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„Darf ich Ihnen eine Zigarre anbieten, junger Mann?" — „Wenn Sie die Güte haben wollten! . . .
3ch müßte aber bitten, mir den Fensterplatz zu überlassen... ich bin noch Anfänger!"

Der Schimmel. <>*&-&

eit fünfunddreißig Jahren hatte der alte Aktuar den Bericht
genau nach dem nämlichen Entwurf — in der Aktensprache
--Schimmel" genannt — mit großem Fleh; und Eifer gefertigt,
-iebevoll hatte er jedesmal wieder das vergilbte Konzept hcrvor-
Sesncht, das die Schriftzeichen seines mit ihm weiß und alt ge-
wordenen Amtschefs trug, und init einer gewissen Andacht hatte
Woxj fjjv Wort nachgemalt — fast bei jedem Buchstaben das
ehrwürdige Vriginal betrachtend, obwohl er deßen Inhalt längst
auswendig kannte.

Da war sein Ehcf in Pension gegangen und ein junger
schneidiger pferr wurde dessen Nachfolger.

Als der Berichtstag kam, suchte der wackere alte Aktuar
seinen geliebten und erprobten „Schimmel" hervor und fing an,
nüt der Freude, die ihm das jedes Jahr, verursachte, seine steifen
und altmodischen Schriftzeichen auf das Papier zu fetzen. Er tat
ches Heuer mit um so mehr Rührung, als dieser „Schimmel" ge-
wissermaßen die letzte Erinnerung an seinen alten verehrten Anris-
ses bildete. Öfter als sonst griff er nach Schnupftabaksdose und
Taschentuch und hin und wieder trübte sich ihm vorübergehend
das Auge, so daß er mit dem zitternden Finger erst die Stelle im
Altext von neuem suchen mußte, bei der er stehengeblieben war.

Da kam plötzlich der junge Lhef herein und sah ihm über

die Schulter. Dann lachteer. „Aber, ich bitte Sie, lieber Freund,"
sagte er, „so 'was schreibt man doch heutzutage nicht mehr. Das
macht man doch viel kürzer und einfacher. Mas braucht es all
den Schwulst und die RedensartenI . . Geben Sie 'mal Herl"

Er nahm den würdigen „Schimmel" und verschwand damit
in seinem Zimmer. Der Aktuar öffnete den Mund und starrte
ihm nach. Er wollte etwas sagen, er wollte nach dem Blatt
greifen — aber er war so verblüfft über das Gehörte und Ge-
sehene, daß er keinen Laut Hervorbringen und keinen Finger
rühren konnte.

Nach wenigen Minuten kehrte der Lhef zurück. „So," sagte
er freundlich, „das schreiben Siel Und das andere legen wir weg!
Das geht nicht mehr! Das war eine frühere Zeit!"

wortlos, den Kopf gesenkt, ohne zu schnupfen, inalte der
Aktuar mit ganz zitteriger Pfand den neuen kurzen Entwurf, wie
es aber sechs Uhr schlug, legte er das alte Konzept sorgfältig
zusammen, verbarg es in seiner Brusttasche und nahm es mit
heim. Mer Nachts an dem Pfaus vorüberging, in dem er wohnte,
konnte die Eckfenster im Dachgeschoß noch spät erleuchtet sehen.
Dort saß der brave Aktuar und schrieb — wie hätte er an diese»:
Tag sonst ruhig zu Bett gehen können I — seinen lieben alten
„Schimmel" ab. y.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Vorsichtig"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kirchner, Eugen
Entstehungsdatum
um 1913
Entstehungsdatum (normiert)
1908 - 1918
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 138.1913, Nr. 3520, S. 21

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