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Beim Wort gcno »l m c n.
Moritz Weichselbaum ist im Wirtshaus Zeuge, wie sich zwei
heftig streiten, wobei sich der eine Hinreißen ließ, seinen Gegner
ein Kamel zu schimpfen. In großer Erregung bemerkt Moritz:
»Herrgott, wenn m i r das einer sagte, ich Müßt' nicht, was ich
tar'!" Worauf jener sich zu ihm umwendet und ihni zuruft:
»Kümmern Sie sich nur Ihre Angelegenheit, Sie sau auch a Kamel
und a Rindvieh dazu!" — Alles ist auf's höchste gespannt, was
Moritz jetzt tun wird; der aber zuckt bloß die Achseln und bemerkt
ganz ruhig: „Pah, Hab' ich nix gesagt, ich Ivüßt' nicht, was ich
tat"? Ich weiß's wirklich nicht
Bittere Wahrheit.
„Der alte Spöller liegt im Sterben, der scheint gar keine Ver-
wandten zu haben." — „Glauben Sie das nicht; wer Geld hat,
hat immer Verwandte." _
Der Lastträger.
^ T inter der Säule stand der junge Kalif
Und blickte hinaus auf den wogen-
J den Platz
Mit dem greisen Freund, der ihm einst Lehrer
war.
„Warum“ — fragte er •—- „freut mich dies Bild
heut’ nicht ?!
Das Gold der Melonen und auch der Trauben Blau,
Das Braun der Gesichter und ihr Ebenholzschwarz,
Der Gewänder leuchtendes Weiss und Rot —
Jedes sieht heut’ so grau aus — so eintönig grau!
Ist es der schwere Rat, der mir bevorsteht,
Für die Sorgen des Reichs das Rechte zu finden ....
Ist es das, Achmed, das mir die Seele verschleiert —
Und wenn es das ist, lehr’ es mich bannen!“
Der Alte sah gleichmütig, als hätte er nichts gehört,
Hinaus in den Wirrwarr. Da kam ein Ha mal vorüber,
Der Lastträger einer, die bei Frost und Hitze
Für geringen Lohn aller Art Bürden schleppen.
„Sieh!“ sagte Achmed. „Wie er verdrossen keucht!
Und doch schwillt sein Korb hoch von köstlichem Fleische,
Das er zur Hochzeit des reichen Menassar bringt.
Nur der Gedanke an sein eigen’ armselig’ Mahl
Und an die schwelgenden feisten Gäste der Tafel
Macht ihm die Bürde dreimal so schwer und sauer!“ . .
Bald wieder kam der Träger zurück und suchte sich
Auf dem lebendigen Markt neuen Verdienst und Auftrag.
„Schau!“ sagte Achmed. „Bücher trägt er jetzt weg,
Die der Gelehrte, seltenen Schatz erkennend,
Bei dem Trödler erstund für wenig Piaster.
Freudig bewegt, ungeduldig der Heimkehr entgegen
Sehnt sich der Käufer und drängt. Er aber geht
Gleichgültig, weil er die Last nicht versteht,
Neben ihm her und hebt im verdriesslichen Tagwerk
Keinen Fuss schneller und leichter als sonst!“ . .
Und wieder schritt die Zeit ein wenig vorwärts.
Da wies der Kalif eifrig hinaus und sagte:
„Sieh’ nur! Was für ein ander’ Bild ist das!
Den Träger wahrlich, der da die Rosen bringt —
Eine leuchtende Last herrlichen Blütendufts —■
Diesen wahrlich zieh’ ich dem Deinen vor!
Schau nur, wie er aufrecht und fröhlich geht
Leichten Schritts, als beschwingten die Blüten ihn !“
Achmed entgegnete: „Herr! Es ist der alte
Und kein and’rer!“ — „Du irrst!“ rief eifrig
der Herrscher.
„So verwandelt die Bürde nimmer den Tragenden!“
„’s ist der alte!“ erwiderte Achmed fest.
„Sieh’ nur die Narbe über die Stirne quer!
Aber ein Läufer Deines Harems geht neben ihm,
Der die Blüten für die Frauen des Hof’s erwarb —
Und der Hamal weiss, dass er Rosen trägt,
Die noch heut’ des Kalifen Aug’ erfreu’n!“
Und er beugte sich vor und winkte dem Läufer,
Dass der anhielt und mit dem Träger das Haus betrat.
Nach einer Weile kehrte Achmed wieder zurück.
Draussen aber schritt der Hamal vorbei,
Strahlenden Aug’s, nun völlig gleich einem jungen,
Der seine Last stolz wie im Spiele meistert.
„Was ist gescheh'n?!“ fragte neugierig der Fürst.
Schmunzelnd erwiderte Achmed d’rauf: „Ich reichte
Ihm eine Labung und sagte ihm, Du hättest
Ihn geseh’n und Dich gefreut seines Fleisses.
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Beim Wort gcno »l m c n.
Moritz Weichselbaum ist im Wirtshaus Zeuge, wie sich zwei
heftig streiten, wobei sich der eine Hinreißen ließ, seinen Gegner
ein Kamel zu schimpfen. In großer Erregung bemerkt Moritz:
»Herrgott, wenn m i r das einer sagte, ich Müßt' nicht, was ich
tar'!" Worauf jener sich zu ihm umwendet und ihni zuruft:
»Kümmern Sie sich nur Ihre Angelegenheit, Sie sau auch a Kamel
und a Rindvieh dazu!" — Alles ist auf's höchste gespannt, was
Moritz jetzt tun wird; der aber zuckt bloß die Achseln und bemerkt
ganz ruhig: „Pah, Hab' ich nix gesagt, ich Ivüßt' nicht, was ich
tat"? Ich weiß's wirklich nicht
Bittere Wahrheit.
„Der alte Spöller liegt im Sterben, der scheint gar keine Ver-
wandten zu haben." — „Glauben Sie das nicht; wer Geld hat,
hat immer Verwandte." _
Der Lastträger.
^ T inter der Säule stand der junge Kalif
Und blickte hinaus auf den wogen-
J den Platz
Mit dem greisen Freund, der ihm einst Lehrer
war.
„Warum“ — fragte er •—- „freut mich dies Bild
heut’ nicht ?!
Das Gold der Melonen und auch der Trauben Blau,
Das Braun der Gesichter und ihr Ebenholzschwarz,
Der Gewänder leuchtendes Weiss und Rot —
Jedes sieht heut’ so grau aus — so eintönig grau!
Ist es der schwere Rat, der mir bevorsteht,
Für die Sorgen des Reichs das Rechte zu finden ....
Ist es das, Achmed, das mir die Seele verschleiert —
Und wenn es das ist, lehr’ es mich bannen!“
Der Alte sah gleichmütig, als hätte er nichts gehört,
Hinaus in den Wirrwarr. Da kam ein Ha mal vorüber,
Der Lastträger einer, die bei Frost und Hitze
Für geringen Lohn aller Art Bürden schleppen.
„Sieh!“ sagte Achmed. „Wie er verdrossen keucht!
Und doch schwillt sein Korb hoch von köstlichem Fleische,
Das er zur Hochzeit des reichen Menassar bringt.
Nur der Gedanke an sein eigen’ armselig’ Mahl
Und an die schwelgenden feisten Gäste der Tafel
Macht ihm die Bürde dreimal so schwer und sauer!“ . .
Bald wieder kam der Träger zurück und suchte sich
Auf dem lebendigen Markt neuen Verdienst und Auftrag.
„Schau!“ sagte Achmed. „Bücher trägt er jetzt weg,
Die der Gelehrte, seltenen Schatz erkennend,
Bei dem Trödler erstund für wenig Piaster.
Freudig bewegt, ungeduldig der Heimkehr entgegen
Sehnt sich der Käufer und drängt. Er aber geht
Gleichgültig, weil er die Last nicht versteht,
Neben ihm her und hebt im verdriesslichen Tagwerk
Keinen Fuss schneller und leichter als sonst!“ . .
Und wieder schritt die Zeit ein wenig vorwärts.
Da wies der Kalif eifrig hinaus und sagte:
„Sieh’ nur! Was für ein ander’ Bild ist das!
Den Träger wahrlich, der da die Rosen bringt —
Eine leuchtende Last herrlichen Blütendufts —■
Diesen wahrlich zieh’ ich dem Deinen vor!
Schau nur, wie er aufrecht und fröhlich geht
Leichten Schritts, als beschwingten die Blüten ihn !“
Achmed entgegnete: „Herr! Es ist der alte
Und kein and’rer!“ — „Du irrst!“ rief eifrig
der Herrscher.
„So verwandelt die Bürde nimmer den Tragenden!“
„’s ist der alte!“ erwiderte Achmed fest.
„Sieh’ nur die Narbe über die Stirne quer!
Aber ein Läufer Deines Harems geht neben ihm,
Der die Blüten für die Frauen des Hof’s erwarb —
Und der Hamal weiss, dass er Rosen trägt,
Die noch heut’ des Kalifen Aug’ erfreu’n!“
Und er beugte sich vor und winkte dem Läufer,
Dass der anhielt und mit dem Träger das Haus betrat.
Nach einer Weile kehrte Achmed wieder zurück.
Draussen aber schritt der Hamal vorbei,
Strahlenden Aug’s, nun völlig gleich einem jungen,
Der seine Last stolz wie im Spiele meistert.
„Was ist gescheh'n?!“ fragte neugierig der Fürst.
Schmunzelnd erwiderte Achmed d’rauf: „Ich reichte
Ihm eine Labung und sagte ihm, Du hättest
Ihn geseh’n und Dich gefreut seines Fleisses.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Lastträger"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1916
Entstehungsdatum (normiert)
1911 - 1921
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 145.1916, Nr. 3710, S. 99
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg