seit vielen, vielen Jahren stand draußen vor dem
Städtchen, am oberen Tore, die alte polzbank des ehc-
maligen Torwarts. Eng hineingeschmiegt in den schützcn-
den Winkel, trug sie alle Tage die verschiedensten Gäste! Markt-
weiber, die mit den vollen Körben rasteten — Bandwerksbnrschen,
die sich vor dem Eintreten iti’s Städtchen richteten — Liebespaare,
spielende Kinder und so weiter, Pente nun stand das Bänkchen
im vollen Frühlingslichte und der alte Goebel, der Veteran,
der seit dem Kriege Anno siebzig mit einem Stelzfuß hernm-
hnmpclte, ruhte dort ans und dachte nach über die schwere Zeit, die
wieder über unser Deutschland hercingebrochcn. Wie dann seine
alten treuen Augen ans das polzbänklcin gerichtet waren, sah
er bei dem schrägeinfallenden Sonnenlicht all' die verschiedenen
Zeichen und Schriften, die Menschen im Lause der Zeiten in das
Bolz geschnitten.
Da studierte und sinnierte nun der Alte und fand zuerst ein
Paar flammende perzcn mit den Buchstaben I und B »nd der
Jahreszahl (798. Wer wohl die beiden waren? Längst sind sie
in die Ewigkeit hinüber. Und hier ein Name, nicht mehr gut z»
lesen es könnte Bans heißen; darüber ist ein Würfel eingeschnitzt
mit sechs Augen; vielleicht war er ein paus im Glück, der seine
letzte poffnnng auf die Sechs setzte. Auf der linken Seite der
Banklehne eingekerbt war ein Studentenzirkel mit der Jahres-
zahl Längst seid ihr nicht mehr, ihr Fröhlichen, die ihr
dies Symbol ewiger Freundschaft und Treue in dies polz schnittet!
Etwas darunter, ganz deutlich, stand unbeholfen hincingekratzt
„Parole 6?>". Der Urheber des Merkmals war sicher ein Soldat,
der sich freute, nach Ablauf seiner Dienstzeit wieder in die pcimat zu
konnnen. vielleicht, dachte der alte ehemalige Krieger, steht er jetzt
draußen irgendwo in> Westen oder ödsten und verteidigt sein Vater-
land. Und als die Angen des Mannes weiter umherwanderten auf
der Bank, entdeckten sie etwas, was ihn besonders zu interessieren
schien. Eine Erregung ging durch den Alten und er buchstabierte
langsam vor sich hin: „Josef Pfull" — da stand wirklich, allerdings
schon halb verwetzt, der Banie seines ehemaligen besten Freundes.—
Ach der Pfull-ja der Pfull. Die ganze sonnige, wonnige
Jugend, die lichten Tage der Kindheit kamen ihm wieder in Er-
innerung, das Pfnll'sche paus mit seinem Garten, seinen Bnchs-
hecken »nd den blühenden Malven, wo sie Burgen bauten
und z» höchst in den Bäumen nisteten; seine eigene gute Mutter
sah er vor sich stehen, ivie sic ihn warnte, es doch nicht gar
zu toll zu treiben in des Bachbars Garten; und weiter ging
die Erinnerung: Wie er mit dem guten Freunde anszog in den
Feldzug von Siebzig, wie sie bei einem Geschütze als Bedienung
standen - und an das „Schwerste", als die französische Granate
ihm seinen lieben Pfull von der Seite riß. Da wurde ihm bitter
znmnt'; cs fiel ihm wieder ein, ivie er, der ja auch bei dem
Einschlagen des Geschosses sein rechtes Bein verlor, im Lazarett
von seinem Panptmann erfuhr, wo sein guter Freund begraben,
mit der Bitte, wenn er geheilt in die Heimat komme, es den
Binterblicbencn getreulich zu berichten.
All' diese Pflichten konnte er später erfüllen. Doch da mußte
er auch an pfnlls Schwester Agnes denken, die er so lieb gehabt,
die aber kurz nach dem Kriege mit einem andern nach Amerika
Städtchen, am oberen Tore, die alte polzbank des ehc-
maligen Torwarts. Eng hineingeschmiegt in den schützcn-
den Winkel, trug sie alle Tage die verschiedensten Gäste! Markt-
weiber, die mit den vollen Körben rasteten — Bandwerksbnrschen,
die sich vor dem Eintreten iti’s Städtchen richteten — Liebespaare,
spielende Kinder und so weiter, Pente nun stand das Bänkchen
im vollen Frühlingslichte und der alte Goebel, der Veteran,
der seit dem Kriege Anno siebzig mit einem Stelzfuß hernm-
hnmpclte, ruhte dort ans und dachte nach über die schwere Zeit, die
wieder über unser Deutschland hercingebrochcn. Wie dann seine
alten treuen Augen ans das polzbänklcin gerichtet waren, sah
er bei dem schrägeinfallenden Sonnenlicht all' die verschiedenen
Zeichen und Schriften, die Menschen im Lause der Zeiten in das
Bolz geschnitten.
Da studierte und sinnierte nun der Alte und fand zuerst ein
Paar flammende perzcn mit den Buchstaben I und B »nd der
Jahreszahl (798. Wer wohl die beiden waren? Längst sind sie
in die Ewigkeit hinüber. Und hier ein Name, nicht mehr gut z»
lesen es könnte Bans heißen; darüber ist ein Würfel eingeschnitzt
mit sechs Augen; vielleicht war er ein paus im Glück, der seine
letzte poffnnng auf die Sechs setzte. Auf der linken Seite der
Banklehne eingekerbt war ein Studentenzirkel mit der Jahres-
zahl Längst seid ihr nicht mehr, ihr Fröhlichen, die ihr
dies Symbol ewiger Freundschaft und Treue in dies polz schnittet!
Etwas darunter, ganz deutlich, stand unbeholfen hincingekratzt
„Parole 6?>". Der Urheber des Merkmals war sicher ein Soldat,
der sich freute, nach Ablauf seiner Dienstzeit wieder in die pcimat zu
konnnen. vielleicht, dachte der alte ehemalige Krieger, steht er jetzt
draußen irgendwo in> Westen oder ödsten und verteidigt sein Vater-
land. Und als die Angen des Mannes weiter umherwanderten auf
der Bank, entdeckten sie etwas, was ihn besonders zu interessieren
schien. Eine Erregung ging durch den Alten und er buchstabierte
langsam vor sich hin: „Josef Pfull" — da stand wirklich, allerdings
schon halb verwetzt, der Banie seines ehemaligen besten Freundes.—
Ach der Pfull-ja der Pfull. Die ganze sonnige, wonnige
Jugend, die lichten Tage der Kindheit kamen ihm wieder in Er-
innerung, das Pfnll'sche paus mit seinem Garten, seinen Bnchs-
hecken »nd den blühenden Malven, wo sie Burgen bauten
und z» höchst in den Bäumen nisteten; seine eigene gute Mutter
sah er vor sich stehen, ivie sic ihn warnte, es doch nicht gar
zu toll zu treiben in des Bachbars Garten; und weiter ging
die Erinnerung: Wie er mit dem guten Freunde anszog in den
Feldzug von Siebzig, wie sie bei einem Geschütze als Bedienung
standen - und an das „Schwerste", als die französische Granate
ihm seinen lieben Pfull von der Seite riß. Da wurde ihm bitter
znmnt'; cs fiel ihm wieder ein, ivie er, der ja auch bei dem
Einschlagen des Geschosses sein rechtes Bein verlor, im Lazarett
von seinem Panptmann erfuhr, wo sein guter Freund begraben,
mit der Bitte, wenn er geheilt in die Heimat komme, es den
Binterblicbencn getreulich zu berichten.
All' diese Pflichten konnte er später erfüllen. Doch da mußte
er auch an pfnlls Schwester Agnes denken, die er so lieb gehabt,
die aber kurz nach dem Kriege mit einem andern nach Amerika
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Peter Goebel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1915
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1920
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 142.1915, Nr. 3643, S. 252
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg