz! Du willst betteln. So
suche Dir ein anderes Revier! Dies ist unser Platz.“
„Euer Platz?! Hat vielleicht der Kalif selber Euch diesen
Platz angewiesen?“
„Nein, Du Hund! Was versteht der Kalif vom Betteln. Geh’
fort von hier!“
„Nein, ich bleibe. Mir hat der Kalif diesen Platz angewiesen.“
Dabei streckte der Kalif einem Vorübergehenden die Hand ent-
gegen, und er erhielt eine kleine Münze.
Da umringten die Bettler wütend den Kalifen. — Die Krücken
eines Lahmen wurden über seinem Haupte geschwungen, und ein
Blinder, ein Messer in der Hand, packte den Beherrscher der
Gläubigen an der Brust.
In diesem gefährlichen Augenblicke drang ein junger Soldat
mit gezogenem Säbel in den Kreis der Bettler und hieb mit der
flachen Klinge auf sie ein, daß sie schreiend auseinanderstoben
und davonliefen. Am schnellsten lief der Lahme, und der Blinde
war immer dicht hinter ihm her. Der Kalif aber sprach zu
seinem Retter: „Vielleicht kann auch ein. Bettler eine gute Tat
belohnen. Sage mir, wer Du bist!“ —
Am ander’n Tag wurde der junge Soldat in den Palast vor
den Kalifen geführt. Und Harun al Raschid begann: „Du hast einem
Bettler das Leben gerettet; Du bist ein Edelmann. Der Bettler war
ich. Ich habe Dich auserseh’n für ein hohes Amt an meinem Hofe.“
Da entgegnete ein wenig zögernd der Krieger: „Herr, ich
will nicht mehr von Deiner Gnade empfangen, als ich verdiene.
Wisse deshalb: Ich hatte Dich erkannt unter den Bettlern!“
Da fuhr der Kalif auf: „Und das sagst Du mir?! Ich sehe,
Du bist zu wenig klug für einen Hof. Einem Bettler das Leben
retten, das kann eine Heldentat sein; einem Könige das Leben
retten, ist vielleicht nur ein Geschäft. Geh’, man soll Dir tausend
Zechinen zahlen!“
Albert Roderich.
CaöreJ—
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1*
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Kalif als Bettler"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1913
Entstehungsdatum (normiert)
1908 - 1918
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 138.1913, Nr. 3519, S. 3
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg