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5tc geht hinaus. CEr braucht ja nicht zu wissen, wie ihr
ist, und er braucht auch ihr Gesicht nicht zu sehen. Nicht, das;
es umsonst noch ärger wird bei ihm I
Der Bauer schaut auf, wie sie so redet, und schaut ihr lang
nach, wie sie schon draußen ist. .Er mag nicht sagen und mag
sich's auch nicht denken: „Du hast leicht reden!" Denn er weiß
recht gut, daß sie sich nicht leicht redet, sondern recht schwer
auch noch.
Der Mondschein kommt durch's Fenster und fällt gerad' auf
die blanke Schüssel, die neben dem Bauern steht und die voll-
gefüllt ist mit hutzeln, wie man die getrockneten Birnen nennt.
Und wie der Mond so auf die hutzeln scheint, da reckt sich
eine davon auf, gerad' die verrunzeltste und verhutzeltste. Und
sie reckt und streckt sich so lang, bis ein ganz kleines verhutzeltes
Manndl d'raus geworden ist. Das steigt langsam und vorsichtig
aus der Schüssel heraus und stellt sich im Mondschein vor den
Bauern hin und spreizt die Beine auseinander und sagt mit
einer dünnen staubigen Stimme: „Grüaß' Di' Gott, Kamerad!
Schau, ich bin ja akk'rat so a Hutzlmanndl, wie Du bald eins
sein wirst, wann D' so weiter machst! Geh', Bauer, nimm amal
Dein' Lchiat und geh' ein bißl auf's Feld 'naus!"
Und der Bauer nimmt seinen Lfut, nickt und geht auf's Feld
hinaus. Und geht um fein ganzes Feld und um feine Ücker
herum. Der Schnee liegt draußen im Mondschein. Lin paar
schwarze Baben stiegen krächzend auf. Und dem Bauern seine
Gedanken fliegen mit. wenn Frieden geblieben wär', wie schön
wär's gewesen! wie der Vater und der Großvater und der
Urgroßvater hält' der Bauer einmal, vielleicht bald schon seinen
drei Buben das Anwesen gegeben oder auch bloß einem von
ihnen, der ihm eine richtige Schwiegertochter in's Haus gebracht
hätt', und die zwei andern hätten schon auch ihren Hof und ihr
Weib gefunden — und er selber und das feine hätten sich in
den Austrag zurückgezogen, hätten die Enkel auf den Armen ge-
schaukelt und einmal die Augen zugemacht in dem frohen und
tröstlichen Bewußtsein, daß der Grund und Boden und das Haus
der Eltern und das Glück beisammen geblieben wären in der
Familie und daß die Felder jedes Frühjahr bestellt und jeden
gerbst geerntet würden wie bisher und daß die liebe traute
Heimat seiner Familie auch weiter leuchten und gedeihen würde
wie bisher!
... Aber jetzt?! Für wen denn noch?! Für was denn
noch? l Es ist ja alles umsonst! .Das ganze Leben ist
umsonst! Ein H uhlmann dl! Ja! Und bald eine einsame
kalte Grube dazu!
Aber für was hat ihn denn dann das andere kleine Hntzl-
manndl herausgeschickt, wenn's doch nichts mehr hilft?! Für was
denn noch?! Für wen denn noch?!
Da taucht ein Schatten vor ihm auf und da noch einer und
wieder einer. Vier oder fünf find's. Lauter kleine Schatten, die
a n n d l. 297
sich frierend und fürchtend aneinander drängen und flüsternd und
wispernd miteinander hineingehen in die schwarze Nacht, die hinter
dem Hellen Mond drohend über dem Walde liegt.
Jetzt sind sie bei ihm.
„wo geht Ihr denn hin, Kinder?!" sagt er.
„In den Wald hinaus!" antworten sie. „Das Christkindl
suchen!"
„Aber dös is ja nicht im Wald draußen!" sagt er. „Dös
is ja d a h o am!"
„wir Ham koa' Hoamatl mehr!" meinen die Kinder
und ein's und das andere schluchzt dabei auf, daß es dem Bauern
die Seel' auseinander schneiden möcht'. „Der Vater is g'fall'n
und die Mutter is g'storb'n, fast am selben Tag!"
Da springt auf einmal das kleine Hutzlmanndl wieder vor
seinen Füßen herum, als ob es ihn nicht vom Fleck lassen wollt',
und ruft und schreit mit seiner dünnen staubigen Stimme: „Hutzl-
manndl I Hutzlmanndl! wach' auf! wach' auf!"
Dem Bauern gibt's einen Buck und er bleibt stehen und
schaut die Kinder an und schaut dann sein Feld an und die Acker.
D'ranf nimmt er sein großes festes Messer heraus mit einem so
sonderbaren Ausdruck im Gesicht, daß die Kinder scheu vor ihm
zurückweichen.
„Ich tu' Euch nix!" sagt er da und lacht ein ganz klein's
bißl. Bückt sich und fängt an, die Tanne abzuschneiden, die just
am Waldrand steht. „Da geht's her und helft's mir!"
Sie helfen ihm, obschon sie noch nicht recht wissen, was es
sein soll, den Baum halten, bis er ganz abgeschnitten ist. „So!"
sagt er, wie er fertig ist. „Jatzt tragt's den Baam und geht's
mit mir!"
Sie laden sich den Baum auf — alle miteinander — und
schleppen ihn hinter ihm her. Der frische köstliche Waldgeruch der
Tanne, der durch die Näslein in die Seele hineinströmt, und die
grünen Zweige, die ihnen die Wangen liebkosen, machen die Kinder
seltsam fröhlich und zutraulich. Sie marschieren hinter ihm her
mit wartenden weichen Seelen und mit großen Augen, die in der
Dunkelheit allerlei Funkeln und Flimmern und Leuchten vor sich
sehen, als hätten sie wirklich draußen im Wald das Christkindl
gefunden.
Am Anfang vom Dorf beim Kramer heißt der Bauer die
Kinder warten. Er kommt nach einer weile hochbepackt heraus,
geht ihnen rascheren Schrittes voraus und eilt, daß er mit ihnen
heimkommt. Die Bäurin steht g'rad' am Fenster, schaut in die
Mondnacht und macht sich Sorgen, wohin der Bauer auf einmal
5tc geht hinaus. CEr braucht ja nicht zu wissen, wie ihr
ist, und er braucht auch ihr Gesicht nicht zu sehen. Nicht, das;
es umsonst noch ärger wird bei ihm I
Der Bauer schaut auf, wie sie so redet, und schaut ihr lang
nach, wie sie schon draußen ist. .Er mag nicht sagen und mag
sich's auch nicht denken: „Du hast leicht reden!" Denn er weiß
recht gut, daß sie sich nicht leicht redet, sondern recht schwer
auch noch.
Der Mondschein kommt durch's Fenster und fällt gerad' auf
die blanke Schüssel, die neben dem Bauern steht und die voll-
gefüllt ist mit hutzeln, wie man die getrockneten Birnen nennt.
Und wie der Mond so auf die hutzeln scheint, da reckt sich
eine davon auf, gerad' die verrunzeltste und verhutzeltste. Und
sie reckt und streckt sich so lang, bis ein ganz kleines verhutzeltes
Manndl d'raus geworden ist. Das steigt langsam und vorsichtig
aus der Schüssel heraus und stellt sich im Mondschein vor den
Bauern hin und spreizt die Beine auseinander und sagt mit
einer dünnen staubigen Stimme: „Grüaß' Di' Gott, Kamerad!
Schau, ich bin ja akk'rat so a Hutzlmanndl, wie Du bald eins
sein wirst, wann D' so weiter machst! Geh', Bauer, nimm amal
Dein' Lchiat und geh' ein bißl auf's Feld 'naus!"
Und der Bauer nimmt seinen Lfut, nickt und geht auf's Feld
hinaus. Und geht um fein ganzes Feld und um feine Ücker
herum. Der Schnee liegt draußen im Mondschein. Lin paar
schwarze Baben stiegen krächzend auf. Und dem Bauern seine
Gedanken fliegen mit. wenn Frieden geblieben wär', wie schön
wär's gewesen! wie der Vater und der Großvater und der
Urgroßvater hält' der Bauer einmal, vielleicht bald schon seinen
drei Buben das Anwesen gegeben oder auch bloß einem von
ihnen, der ihm eine richtige Schwiegertochter in's Haus gebracht
hätt', und die zwei andern hätten schon auch ihren Hof und ihr
Weib gefunden — und er selber und das feine hätten sich in
den Austrag zurückgezogen, hätten die Enkel auf den Armen ge-
schaukelt und einmal die Augen zugemacht in dem frohen und
tröstlichen Bewußtsein, daß der Grund und Boden und das Haus
der Eltern und das Glück beisammen geblieben wären in der
Familie und daß die Felder jedes Frühjahr bestellt und jeden
gerbst geerntet würden wie bisher und daß die liebe traute
Heimat seiner Familie auch weiter leuchten und gedeihen würde
wie bisher!
... Aber jetzt?! Für wen denn noch?! Für was denn
noch? l Es ist ja alles umsonst! .Das ganze Leben ist
umsonst! Ein H uhlmann dl! Ja! Und bald eine einsame
kalte Grube dazu!
Aber für was hat ihn denn dann das andere kleine Hntzl-
manndl herausgeschickt, wenn's doch nichts mehr hilft?! Für was
denn noch?! Für wen denn noch?!
Da taucht ein Schatten vor ihm auf und da noch einer und
wieder einer. Vier oder fünf find's. Lauter kleine Schatten, die
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sich frierend und fürchtend aneinander drängen und flüsternd und
wispernd miteinander hineingehen in die schwarze Nacht, die hinter
dem Hellen Mond drohend über dem Walde liegt.
Jetzt sind sie bei ihm.
„wo geht Ihr denn hin, Kinder?!" sagt er.
„In den Wald hinaus!" antworten sie. „Das Christkindl
suchen!"
„Aber dös is ja nicht im Wald draußen!" sagt er. „Dös
is ja d a h o am!"
„wir Ham koa' Hoamatl mehr!" meinen die Kinder
und ein's und das andere schluchzt dabei auf, daß es dem Bauern
die Seel' auseinander schneiden möcht'. „Der Vater is g'fall'n
und die Mutter is g'storb'n, fast am selben Tag!"
Da springt auf einmal das kleine Hutzlmanndl wieder vor
seinen Füßen herum, als ob es ihn nicht vom Fleck lassen wollt',
und ruft und schreit mit seiner dünnen staubigen Stimme: „Hutzl-
manndl I Hutzlmanndl! wach' auf! wach' auf!"
Dem Bauern gibt's einen Buck und er bleibt stehen und
schaut die Kinder an und schaut dann sein Feld an und die Acker.
D'ranf nimmt er sein großes festes Messer heraus mit einem so
sonderbaren Ausdruck im Gesicht, daß die Kinder scheu vor ihm
zurückweichen.
„Ich tu' Euch nix!" sagt er da und lacht ein ganz klein's
bißl. Bückt sich und fängt an, die Tanne abzuschneiden, die just
am Waldrand steht. „Da geht's her und helft's mir!"
Sie helfen ihm, obschon sie noch nicht recht wissen, was es
sein soll, den Baum halten, bis er ganz abgeschnitten ist. „So!"
sagt er, wie er fertig ist. „Jatzt tragt's den Baam und geht's
mit mir!"
Sie laden sich den Baum auf — alle miteinander — und
schleppen ihn hinter ihm her. Der frische köstliche Waldgeruch der
Tanne, der durch die Näslein in die Seele hineinströmt, und die
grünen Zweige, die ihnen die Wangen liebkosen, machen die Kinder
seltsam fröhlich und zutraulich. Sie marschieren hinter ihm her
mit wartenden weichen Seelen und mit großen Augen, die in der
Dunkelheit allerlei Funkeln und Flimmern und Leuchten vor sich
sehen, als hätten sie wirklich draußen im Wald das Christkindl
gefunden.
Am Anfang vom Dorf beim Kramer heißt der Bauer die
Kinder warten. Er kommt nach einer weile hochbepackt heraus,
geht ihnen rascheren Schrittes voraus und eilt, daß er mit ihnen
heimkommt. Die Bäurin steht g'rad' am Fenster, schaut in die
Mondnacht und macht sich Sorgen, wohin der Bauer auf einmal
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Hutzlmanndl"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1916
Entstehungsdatum (normiert)
1911 - 1921
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 145.1916, Nr. 3726, S. 297
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg