^oiift pfeift er den ganzen Tag. Die paar Monate her
aber hat's ihm das Pfeifen verlernt. Keine Kundschaft
ist mehr gekommen, seitdem der erste perbstregen an das
Fenster geklatscht hat. was ist denn eigentlich los in der Welt
draußen und mit ihm?! war denn nicht justament die Jahres-
zeit alleweil und fein Leben lang die beste für den Flickschuster,
zu dem die Leut' nur kommen, wenn sie bloß ein Fleckl auf ein
Loch im Schuh gesetzt haben wollen — entweder, weil's noch
keinen neuen Stiefel braucht oder weil's überhaupt keinen neuen
leidet? Ist er wohl auch schon zu alt und zu zittrig geworden
und stimmen trotz aller Müh', die er sich gibt, die Fleckln nicht
mehr recht auf's Loch, weil halt die Augen hinter der Brill'
Nachlassen, so fleißig er an der auch putzt und reibt und so sorg-
sam er d'rauflosnäht und -nagelt? Freilich, der ganze pumor
und Arbeitsgeist geht ja auch alleweil mehr und mehr flöte» und
er brummt und pfnxt viel mehr als früher — just wie das Bl,
wenn 's Lamperl an's Auslöschen kommt, weil's tagwärls geht.
Tagwärts?!... Als ob's bei ihm tagwärls ging'?!
Alleweil mehr nachtwärts goht's bei ihm alleweil mehr bergab.
Kein Kreuzer Geld im paus, nichts zu offen und zu trinken und
kein Stäuberl Vorrat da, weder warmes noch Kaltes. Dazu feit
drei Tagen ein Schneegestöber, daß die weiße Mauer schon schier
bis an fein Fenster heraufreicht und die vom wind angctriebenen
Flocken die Scheiben verkleben.
„Da kann ja 's Glück beim besten willen nimmer 'rein-
schauen!" brummt er bärbeißig und lacht, während er mit dem
Ärmel über das kleine Fenster! wischt, „'s Glück?! Als ob's
schon einmal 'was beim armen Flecklfchuster wollen hält'!"
Tr tut aber dem Glück, ohne daß er es weiß, bitter un-
recht. Denn im selben Augenblick klopft sein Bote an die Tür'
und kommt zum Flecklfchuster. Freilich hat 's Glück seltsame
Launen und Versuchungen, mit denen es feine Lieblinge auf die
Probe stellt. Darum hat sich auch der Bote der Frau Fortuna
als blutarmer erfror'ner Bettler verkleiden müssen, den der
Flccklschustcr kaum sieht da lacht er und knurrt: „Bei mir
kommst D' g'rad' zum Rechten mit Deinem päufcrl Glend . . .
ich Hab' selber ein Mordspackl davon können wir unser ver-
mögen Zusammenlegen Und eine Lumpenwirtschaft in Kompanie
anfangen!"
„Pat der Porr nicht vielleicht" — sagt der verkappte Glücks-
bot' mit zittriger frierender Stimme - „hat der perr nicht viel-
leicht einen besseren rechten Schuh — da schau der perr den
meinen an: Line solche Sohle wird der perr auch noch nicht ge-
sehen haben I"
„Sankt Bartlmä!" sagt der Schuster und schaut über die
Brill' hinaus bewundernd auf die Seltenheit. „Da war ja das
Linsensieb von meiner Urgroßmutter eine Panzerfestung da-
gegen I"
Dann blickt er in seinem Stüberl umher und, >veil er unter
dem Iammerzeug, das da herumlicgt, keinen besseren Schuh weiß
und findet, zieht er schnell seinen eigenen herunter und gibt ihn
dem Bettler. „Dal" sagt er. „Ich brauch' bei meiner Riesen-
kundschaft kein so seines Laufwerk!"
„vergelt's Gott!" antwortet der Bettler, zieht schnell den
guten Schuh an, stellt den seinen in den Winkel, daß das Schnee-
wasser gleich über den Loden rinnt, und geht hinaus. „So!"
denkt er sich dabei. „Der hat die Prob' kreuzbrav bestanden —
meine gnä' Frau wird zufrieden sein!"
Der Schuster hinkt nach einer guten weil' mit seinem einen
Schuh und dem andern Strumpfsocken in den Winkel und nimmt
das zurückgelassene waiserl vom Boden auf. „Die Rarität
muß ich mir doch einmal näher anschaucn!" brummt er und
hatscht wieder nach seinem Schemel, wo er den Tausch genau
untersucht.
Dabei fährt er oben mit der pand hinein und zieht ein
schweres Säckerl heraus, wie er das aufmacht, bliukt's und
blitzt's drinn' von lauter nigelnagelnenen Dukaten. Linen Angeu-
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aber hat's ihm das Pfeifen verlernt. Keine Kundschaft
ist mehr gekommen, seitdem der erste perbstregen an das
Fenster geklatscht hat. was ist denn eigentlich los in der Welt
draußen und mit ihm?! war denn nicht justament die Jahres-
zeit alleweil und fein Leben lang die beste für den Flickschuster,
zu dem die Leut' nur kommen, wenn sie bloß ein Fleckl auf ein
Loch im Schuh gesetzt haben wollen — entweder, weil's noch
keinen neuen Stiefel braucht oder weil's überhaupt keinen neuen
leidet? Ist er wohl auch schon zu alt und zu zittrig geworden
und stimmen trotz aller Müh', die er sich gibt, die Fleckln nicht
mehr recht auf's Loch, weil halt die Augen hinter der Brill'
Nachlassen, so fleißig er an der auch putzt und reibt und so sorg-
sam er d'rauflosnäht und -nagelt? Freilich, der ganze pumor
und Arbeitsgeist geht ja auch alleweil mehr und mehr flöte» und
er brummt und pfnxt viel mehr als früher — just wie das Bl,
wenn 's Lamperl an's Auslöschen kommt, weil's tagwärls geht.
Tagwärts?!... Als ob's bei ihm tagwärls ging'?!
Alleweil mehr nachtwärts goht's bei ihm alleweil mehr bergab.
Kein Kreuzer Geld im paus, nichts zu offen und zu trinken und
kein Stäuberl Vorrat da, weder warmes noch Kaltes. Dazu feit
drei Tagen ein Schneegestöber, daß die weiße Mauer schon schier
bis an fein Fenster heraufreicht und die vom wind angctriebenen
Flocken die Scheiben verkleben.
„Da kann ja 's Glück beim besten willen nimmer 'rein-
schauen!" brummt er bärbeißig und lacht, während er mit dem
Ärmel über das kleine Fenster! wischt, „'s Glück?! Als ob's
schon einmal 'was beim armen Flecklfchuster wollen hält'!"
Tr tut aber dem Glück, ohne daß er es weiß, bitter un-
recht. Denn im selben Augenblick klopft sein Bote an die Tür'
und kommt zum Flecklfchuster. Freilich hat 's Glück seltsame
Launen und Versuchungen, mit denen es feine Lieblinge auf die
Probe stellt. Darum hat sich auch der Bote der Frau Fortuna
als blutarmer erfror'ner Bettler verkleiden müssen, den der
Flccklschustcr kaum sieht da lacht er und knurrt: „Bei mir
kommst D' g'rad' zum Rechten mit Deinem päufcrl Glend . . .
ich Hab' selber ein Mordspackl davon können wir unser ver-
mögen Zusammenlegen Und eine Lumpenwirtschaft in Kompanie
anfangen!"
„Pat der Porr nicht vielleicht" — sagt der verkappte Glücks-
bot' mit zittriger frierender Stimme - „hat der perr nicht viel-
leicht einen besseren rechten Schuh — da schau der perr den
meinen an: Line solche Sohle wird der perr auch noch nicht ge-
sehen haben I"
„Sankt Bartlmä!" sagt der Schuster und schaut über die
Brill' hinaus bewundernd auf die Seltenheit. „Da war ja das
Linsensieb von meiner Urgroßmutter eine Panzerfestung da-
gegen I"
Dann blickt er in seinem Stüberl umher und, >veil er unter
dem Iammerzeug, das da herumlicgt, keinen besseren Schuh weiß
und findet, zieht er schnell seinen eigenen herunter und gibt ihn
dem Bettler. „Dal" sagt er. „Ich brauch' bei meiner Riesen-
kundschaft kein so seines Laufwerk!"
„vergelt's Gott!" antwortet der Bettler, zieht schnell den
guten Schuh an, stellt den seinen in den Winkel, daß das Schnee-
wasser gleich über den Loden rinnt, und geht hinaus. „So!"
denkt er sich dabei. „Der hat die Prob' kreuzbrav bestanden —
meine gnä' Frau wird zufrieden sein!"
Der Schuster hinkt nach einer guten weil' mit seinem einen
Schuh und dem andern Strumpfsocken in den Winkel und nimmt
das zurückgelassene waiserl vom Boden auf. „Die Rarität
muß ich mir doch einmal näher anschaucn!" brummt er und
hatscht wieder nach seinem Schemel, wo er den Tausch genau
untersucht.
Dabei fährt er oben mit der pand hinein und zieht ein
schweres Säckerl heraus, wie er das aufmacht, bliukt's und
blitzt's drinn' von lauter nigelnagelnenen Dukaten. Linen Angeu-
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Flecklschuster"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1917
Entstehungsdatum (normiert)
1912 - 1922
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 146.1917, Nr. 3735, S. 92
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg