brachtes Ehewerben mit dem Hund vor den Zaun hetzte, da blieb
dem armen Schrciberlein nichts anderes mehr übrig, als das; eben
auch er seine Zuflucht zu der geheimnisvollen Wunschmacht in der
Eiche nahm. Er schrieb sein herzbe-
gehren sein säuberlich auf ein rosenge-
rändertes Stück Papier, faltete es kunst-
voll und setzte noch mit besonderer
Schnörkelschrist die Adresse daraus: „An
Seine hochwohlgeboren den Herrn
Waldwunschzauberer im Eichensxalt."
Dann zog er den Leiertagsfrack an,
stülpte den langen Zylinder über die
Dhren, streifte die weißen Handschuhe
an die Linger, steckte eine brennrote
Nelke in's Knopfloch und vertraute, so
angetan, in stiller Mitternacht seinen
Schmerz dein rettenden Baume. Der
Nachtwächter, der ihn davon heinikom-
men sah, erzählte überall, der Schreiber
sei übergeschnappt; der aber kümmerte sich nicht um der Leute
Geschau, sondern sah hoffnungsfreudig in die nächste Zukunft und
geigte allabends zum Lenster hinaus.
Und steh
da, nicht lang
darauf stel der
Großbauer
von der Tenne,
wurde bettlä-
gerig und be-
kam in den
schwülen Kis-
sen bei war-
men Umschlä-
gen ein so wei-
ches Gemüt,
daß er den
Lreier und sein
eigen Kind vor
sich kommen
ließ und sie ge-
rührt zusam-
mengab. Da
konnte der glückliche Bräutigam natürlich sein volles Herz nicht
allzulang verschließen, sondern verriet, was er Geheimes unter-
nommen, seiner Liebsten. Eie hinwiederum sagte es in der Kien«
spanplauschstnnde einigen Spinnradfreundinnen. So kam's herum.
Seitdem wunderten Hunderte und Tausende hinaus und warfen
ihre Zettel, ja. manche ellenlange Bogen und förmliche Bücher in
den Spalt der Eiche, um vergnügten Sinnes, hoffnungsfreudig und
tatenfroh zurückzukehren. Mütter hoben ihre kleinen Kinder hinauf.
verlegene, Trübselige, hochmü-
tige kamen, schauten sich noch
einmal scheu um und ließen
schnell ihr Papier in denk Spalt
verschwinden.
Mit einem Wort, .auf dem
breiten Marmortisch, der tief int
Erdinnern in einem großen Saale
stand, regnete es den ganzen Tag
Wünsche hernieder vor dem ur-
alten Zwerg, der dort saß und
all das aufnahm, was aus der Höhlung der alten Wettereiche zu
ihm herabfiel. Gft lächelte er. Manchmal legte er die Hand über
die Angen. hin und wieder aber auch, wenn ihm ein besonders
gieriger oder gehässiger Wunsch vor's
Gesicht kam, schlug er mit der Laust
dröhnend auf den Tisch.
Immer aber ivieder fand der Alte
bald den tausendjährigen Gleichmut.
Sooft sich ein Berg von Wünschen
vor ihm aufgetürmt hatte, trug er sic
seelenruhig nach einem großen Leuer,
das ini Hintergründe brannte. Dort
zerflatterten sie alle schnell in Rauch
und Asche, die ein kräftiger Lufthauch
nach oben trieb.
Wohin sie aber flogen, da blühten
auf Erden die seltsamsten Blumen auf,
an denen die Menschen ihre Lust hatten,
nicht ahnend, daß es ihre eigenen heißen
und törichten, stillen und lauten, großen und kleinen Wünsche waren,
an deren blütengewordener Seele sie sich nun erfreuten.
Welchen von all den Millionen Wünschen aber hat wohl der
Alte unten im
Berginnern
wirklich einnial
erfüllt?!-
Bis heute nicht
einen einzi-
gen. . . —
Danach fragte
aber auch nie-
mand den an-
dern, kaum
einer sich selbst
je einmal. Ge-
nügt es den
Menschen doch
schon, zu be-
gehren und zu
erwarten.
Weiter forscht
ihr leichter
Sinn nicht. Denn ihr ganzes Leben ist ja nur ein Wünschen
Und Hoffen. .. . Wilhelm Herbert.
i <;;s
7’
dem armen Schrciberlein nichts anderes mehr übrig, als das; eben
auch er seine Zuflucht zu der geheimnisvollen Wunschmacht in der
Eiche nahm. Er schrieb sein herzbe-
gehren sein säuberlich auf ein rosenge-
rändertes Stück Papier, faltete es kunst-
voll und setzte noch mit besonderer
Schnörkelschrist die Adresse daraus: „An
Seine hochwohlgeboren den Herrn
Waldwunschzauberer im Eichensxalt."
Dann zog er den Leiertagsfrack an,
stülpte den langen Zylinder über die
Dhren, streifte die weißen Handschuhe
an die Linger, steckte eine brennrote
Nelke in's Knopfloch und vertraute, so
angetan, in stiller Mitternacht seinen
Schmerz dein rettenden Baume. Der
Nachtwächter, der ihn davon heinikom-
men sah, erzählte überall, der Schreiber
sei übergeschnappt; der aber kümmerte sich nicht um der Leute
Geschau, sondern sah hoffnungsfreudig in die nächste Zukunft und
geigte allabends zum Lenster hinaus.
Und steh
da, nicht lang
darauf stel der
Großbauer
von der Tenne,
wurde bettlä-
gerig und be-
kam in den
schwülen Kis-
sen bei war-
men Umschlä-
gen ein so wei-
ches Gemüt,
daß er den
Lreier und sein
eigen Kind vor
sich kommen
ließ und sie ge-
rührt zusam-
mengab. Da
konnte der glückliche Bräutigam natürlich sein volles Herz nicht
allzulang verschließen, sondern verriet, was er Geheimes unter-
nommen, seiner Liebsten. Eie hinwiederum sagte es in der Kien«
spanplauschstnnde einigen Spinnradfreundinnen. So kam's herum.
Seitdem wunderten Hunderte und Tausende hinaus und warfen
ihre Zettel, ja. manche ellenlange Bogen und förmliche Bücher in
den Spalt der Eiche, um vergnügten Sinnes, hoffnungsfreudig und
tatenfroh zurückzukehren. Mütter hoben ihre kleinen Kinder hinauf.
verlegene, Trübselige, hochmü-
tige kamen, schauten sich noch
einmal scheu um und ließen
schnell ihr Papier in denk Spalt
verschwinden.
Mit einem Wort, .auf dem
breiten Marmortisch, der tief int
Erdinnern in einem großen Saale
stand, regnete es den ganzen Tag
Wünsche hernieder vor dem ur-
alten Zwerg, der dort saß und
all das aufnahm, was aus der Höhlung der alten Wettereiche zu
ihm herabfiel. Gft lächelte er. Manchmal legte er die Hand über
die Angen. hin und wieder aber auch, wenn ihm ein besonders
gieriger oder gehässiger Wunsch vor's
Gesicht kam, schlug er mit der Laust
dröhnend auf den Tisch.
Immer aber ivieder fand der Alte
bald den tausendjährigen Gleichmut.
Sooft sich ein Berg von Wünschen
vor ihm aufgetürmt hatte, trug er sic
seelenruhig nach einem großen Leuer,
das ini Hintergründe brannte. Dort
zerflatterten sie alle schnell in Rauch
und Asche, die ein kräftiger Lufthauch
nach oben trieb.
Wohin sie aber flogen, da blühten
auf Erden die seltsamsten Blumen auf,
an denen die Menschen ihre Lust hatten,
nicht ahnend, daß es ihre eigenen heißen
und törichten, stillen und lauten, großen und kleinen Wünsche waren,
an deren blütengewordener Seele sie sich nun erfreuten.
Welchen von all den Millionen Wünschen aber hat wohl der
Alte unten im
Berginnern
wirklich einnial
erfüllt?!-
Bis heute nicht
einen einzi-
gen. . . —
Danach fragte
aber auch nie-
mand den an-
dern, kaum
einer sich selbst
je einmal. Ge-
nügt es den
Menschen doch
schon, zu be-
gehren und zu
erwarten.
Weiter forscht
ihr leichter
Sinn nicht. Denn ihr ganzes Leben ist ja nur ein Wünschen
Und Hoffen. .. . Wilhelm Herbert.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Wunscheiche"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1918 - 1918
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 149.1918, Nr. 3822, S. 163
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg