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A11 g' 11 m A11 g'.

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mit sich fertig zu werden und seine Ruhe zu finden, die er für
die nächste Zeit unbedingt braucht — den Seinen zuliebe, dem
Sohn zuliebe, der ja auch die eigene Ruhe mit wunderbarer Fassung
bewahrt und eine stille Fröhlichkeit und Gelassenheit vortäuscht,
die vielleicht überhaupt nicht, jedenfalls noch nicht stark genug in
ihm ist und bei der ersten leidenschaftlichen Schwächeanwaudlung
der Angehörigen möglicherweise zusammeubrechen und in einem
Verzweisluugsschrei untergeheu würde — zum Unheil und zum
Elend für sie alle ...

Der Alte sitzt in seinem Lehnstuhl und ringt und kämpst mit
sich. „Warum gerade er?" stöhnt er. „Warum gerade seine
Hellen, klugen, glücklichen, gesunden Augen?!" ...

Allmählich gewinnt er aber etwas Fassung und greift zu
einem Baude seiner Bücherei, wo er schon in so mancher schweren
Lebensstunde Ruhe und Frieden und Kraft wieder gewonnen.

„Wilhelm Teil" von Schiller ist's und Mclchthals glühenden
Schmerzeusansbruch liest er, um darin den eigenen Schmerz zu
läutern und zu überwinden:

„G, eine edle tjimmclsgabe ist

Das Licht des Auges. — Alle Wesen leben

vom Lichte, jedes glückliche Geschöpf —

Die Pflanze selbst kehrt freudig sich zum Lichte
Und er muß sitzen, fühlend, in der Nacht,

Im ewig Finstern — ihn erquickt nicht mehr
Der Ulatten warmes Grün, der Blumen Schmelz;

Die roten Firnen kann er nicht mehr schauen. —

Sterben ist nichts — doch leben und nicht sehen,

Das ist ein Unglück, — Warum seht Ihr mich
So jammernd an? Ich Hab' zwei frische Augen
Und kann dem blinden Vater keines geben,

Nicht einen Schimmer von dem Meer des Lichts,

Das glanzvoll, blendend mir in's Auge dringt" ....

Die Dämmerung ist hereiugebrochen, während der Alte liest.
Er läßt das Buch sinken und schaut in das Dunkel, das aus dem
Garten heraussteigt. Und in dem Dunkel bildet sich vor ihm ein
Gesicht mit einer scharfen ksabichtnase, mit ein paar stechenden
Augen ...

„Sir Grev!" murmelt er. Eine unendliche Bitternis befällt
sein kserz. B, der edle Lord, der all das ungeheuere Elend ver-
schuldet, ist selber außerordentlich weit vom Schuß, in einwandfreier
Sicherheit! Er wird in tadelloser Eleganz auch heute wie sonst
im bequemen Klubsessel ruhen und sein Beefsteak mit der alten
vornehmen würde verzehren, das Einglas im Auge, und kühl die
Zeitungsberichte und die Verlustlisten studieren... er riskiert ja
nichts dabei....

„Gerechtigkeit!" murmelt der Alto. „Ewige allwalteude
Gerechtigkeit, wo bist du?!" ....

Da öffnet das Mädchen geräuschlos die Türe, legt das Abend-
blatt auf den Tisch, dreht das Licht ans und entfernt sich.

Müde, teilnahmslos greift er nach der Zeitung und starrt
unbewußt hinein.... Da liest er:

„Sir Edward Grey hat wegen eines schweren Augen-
leidens, das ihm voraussichtlich die Rückkehr in das Amt
nicht mehr gestattet, seine Tätigkeit uiedergelegt" ....

Und der Alte erhebt sich — ohne ksaß und Rachegesühl, aber
wie von einem schweren lebenzerstörenden Zweifel befreit. „Ich
danke dir!" sagt er mit einem Blick nach oben und geht ruhigen
Mutes hinunter in den blühenden Garten — zu seinem erblindeten
Sohne .... will't'lm Herbert

□ IE FUÜ1T DES ODY5EU5.

Bis zu dem Reiche des Hades erklang der gewaltige

Weltkrieg.

Dröhnend erbebte die Erde, das Meer, die olympischen Lüfte —
Und an das Ufer des Slyx heran fluteten alle die Schatten,

Die schon lange vergessen im Trank der betäubenden Lethe,

Was sie vor Zeiten erlebt auf den lachenden bliih’nden Gefilden.
Und sie gewahrten erstaunt vor den irrenden fragenden Blicken
Scharen von Fremdlingen nun, die gefallen im Streite der Männer —
Freunde und Feinde vereint, so mit Wunden bedeckt wie mit Lor-
beer'» —

Wie sie sich drängten, noch blaß von dem sehnenden Kummer des

Abschieds,

Rings um den Nachen des Fährmanns , der nimmer sie wußte zu

bergen

Und mit den rudernden Armen unendliche Werke vollbrachte.

Alle die nahenden Helden sah mancher der Helden der Vorzeit
Neidisch und messend im Grimme die eigenen Kräfte mit jenen,
Während im Busen ihm heißer die lechzende Sehnsucht emporstieg:
„Stiind’ ich doch selber jetzt auch in dem männerverheerenden

Kampfe!
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Flucht des Odysseus"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Rothaug, Alexander
Entstehungsdatum
um 1915
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1920
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Meer <Motiv>
Karikatur
Kriegsschiff
Seekrieg
Weltkrieg <1914-1918>
Odysseus, Fiktive Gestalt
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Fliegende Blätter, 143.1915, Nr. 3650, S. 16

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