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Xi o in u ii k ii l u s.

hervorgebracht hatte. — wenn der Herzog besonders guter Laune
war, wozu Hans pdcrfilius, der Hofkoch, nicht wenig beizn-
tragcn vermochte, dann zeigte der gnädigste Herr nach aufge-
hobener Tafel wohlangeschriebencn Gästen mit großem stolze
und geheimnisvoller Miene das Wunder und ließ es von ihnen
gebührendermaßen bestaunen.

„Anitzt aber" — fügte er dann wohl dem und jenem, der
ganz besonders in seiner Gunst stand, halblaut hinzu und nahm
eine bedächtige prisc aus der mit Edelsteinen verzierten Dose —
„anitzt aber ist der XNagister daran, einen Homunkulnm zu
schaffen, id est, einen winzigen wahrhaftigen Uten scheu, der
in den Retorten mit viel Kunst und Weisheit in langen sternen-
klaren Nächten zum Leben erwecket wird! Das größte Kunst-
werk aller Zeiten, das meinem Hofe, wann es gelingt, auf
viele Säknla besonderen Ruhm einbringen und meinen Namen
mit dem seinigen in den Lhroniken für immer wird leuchten
lassen l"

lind die solches hörte», verneigten sich tief vor Staunen und
Ehrfurcht und betrachteten von da ab den Magister, wenn er
würdig seines Weges schritt, noch mit um so mehr Respekt und
sogen die seltsamen Dünste, die sich in der Nähe seiner Werkstatt
hin und wieder verspürbar machten, mit ehrfürchtig schnubbcrnden
Nüstern ein. Besonders war es der Erbprinz, der des Meisters
perfon in hohem Maße verehrte — so sehr sogar, daß sich ein
nicht geringer Teil dieser Verehrung auch noch auf dessen schwarz-
äugig Töchtcrlcin übertrug, die hie und da unter ihren züchtig
geschlossenen seidenen Wimpern einen Feuerblitz hcrvorschoß, der
allerdings selbst einen prinzen von Geblüt einigermaßen zu ent-
flammen vermochte.

Jahr und Tag war so verstrichen und der Herzog saß stunden-
lang in der finsteren Werkstatt vor dem geheimnisvollen Kristall-
gefängnis, in dem der Homunkulus, wie der Meister versicherte,
zu immer deutlicherer Gestalt und kräftigerem Leben heranwuchs,
wenn man auch in dem dunklen Raum nichts klar zu erkennen
vermochte. „Aber" — erklärte der Magister dem allmählich un-
geduldig und immer neugieriger werdenden Herzog — „jeder
Sonnenstrahl würde das zarte Geschöpf sofort eines jähen Todes
sterben lassen I"

Ja, so zart und scheu war das lvesen, das da wie ein Jier-
pflänzlein behütet werden mußte, daß kein ungewohntes Auge es
schauen und die Hülle, die darübergebreitet lag, nur gelöst werden
durfte, wenn der Herzog allein mit dem Meister war. Darum
mußte der prinz, der seinen Vater jedesmal — aus eitel Wiß-
begier — begleitete, stets vor der Werkstätte in dem Garten ver-
harren, bis der Fürst zurückkehrte, und auch alle anderen Per-
sonen, sogar sein eigen Töchterlein, wies der ängstlich besorgte
Alchimist sodann aus dem Hanse.

XInd wieder einmal — es war ein sternenklarer Abend
weilte der Herzog bei seinem Meister und war begieriger als je,
endlich den Homunkulus zu sehen, der ihm so sehr am Herzen
lag und der ihn so schweres Geld kostete. Denn der durste nicht
anders als mit flüssigem Dukatengold genährt werden.

Da rückte der Meister, dem Drängen seines Herrn und Ge-
bieters nachgebend, das Tischlein mit dem geheimnisvollen Gefäß
ein wenig näher an's Fenster und öffnete dieses halb, so daß
man bei dem Sternenschimmer das kostbare Geschöpf sich deutlich
in der Kristallschale regen sah.

Darüber war der Herzog so außer sich vor Freude und Ent-
zücken, daß er sich nicht mehr enthalten konnte, sondern jäh den
Deckel lüftete. Im selben Augenblick aber tat er einen lauten
Schrei. Denn der heimtückische Patron, der wohl da drinnen
schon lange auf diesen Augenblick gewartet haben mochte, hüpfte
- ihm direkt unter der Nase durch — iii’s Freie.

Auch draußen hörte man einen Schrei. Als der Meister mit
dem Herzog hinauseilte, trafen sie dort den prinzen und das
schwarzäugige Dirnlein, die da beim Warten — rein zufällig —
znsammengekommen.

„Mir ist 'was auf den Nacken gesprungen . . . ein Frosch
war'sl" stammelte das Mädchen.

„(!) Du TörinI" lachte der Alchimist. „Hält das dumme
Gänschen den Homunkulum für einen Frosch!"

„Aber warum hast Du denn den Schelm nicht um den Hals
gefaßt und festgehalten? I" seufzte der Herzog. . . .

Dann ging er mit dem prinzen nach Hause und war doch
sehr befriedigt. Denn er hatte ja jetzt die stolze Gewißheit, daß
er tatsächlich einen Homunkulus besessen, wenn er auch ent-
schlüpfte.

Und auch der prinz war sehr vergnügt.

Nur das schwarzäugige Dirnlein blieb allein zurück und machte
sich, während sie in die Nacht hinausträumte, ihre Gedanken über
die Ungerechtigkeit der XUenfcheir, die sic ohne Grund gescholten.
Xvar sie ja doch fest überzeugt, daß es in der Tat ein Frosch
gewesen, der ans dem Fenster sprang — was zankte da der
v a t e r?! — Und gar erst des Herrn Herzogs ungerechter
Vorwurf?! Sie hatte ihn ja doch gewiß und wahrhaftig nach
besten Kräften um den Hals gefaßt und festgehalten — den
prinzen nämlich I wen sonst hätte er denn mit dem „Schelmen"
meinen können?! Doch nicht am Ende auch den Frosch?!...

Wilhelm Herbert.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Homunkulus"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Verschlagwortung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsdatum (normiert)
1915 - 1915
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Weltkrieg <1914-1918>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 143.1915, Nr. 3671, S. 274

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