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-- In so.

„Schon wieder hat man Dir die Wohnung gekündigt... Du scheinst recht unbeliebt zn sein?" —
„Ich unbeliebt? Zehn Jahre könnte ich überall wohnen.... wenn ich die Miete zahlen würde."

Dorsommerfris'cblcr 1915.


dem Treidhof im Gberlaxtal hat sich
im Laufe der Jahre eine seltsame
Gemeinde von Sommerfrischlern zn-
sammengefunden. Da war der Professor, der durch schwere, ange-
strengte Geistesarbeit zum Neurastheniker geworden und auf An-
raten der Ärzte eine gründliche Durcharbeitung seines Muskel- und
Nervensystems benötigt hat. Da war weiter der Privatier, deni
allmählich sein gemütliches Leben eine Körperfülle zugezoge», die
lästig geworden ist. Mit Medikamenten und Pausmitteln ist ihr
nicht mehr beiznkommen gewesen, Weiter hat sich der Rat einge-
stellt, der den Rheuniatismus nicht losgeworden und das Reißen
überall gespürt hat, wo ein anderer Mensch Ruhe gewohnt war.

Ihnen allen und mit ihnen ihren Familien ist der Treidhof
und das friedliche sonnbeschiencne Lartal mit seinen lustigen arbeit-
samen Bewohnern zur Pausapothcke und zum Sanatorium geworden.
Der Bauer, die Bäu'rin und die „Buani" haben an ihnen den
Dienst von Medizinalräten getan. In aller kserrgottsfrüh' ist's
auf's Feld hinansgegangen und, wenn auch im Anfang das Bücken
und das Arbeiten mit Gabel, Sense und Sichel, mit Pflug und
Egge, das ksenranfen und das Anstürmen von Getreide-„Manndln"
hart genug war — allmählich hat sich's doch gemacht und die ge-
duldigen Lehrmeister haben den Erfolg ihrer Mühe
und ihres Unterrichtes miterlebt. Den Nerven des
Professors hat der Aufenthalt in der freien Luft
ausgezeichnet wohlgeta». Den lang entflohenen
Schlaf hat er wiedergefundcn. Die Zappligkeit,

Verdrossenheit und Gereiztheit ist immer besser und
besser geworden inid seine Frau war ganz glücklich,
als sie von deni Appetitmangel nichts mehr ge-
merkt, sondern wahrgenommen hat, wie ihm die
einfache, reizlose Kost draußen gemundet, daß er
zuletzt eingehaut hat wie noch einmal ein Drescher.

Der Privatier hat freilich anfangs bei dein
Schaffen geschnauft ivie ein Elefant und manches
Mal schier verzagen wollen. Wenn er aber dann
auf der Wage gestanden ist und wieder ein paar
Pfund gesehen hat, die nicht mehr vorhanden waren,
dann hat er jedesmal wieder einen lauten oder
leisen Juhschrei getan und mit wörtlicher „ Er-
leichterung" von neuem zum Handwerkszeug ge-
griffen, das auch ihm pnnger, Durst und Lebens-

freudigkeit zurückgebracht. Und wenn auf das von einem rot-
geblümelten Taschentuch geschützte Haupt des Herrn Rat und auf
seinen durch nichts geschützten Rücken und seine hemdärmeligen
Gliedniaßen die Sonne so recht troxenglühheiß hernntergebrannt
und ihm alle die Rhenmatismusstoffe herausgebraten hat, dann
hat er sich gereckt und gestreckt und einen Freudensprung getan,
den er zn Pause nicht fertiggebracht haben würde, falls man
ihm auch das Heiratsgnt eines Rotschild versprochen hätte.

Heuer aber war cs still und einsam auf deni sonst so fröhlichen
und arbeitsfrohen Treidhof in» Gberlaxtal geworden. Der Bauer
stand mit dem Landsturm in Nordfrankreich auf der Etappe und
die „Bnam" waren in Flandern und in Polen, im Elsaß und
überall sonst, wo der Feind einen kräftigen deutschen Arm z»r
Gegenwehr verlangte. Auch die Anechte lagen draußen im
Schützengraben - und mit Weibern allein kann man halt die
Feldarbeiten schwer zuweg bringen, zn denen — man mag sonst
über die Mannsbilder denken, wie man miü — nun einmal stärkere
Arme mithergehören.

. . . Trübselig legt die Bäu'rin den Kopf auf die Hände und
sinniert und denkt, daß ihr das Hirn brennt — sie weiß sich aber
keinen Rat und keinen Ausweg mehr.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Vorsommerfrischler 1915"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stockmann, Hermann
Entstehungsdatum (normiert)
1915 - 1915
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Urlauber
Sommerfrische
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 142.1915, Nr. 3641, S. 222
 
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