Der tNic6macher.
^Äch" sagt lferr Winslheimer und-zieht einen tiefen Schluck
aus seinen: Deckelglas — „wir sind schon wieder zurück-
gegangen. Seit acht Tagen gehen wir immer zurück. Wie soll
das noch enden?! Wie kann das überhaupt noch gut enden?!
Das muß ja schlinim enden! Und dann die Ernährung! Lassen
Sie's nur erst Winter werden I Ich seh' mich schon verhungert auf
der Straße liegen. Und gar erst die Rohstoffnot! kserrje, diese
Rohstoffnot! Zum verzweifeln ist es hergerichtet . . . ."
Er steht schwer auf, um im Nebenzimmer Salz zu den vier
harten Eiern zu holen, die er zum Abendimbiß vor sich ausgc-
breitet hat.
Schnell geht um den Stammtisch ein Raunen der Verschwörung.
Bis er zurückkehrt, ist alles wieder ruhig und im Gleichgewicht.
Die Rollen sind besetzt.
„Tun Ihnen denn die harten Eier gut, lferr Winslheimer?!"
fragt der Apotheker teilnehniend.
„Warum?" Mißtrauisch blickt er von seinem Schweppermanns-
schmaus auf.
„Ach, ich meine nur: Die harten Eier tun nicht jedem gut,
besonders am Abend!"
„Nein, nein, Apotheker, Sie haben einen anderen Grund!
lferaus mit dem wahren Grund! Sic sind ein halber Doktor!
Was haben Sie an mir auszusetzen?!"
„Ach!" mischt sich der Nberlehrcr unschuldig d'rein. „Der
Apotheker redet ja nur so. Es hat nichts zu bedeuten. Er denkt
sich ja nur bloß
„Was denkt er sich?! Beim Kuckuck, ivas denkt er sich?!"
„Nun, was wir uns alle seit einigen Tagen denken. . . ."
Ivinslheimers Augen werden immer größer und weißer. Er
legt die kfand mit deni Messer matt ans den Tisch und schaut
angsterfüllt von dem einen zum andern. „Was denkt Ihr Euch
denn alle über in i ch seit einigen Tagen?!" fragt er
niühsain — Wort für Wort — ahnungsschwer.
„Wenn Du's denn durchaus wissen willst" — brummt der
Förster — „wir denken uns, daß Du in letzter Zeit nicht gut
aus sich st und wie das noch enden soll mit Dir und daß das
überhaupt nicht mehr gut enden kann und daß das schlimm
enden muß; denn Du siehst so aus - wie sage ich nur gleich? -
nun eben, so sonderbar halt!"
„Ja!" stimmt der Thor bei. „lsalt so sonderbar!"
„So sonderbar??!!".... lserr Winslheimer steht mit
schlotternden Knien auf, tastet sich an der Stuhlreihe zum Wand
spiegel hin und schaut lange in sein eigenes verstörtes Gesicht.
„Ich — finde — nichts!" sagt er dann langsani und schwer
und vertrauenslos. „Ich schau' doch aus, wie ich sonst auch aus-
schau'l vielleicht um einen Ton blasser. Aber was liegt denn
da d'ran?! So was kommt immer und überall vor. Deswegen
macht nian einem doch nicht gleich Angst so eine lseidenangst.
Deswegen tut man doch nicht gleich, als ob eins in den nächsten
zehn Minuten sterben müßte, und verdirbt einem Appetit und
Stimmung und ksumor. Das ist abscheulich von Euch. Das ist
unverantwortlich. Das finde ich von guten Freunden geradezu ver-
räterisch . . ." Er redet sich immer mehr in lsitze und Zorn hinein.
„Spürst Du's jetzt ani eigenen Leib" — ruft da der
Förster und schlägt init der Faust auf den Tisch — „wie die
Miesmacherei tut?! Wie findest Du sie denn dann bei denen,
die sie nicht bloß fünf Minuten lang an einem einzelnen treiben,
sondern Tag für Tag und Stund' um Stund' am ganzen Volk
und ani großen lieben Vaterland?!"
Da schaut ihn der andere scheu an, schleicht um den Tisch
herum und setzt sich ganz still in seinen Winkel, vom Miesmachen
ist er geheilt für heut' wenigstens.
Kriegsjugrild.
„ Fritz, Du bist ja in der
Klasse einige Plätze 'runter-
gekommen !"
„Ach, Papa, aus etwas
Geländeverlust kommt 's doch
nicht an!"
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^Äch" sagt lferr Winslheimer und-zieht einen tiefen Schluck
aus seinen: Deckelglas — „wir sind schon wieder zurück-
gegangen. Seit acht Tagen gehen wir immer zurück. Wie soll
das noch enden?! Wie kann das überhaupt noch gut enden?!
Das muß ja schlinim enden! Und dann die Ernährung! Lassen
Sie's nur erst Winter werden I Ich seh' mich schon verhungert auf
der Straße liegen. Und gar erst die Rohstoffnot! kserrje, diese
Rohstoffnot! Zum verzweifeln ist es hergerichtet . . . ."
Er steht schwer auf, um im Nebenzimmer Salz zu den vier
harten Eiern zu holen, die er zum Abendimbiß vor sich ausgc-
breitet hat.
Schnell geht um den Stammtisch ein Raunen der Verschwörung.
Bis er zurückkehrt, ist alles wieder ruhig und im Gleichgewicht.
Die Rollen sind besetzt.
„Tun Ihnen denn die harten Eier gut, lferr Winslheimer?!"
fragt der Apotheker teilnehniend.
„Warum?" Mißtrauisch blickt er von seinem Schweppermanns-
schmaus auf.
„Ach, ich meine nur: Die harten Eier tun nicht jedem gut,
besonders am Abend!"
„Nein, nein, Apotheker, Sie haben einen anderen Grund!
lferaus mit dem wahren Grund! Sic sind ein halber Doktor!
Was haben Sie an mir auszusetzen?!"
„Ach!" mischt sich der Nberlehrcr unschuldig d'rein. „Der
Apotheker redet ja nur so. Es hat nichts zu bedeuten. Er denkt
sich ja nur bloß
„Was denkt er sich?! Beim Kuckuck, ivas denkt er sich?!"
„Nun, was wir uns alle seit einigen Tagen denken. . . ."
Ivinslheimers Augen werden immer größer und weißer. Er
legt die kfand mit deni Messer matt ans den Tisch und schaut
angsterfüllt von dem einen zum andern. „Was denkt Ihr Euch
denn alle über in i ch seit einigen Tagen?!" fragt er
niühsain — Wort für Wort — ahnungsschwer.
„Wenn Du's denn durchaus wissen willst" — brummt der
Förster — „wir denken uns, daß Du in letzter Zeit nicht gut
aus sich st und wie das noch enden soll mit Dir und daß das
überhaupt nicht mehr gut enden kann und daß das schlimm
enden muß; denn Du siehst so aus - wie sage ich nur gleich? -
nun eben, so sonderbar halt!"
„Ja!" stimmt der Thor bei. „lsalt so sonderbar!"
„So sonderbar??!!".... lserr Winslheimer steht mit
schlotternden Knien auf, tastet sich an der Stuhlreihe zum Wand
spiegel hin und schaut lange in sein eigenes verstörtes Gesicht.
„Ich — finde — nichts!" sagt er dann langsani und schwer
und vertrauenslos. „Ich schau' doch aus, wie ich sonst auch aus-
schau'l vielleicht um einen Ton blasser. Aber was liegt denn
da d'ran?! So was kommt immer und überall vor. Deswegen
macht nian einem doch nicht gleich Angst so eine lseidenangst.
Deswegen tut man doch nicht gleich, als ob eins in den nächsten
zehn Minuten sterben müßte, und verdirbt einem Appetit und
Stimmung und ksumor. Das ist abscheulich von Euch. Das ist
unverantwortlich. Das finde ich von guten Freunden geradezu ver-
räterisch . . ." Er redet sich immer mehr in lsitze und Zorn hinein.
„Spürst Du's jetzt ani eigenen Leib" — ruft da der
Förster und schlägt init der Faust auf den Tisch — „wie die
Miesmacherei tut?! Wie findest Du sie denn dann bei denen,
die sie nicht bloß fünf Minuten lang an einem einzelnen treiben,
sondern Tag für Tag und Stund' um Stund' am ganzen Volk
und ani großen lieben Vaterland?!"
Da schaut ihn der andere scheu an, schleicht um den Tisch
herum und setzt sich ganz still in seinen Winkel, vom Miesmachen
ist er geheilt für heut' wenigstens.
Kriegsjugrild.
„ Fritz, Du bist ja in der
Klasse einige Plätze 'runter-
gekommen !"
„Ach, Papa, aus etwas
Geländeverlust kommt 's doch
nicht an!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Kriegsjugend"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1918 - 1918
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 149.1918, Nr. 3820, S. 149
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg