Gnt m ü t i fl.
„Du red'st gar nicht von den Zigarren, die ich Dir in's Feld geschickt,
oder hast Du darauf vergessen?" — „Jawohl, liebe Kathi, vergeben und
vergessen!" _
Kindliche Besorgnis.
„Mama, ich Hab' mir in einem Kistchen Bohnen angepflanzt.
Kann mir da die Ernte beschlagnahmt werden?"
Das zweite Ges'ichr.
s5i§iic Fra» Inspektor hat von jeher eine besondere Neigung zum Mystischen,
Gruseligen und Geheimnisvolle». Abergläubisch ist sie bis „dort hinaus"
und nirgends suhlt sie sich wohler, als wenn es recht von Geistern und Ge-
spenstern, Ahnungen, „Anmeldungen" und anderen Dingen hergeht, bei
denen einem die Gänsehaut über den Rücken laust.
Mau kann sich vorstelleu, wie glücklich unter solchen Umständen die
Frau Inspektor über die Zenta ist. Die Zenta ist nämlich das neue, am
ersten April eingestandene „Kocherl". Lin schwarzes Ding init feurigen Augen
brauner lfant und einer weichen Sprache, in der etwas von fremdartigem,
südlichem Klange liegt. Weiß Gott ja auch, wo ihre Wiege gestanden hat!
Denn sie ist, wie sie in den ersten fünf Minuten erzählte, ein Findelkind —
vielleicht war ihre Mutter eine Zigeunerin und ihr Vater ein Mann von
hoher Abkunft, wer kann's wissen I Jedenfalls nahm die Romantik dieser
Tatsache sofort die Frau Inspektor vollkommen gefangen — und sie war
sehr empört darüber, als ihr Mann kalt und unromantisch, wie er schon
einmal war, meinte: „Nimm Dich nur in acht, daß Du Dir mit der schwarzen
ksex' nicht eine Laus in den Pelz gesetzt hast!"
Die Frau Inspektor war den halben Tag bei der Zenta in der Küche
und hörte der Erzählung von allerhand geheimnisvollen Ereignissen aus ihrem
Leben zu. Mehr als einmal schon war die Suppe ver-
salzen und der Braten angebrannt auf den Tisch ge-
kommen über lauter Kartenschlagen, Weissagen aus
dem Kaffeesatz, Zukunftlesen aus der ksand und anderen
ungemein interessanten und aufregenden Dingen, ksie
und da kam auch der Bräutigam der Zenta, der selber
sehr interessant ausschaute und „Künstler" war, ohne
daß die Frau Inspektor bis jetzt herausgebracht hätte,
welche der neun Musen ihn eigentlich auf die gelbe, von
mächtigen Locken umwallte Stirn geküßt hatte.
Der kserr Inspektor schüttelte immer öfter den
Kopf, teils über das verpfuschte Essen, teils über den
verschwendeten Kaffeesatz, teils über den „Künstler" —
aber seine Frau ließ sich nichts dareinreden — „und der
Franzesko" — sagte sie — „muß an sich heute abend
eine große Reise antreten; da wirst Du dem armen
Mädl, wenn Du kein Tyrann sein willst, doch noch die
halbe Stunde beisammen mit ihm in der Küche gönnen!"
Der Herr Inspektor wollte kein Tyrann sein, son-
dern gönnte dem Mädl seinen Künstler und brummte
bloß: „Du wirst schon noch sehen!"
Am Abend fand rührender Abschied statt. Der
Künstler sagte mit seiner melodischen Stiinme noch
unter der Küchentür' zur Frau Inspektor, die ihin auch
'was zugestcckt hatte: „Morgen um die Zeit ich sein
schon lanke in einer weiten, weiten anderen Welt!" . . .
Am nächsten Tag heulte natürlich die Zenta viel
und war häufig in ihrer Kammer — und die gute
Seel' von einer Inspektorin tat alles, um ihren Kummer
zu lindern und ihr die Arbeit zu erleichtern.
Gegen Abend zu, als cs in der Straße sehr still
geworden, stand die Frau Inspektor zufällig auf der
nach dem Garten gelegenen Altane, als sie plötzlich
einen halblauten Schrei ausstieß und bleichen Gesichtes
in die Küche rannte.
„Zenta! Zenta!" rief sie. „was ist denn das?!
Eben habe ich Ihren Franzesko ganz deutlich ans unserem
Hanse gehen und um die Ecke verschwinden sehen!"
Zenta schaute sie mit großen Augen an und lächelte:
„Ach, Frau Inspektor, das war ein Irrtum oder eine
Verwechslung! Franzesko ist längst über die Bergei"
„Nein! Nein!" entgegnete die Frau Inspektor im
höchsten Eifer. „Es war kein Irrtum und keine Ver-
wechslung! Es ist Ihr Franzesko gewesen, wie er leibte
und lebte... ich kenne ihn doch!"
Da blieb Zenta mit wcitaufgeriffenen unheimlichen
Augen eine Minute vor der Frau Inspektor stehen und
starrte sie an. D'rauf stieß sie einen markerschütternden
Schrei aus, warf sich auf den Küchenschemel und fing
in schrecklicher Heftigkeit zu jammern an: „G mein armer
Franzesko! Mein unglücklicher Franzesko I Er ist tot!
Er ist v e r lo r en I"
„Aber, Zenta, Zenta!" bemühte sich die Frau In-
spektor lange vergeblich um die Beruhigung des ver-
zweifelten Mädchens und suchte sie mit vernunftgrüuden
von der Unmöglichkeit ihrer Besorgnisse zu überzeugen.
„Wie kann er denn tot sein" — meinte sie dabei —
„wenn er vor fünf Minuten gesund aus dem Hause
hinausgeht?!"
Jetzt erhob sich das Mädchen mit wirr herunter-
hängenden Haaren. Halb gebückt, die Hände vor sich
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„Du red'st gar nicht von den Zigarren, die ich Dir in's Feld geschickt,
oder hast Du darauf vergessen?" — „Jawohl, liebe Kathi, vergeben und
vergessen!" _
Kindliche Besorgnis.
„Mama, ich Hab' mir in einem Kistchen Bohnen angepflanzt.
Kann mir da die Ernte beschlagnahmt werden?"
Das zweite Ges'ichr.
s5i§iic Fra» Inspektor hat von jeher eine besondere Neigung zum Mystischen,
Gruseligen und Geheimnisvolle». Abergläubisch ist sie bis „dort hinaus"
und nirgends suhlt sie sich wohler, als wenn es recht von Geistern und Ge-
spenstern, Ahnungen, „Anmeldungen" und anderen Dingen hergeht, bei
denen einem die Gänsehaut über den Rücken laust.
Mau kann sich vorstelleu, wie glücklich unter solchen Umständen die
Frau Inspektor über die Zenta ist. Die Zenta ist nämlich das neue, am
ersten April eingestandene „Kocherl". Lin schwarzes Ding init feurigen Augen
brauner lfant und einer weichen Sprache, in der etwas von fremdartigem,
südlichem Klange liegt. Weiß Gott ja auch, wo ihre Wiege gestanden hat!
Denn sie ist, wie sie in den ersten fünf Minuten erzählte, ein Findelkind —
vielleicht war ihre Mutter eine Zigeunerin und ihr Vater ein Mann von
hoher Abkunft, wer kann's wissen I Jedenfalls nahm die Romantik dieser
Tatsache sofort die Frau Inspektor vollkommen gefangen — und sie war
sehr empört darüber, als ihr Mann kalt und unromantisch, wie er schon
einmal war, meinte: „Nimm Dich nur in acht, daß Du Dir mit der schwarzen
ksex' nicht eine Laus in den Pelz gesetzt hast!"
Die Frau Inspektor war den halben Tag bei der Zenta in der Küche
und hörte der Erzählung von allerhand geheimnisvollen Ereignissen aus ihrem
Leben zu. Mehr als einmal schon war die Suppe ver-
salzen und der Braten angebrannt auf den Tisch ge-
kommen über lauter Kartenschlagen, Weissagen aus
dem Kaffeesatz, Zukunftlesen aus der ksand und anderen
ungemein interessanten und aufregenden Dingen, ksie
und da kam auch der Bräutigam der Zenta, der selber
sehr interessant ausschaute und „Künstler" war, ohne
daß die Frau Inspektor bis jetzt herausgebracht hätte,
welche der neun Musen ihn eigentlich auf die gelbe, von
mächtigen Locken umwallte Stirn geküßt hatte.
Der kserr Inspektor schüttelte immer öfter den
Kopf, teils über das verpfuschte Essen, teils über den
verschwendeten Kaffeesatz, teils über den „Künstler" —
aber seine Frau ließ sich nichts dareinreden — „und der
Franzesko" — sagte sie — „muß an sich heute abend
eine große Reise antreten; da wirst Du dem armen
Mädl, wenn Du kein Tyrann sein willst, doch noch die
halbe Stunde beisammen mit ihm in der Küche gönnen!"
Der Herr Inspektor wollte kein Tyrann sein, son-
dern gönnte dem Mädl seinen Künstler und brummte
bloß: „Du wirst schon noch sehen!"
Am Abend fand rührender Abschied statt. Der
Künstler sagte mit seiner melodischen Stiinme noch
unter der Küchentür' zur Frau Inspektor, die ihin auch
'was zugestcckt hatte: „Morgen um die Zeit ich sein
schon lanke in einer weiten, weiten anderen Welt!" . . .
Am nächsten Tag heulte natürlich die Zenta viel
und war häufig in ihrer Kammer — und die gute
Seel' von einer Inspektorin tat alles, um ihren Kummer
zu lindern und ihr die Arbeit zu erleichtern.
Gegen Abend zu, als cs in der Straße sehr still
geworden, stand die Frau Inspektor zufällig auf der
nach dem Garten gelegenen Altane, als sie plötzlich
einen halblauten Schrei ausstieß und bleichen Gesichtes
in die Küche rannte.
„Zenta! Zenta!" rief sie. „was ist denn das?!
Eben habe ich Ihren Franzesko ganz deutlich ans unserem
Hanse gehen und um die Ecke verschwinden sehen!"
Zenta schaute sie mit großen Augen an und lächelte:
„Ach, Frau Inspektor, das war ein Irrtum oder eine
Verwechslung! Franzesko ist längst über die Bergei"
„Nein! Nein!" entgegnete die Frau Inspektor im
höchsten Eifer. „Es war kein Irrtum und keine Ver-
wechslung! Es ist Ihr Franzesko gewesen, wie er leibte
und lebte... ich kenne ihn doch!"
Da blieb Zenta mit wcitaufgeriffenen unheimlichen
Augen eine Minute vor der Frau Inspektor stehen und
starrte sie an. D'rauf stieß sie einen markerschütternden
Schrei aus, warf sich auf den Küchenschemel und fing
in schrecklicher Heftigkeit zu jammern an: „G mein armer
Franzesko! Mein unglücklicher Franzesko I Er ist tot!
Er ist v e r lo r en I"
„Aber, Zenta, Zenta!" bemühte sich die Frau In-
spektor lange vergeblich um die Beruhigung des ver-
zweifelten Mädchens und suchte sie mit vernunftgrüuden
von der Unmöglichkeit ihrer Besorgnisse zu überzeugen.
„Wie kann er denn tot sein" — meinte sie dabei —
„wenn er vor fünf Minuten gesund aus dem Hause
hinausgeht?!"
Jetzt erhob sich das Mädchen mit wirr herunter-
hängenden Haaren. Halb gebückt, die Hände vor sich
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Gutmütig"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1917 - 1917
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 147.1917, Nr. 3763, S. 117
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg