Die Giganten alle lagen erschlagen
Unter der Berge unendlicher Wucht.
Nur einer hinkte zerschunden mit Plagen
Noch nach der schützenden Felsenbucht.
Dort hockte er, bockte er grimm an der Quelle,
Als sich ein Weiblein ihr lachend entwand.
Sie goss ihm die sprühende, kühlende Welle
Über die Stirne mit lindernder Hand.
Langsam verstummte sein Murren und Knurren.
Mählich behagt’ ihm die träufelnde Kur.
Und wie ein Kater mit gurrendem Schnurren
Folgt’ er mit Blicken des Mägdeleins Spur.
Sie aber, da sie ihn schmeichelnd umlistet,
Bat: „Nur. erfülle mir, Starker, ein Wort!
Immer schon hätte ich gerne genistet
Hoch in den Firnen der Felsstirnen dort.
Stammt nicht mein Quell aus den dämmernden Schlünden,
Die von den Gletschern sich stürzen zu Tal ?
Kam ich nicht selbst aus den schimmernden Gründen
Flimmernder Eiswände nieder einmal?
Trag’ mich empor zu den reineren Lüften,
Dass ich der Kindheit Geburtsland erschau’,
Dass ich als Königin über den Grüften
Herrsche im ewigen, tauenden Blau!“
Ihm zwar erzitterte heimlich die Seele,
Witternd des Donnerers splitternden Zorn.
Wund auch erschlaffte am Knie ihm die Kehle.
Aber sie drängt' ihn und lenkt’ ihn vom Born.
Also erhob er mit zagenden Händen
Strebend und bebend die schwebende Nix,
Bis sie hoch über den fallenden Wänden
Sass auf dem Eisthrone strahlenden Blicks.
Er aber lag ihr erstarrt zu den Füssen,
Fand auf dem Rücken der Berge sein Grab.
Stein unter Steinen starren und grüssen
Dort seine mächtigen Glieder herab.
Träumend zur schäumenden Wiege der Quellen
Schauen in’s Blaue die Menschen empor.
Und manchen kühnen, schnellen Gesellen
Zieht es hinauf nach der Eisblumen Flor.
Droben in schimmernden, flimmernden Graten,
Wo ihn die Stürme der Türme umweh’n,
Schaut er — ihm möge der Himmel genaden! —
Plötzlich vor Augen die Eisjungfrau steh’n.
Folgt ihren geizenden Reizen entglommen
Sinn ihm und Fuss, kehrt er nimmer zurück.
Doch ist er heil in die Täler gekommen,
Bleibt ihm ein sehrend’ Begehren im Blick.
Wilhelm Herbert.
Zuviel auf einmal.
„Da schau' her. Alte, mit was für einem Rudel Buben unser neuer Sommerfrischler anruckt!" — „Ja! Und
seine Frau mit die Madeln kommt von hinten um's Dorf 'rum!"
Jung und alt.
Jung sein, heißt warten von Tag zu Tag, j Alt sein, heißt bangen voll Angstbeschwerüe,
Was uns Las Leben noch bringen mag: Was uns Las Leben noch rauben werde. ^ s M
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Unter der Berge unendlicher Wucht.
Nur einer hinkte zerschunden mit Plagen
Noch nach der schützenden Felsenbucht.
Dort hockte er, bockte er grimm an der Quelle,
Als sich ein Weiblein ihr lachend entwand.
Sie goss ihm die sprühende, kühlende Welle
Über die Stirne mit lindernder Hand.
Langsam verstummte sein Murren und Knurren.
Mählich behagt’ ihm die träufelnde Kur.
Und wie ein Kater mit gurrendem Schnurren
Folgt’ er mit Blicken des Mägdeleins Spur.
Sie aber, da sie ihn schmeichelnd umlistet,
Bat: „Nur. erfülle mir, Starker, ein Wort!
Immer schon hätte ich gerne genistet
Hoch in den Firnen der Felsstirnen dort.
Stammt nicht mein Quell aus den dämmernden Schlünden,
Die von den Gletschern sich stürzen zu Tal ?
Kam ich nicht selbst aus den schimmernden Gründen
Flimmernder Eiswände nieder einmal?
Trag’ mich empor zu den reineren Lüften,
Dass ich der Kindheit Geburtsland erschau’,
Dass ich als Königin über den Grüften
Herrsche im ewigen, tauenden Blau!“
Ihm zwar erzitterte heimlich die Seele,
Witternd des Donnerers splitternden Zorn.
Wund auch erschlaffte am Knie ihm die Kehle.
Aber sie drängt' ihn und lenkt’ ihn vom Born.
Also erhob er mit zagenden Händen
Strebend und bebend die schwebende Nix,
Bis sie hoch über den fallenden Wänden
Sass auf dem Eisthrone strahlenden Blicks.
Er aber lag ihr erstarrt zu den Füssen,
Fand auf dem Rücken der Berge sein Grab.
Stein unter Steinen starren und grüssen
Dort seine mächtigen Glieder herab.
Träumend zur schäumenden Wiege der Quellen
Schauen in’s Blaue die Menschen empor.
Und manchen kühnen, schnellen Gesellen
Zieht es hinauf nach der Eisblumen Flor.
Droben in schimmernden, flimmernden Graten,
Wo ihn die Stürme der Türme umweh’n,
Schaut er — ihm möge der Himmel genaden! —
Plötzlich vor Augen die Eisjungfrau steh’n.
Folgt ihren geizenden Reizen entglommen
Sinn ihm und Fuss, kehrt er nimmer zurück.
Doch ist er heil in die Täler gekommen,
Bleibt ihm ein sehrend’ Begehren im Blick.
Wilhelm Herbert.
Zuviel auf einmal.
„Da schau' her. Alte, mit was für einem Rudel Buben unser neuer Sommerfrischler anruckt!" — „Ja! Und
seine Frau mit die Madeln kommt von hinten um's Dorf 'rum!"
Jung und alt.
Jung sein, heißt warten von Tag zu Tag, j Alt sein, heißt bangen voll Angstbeschwerüe,
Was uns Las Leben noch bringen mag: Was uns Las Leben noch rauben werde. ^ s M
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Zuviel auf einmal"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 149.1918, Nr. 3806, S. 7
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg