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Der 1Verrlauf.

j Is bei der Hochzeit des Herzogs die Wettkämpfer zum Schnell-
lauf antratcn, gab es ein großes Gaudium; denn es mel-
deten sich nur ihrer zwei — und die hätten die Spatzen
nicht schöner Zusammentragen können. Der eine nänilich war lang
und dürr, schier nichts wie Haut und Knochen — der andere aber
unmäßig klein, dazu mit einem Höcker auf dem Rücken, der seine
Gestalt noch weiter zu verkürzen schien,

Nieniand jedoch, der ihm in's Auge gesehen, wagte es, ihn
auszulachen; denn in seinem Blick brannte ein heißes Feuer, mit
deni er an dem holden Antlitz der Frau Herzogin hing, Jedem
deuchte es, daß er gerne den letzten Atemzug darum geben würde,
ihr zu gefallen und auch etwas zu Ruhm und Preis des festes bei-
zutragen.

Aber wie sollte denn der kurzbeinige Knirps cs mit deni langen
Windbeutel aufnehmen können?! Daß er indes so viel Mut und
Eifer hatte, gefiel dem Volke baß und lauter Jubel erscholl, als
nun die Frau Herzogin sich freundlich herabneigte und dem Kleinen
ihren Gürtel reichte, den er zu Ehren ihrer Farben tragen sollte.
Des Herzogs Mutter aber ernannte den Langen zu ihren: Kämpfer
und kleidete ihn in ihre Lieblingsfarben,

Da bestimmte der Herzog, daß die zwei Streiter in das Lust-
schlößchen „Dianenrast" laufen und dort der Herzogin Riechfläschchen
holen sollten, das sie gestern bei der Jagd in dem Muschelpavillon
liegen lassen — wer damit als erster zurückkäme, würde zu ihrem
Schnelläufer ernannt werden.

auf freiem Feld angelangt war. Dort freilich, nur noch von ein
paar Krähen und einen: Häslein belauscht, brach er nun erschöpft
zusamn:en und warf sich in's Gras, bitterlich weinend, daß ihn die
Natur so ungnädig bedacht hatte und er nun seiner Beschützerin
llnchre bringen sollte, so sehr er sie verehrte.

Die Trompeten schmetterten. Unter lautem Zuruf der Menge
setzte sich das ungleiche Paar in Bewegung, wenn schon der Aus-
gang jeden: sicher sein mußte, rief doch alles dem Kleinen „Heilt"
zu und die Frau Herzogin lächelte freundlich, als er noch einmal
heißen Blickes zu ihr enrporschaute.

Nun stürmten sie los. Bald war der Lange in einer Staub-
wolke in der Ferne verschwunden. Der Kleine aber blieb schnell
weit zurück. Manch' Wort der Aufmunterung und des Mitleids
erklang, wie er so rannte und rannte nnd konnte cs doch dem Großen
nicht gleichtun. „Daß er trotzdem nit ausläßt, will mir wohl
gefallen von ihm!" sagten die Männer und noch mehr die Frauen;
denn jeder und jede hätte ihm gerne gegönnt, was doch nicht sein
konnte.

Sein Ehrgeiz ließ ihn indessen, obwohl ihn die Beine nicht
mehr tragen wollten und seine Brust keuchte, nicht ruhen und nicht
rasten, bis auch er den Blicken der Menge entschwunden mrd draußen

Er nahm dei: Gürtel, den er un: die Schulter geschlungen,
herab, liebkoste ihn und klagte ihm sein Leid, Da — wie er so
init der kleinen zitternden Hand drüber herfuhr, griff er etwas,
das in den Falten verborgen war.

wie er aber näher zusah, war es nichts anderes als der Frau
Herzogin goldenes, mit Edelgestein besetztes Riechfläschchen, um das
gerade der wettlauf ging, . , ,

Hatte sie es dort vergessen und gen:ci::t, daß sie es in: Jagd-
haus liegenlassen?! — GLer war cs an: Ende gar, wie nun den:
Kleinen durch das schwindelnde Hirn schoß, ihre gutmeinend listige
Absicht gewesen, daß auf diese weise er den Preis gewinnen und
den Sieg davontragen sollte?!

Hei, wie ihn: 'das Blut zun: Herzen stürmte und wie es in
seiner Seele aufjauchzte!

Nichts brauchte er weiter zu tun, als nun zurückzurennen und
das Kleinod in den Händen zu schwingen. Mit brausendem Jubel
würde er empfangen werden und als der Herzogin Schnelläufer
ein Leben führen in Freude und Wonne.

Schon wollte, er aufspringen und davonrcnncn. Da hielt er
an und verwarf in seinem wackeren, nicht mit verkrümmten Herzen
den jähen jubelnden Gedanken, wär's denn ehrlich gewesen und
hätt's ihm denn Glück bringen können und dauernden Gewinn!

Nein, den: anderen gehörte das Fläschchen und auf ihn
wollte er warten und es ihn: geben, wenn auch brechenden Herzens.

Trübselig saß er da und harrte, bis endlich der Lange ver-
drossen und mit brennroten: Kopfe zurückkam, „BruderI" rief er
schon von weitem, „Sei froh, daß Du nicht mitgesaust bistI Nichts
Hab' ich gefunden — gefoppt haben sie mich und verlacht wcrd'
ich trotz meiner flinkeren Beine!"

„wirst nit verlacht!" sagte da der Kleine treuherzig und gab
ihm den Preis, Der wollt's nicht glauben und nehmen und verdrehte
die Augen, bis der Schwächere erzählt, wie alles sich zugetragen.

Einen Augenblick stutzte der Lange, „was?I" rief er dann,
„Und Du Stockesel hast nit gleich die Beine auf den Rücken

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Wettlauf"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Verschlagwortung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Storch, Carl
Entstehungsdatum
um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Weltkrieg <1914-1918>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Fliegende Blätter, 149.1918, Nr. 3831, S. 235

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