ISO
Wenn ich den Kerl
des Schützenfestes zwei Pfennige Brückengeld hinüber, zwei
Pfennige herüber, in summ» vier Pfennige zu ersparen, wo-
durch die auf die Gesundheit des Landesvaters gereichten thenern
und saueren Getränke doch wenigstens von der sonst fatalen
Nebensteucr entlastet sind. Nach neun Uhr des Abends hört
jedoch jene Begünstigung auf und die Gäste und Schwärmer,
welche sich bis nach dieser Stunde verweilen oder verspäten, zahlen
wieder ihre zwei Pfennige Passantengeld und das von Rechtswegen.
Zu diesen gehörte unter Andern auch Meister Klöpflein,
seines Zeichens ein 'Blechschmicd, welcher nun den bis zu zwei
Pfennigen reduzirten Skonto-Profit aus die genossene Gesammt-
masse zu vertheilen hatte. Er mochte übrigens des Guten
etwas Biel gethan haben, denn unterwegs wollte es ihn mehr-
mals bedünken, daß die Verdielung der Brücke gar zu hol-
perich sei und ehestens einer Reparatur bedürfe. Am Zoll-
häuschen, wo es bergan geht, nun gar, da hätte der lustige
Blechschmied einmal beinahe die Balance verloren. „Ich bin
doch nicht schwach auf den Füßen," murmelte er und stieß
dabei mit dem rechten ärgerlich an den vermeinten Stein
des letzten Anstoßes. Aber siehe, — da blinkt ja etwas
wie Silber auf dem Boden — und mit einer ziemlichen
Neigung nach vorne, bückte sich Klöpflein zur Erde und hob
mit schwankendem Körper-Gleichgewicht eine Brieftasche, zier-
lich in gepreßten Saffian gebunden mit einer blanken Gar-
nitur von polirtem Stahl, aus dem Staube empor. Es
mag des Aufhebens immerhin werth sein, überdachte kaltblütig
der Reichsstädler de ante, steckte den Fund in die Rocktasche,
zahlte das Brückengeld mit den gleich einer Prise schon parad-
gehaltenen zwei Pfennigen und wankte wohlgemuth nach seinem
Hause, dem alten Erbsitz vom Urgroßvater bis herunter auf
Bater und Sohn.
Darin, in der schmucklos weiß getünchten großen Stube
des ersten Stockes, mit den nach altem Baustyl parallel durch-
laufenden Balkcu an der hochgesprengten Decke, saß im leder-
gepolsterten Sorgestuhl, den Schemel unter den Füßen und
den knurrenden greisen Kater „Miezchen" auf dem Schooße,
die eheleibliche Hälfte Klöpfleins in behaglicher Ruhe, die
einsamen Stunden sich mit andächtiger Durchforschung des
christlichen Hauskalenders für Zeit und Ewigkeit verkürzend.
Um ihr beim Eintritte in die Wohnstube das erste Wort,
welchem in der Regel auch das letzte zu folgen pflegte, und
überhaupt, um ihr den Faden zum Textlesen über langes Aus-
bleiben von vorneherein abzuschneiden, öffnete Klöpflein die
Thüre und schickte seiner Person die Worte „Frau, einen
Fund!" voraus, indem er die Brieftasche gleichsam alsFriedens-
Parlamentär seiner Lebensgefährtin entgegenhielt.
„Einen Fund?" entgegnete die Alte, — „das wird mir wohl
was Rechtes sein, denn was du schon all dein Lebtag gefunden
hast, das hebt kein Anderer auf! Laß einmal sehen deu Plun-
der da." — Das Gewitter war wenigstens glücklich abgeleitet,
dieweil der Magnet des Vorwitzes und der Neugierde ebensogut
seine Anziehungskraft für die sonst sehr ehrbare Frau Klöps-
lein hatte, wie für alle andern Eva's-Töchter im Allgemeinen.
Ohne Zögern wurde zur Obduction der ledernen Tasche ge-
nur noch einmal hätt'.
schritten; doch wer malte wohl Ueberraschung, Erstaunen
und Freude, welche sich aus dem spitzenumrahmten Antlitze
der Alten zugleich ausprägten!
„Seh' ich denn recht? — da drinn ist ja ein ganzer Schatz
von fünfzig Thaler-Scheinen, die ungezählt wenigstens ein
paar Tausend zusammen ausmachen und hier ist noch gar
ein Banknote, allein von fünftausend Thalern! — Um Gottes-
willen, Mann, ich weiß gar nicht, was ich zu deinem großen
Glücke sagen soll!"
„Nun, es wird sich schon Jemand als Eigenthümer darum
melden und wenn nicht, so bringe ich morgen die ganze Be-
scheerung ans die Polizei und lasse die Sache in der Zeit-
ung ansschreiben." — Diese einfachen trockenen Worte klangen
wie Donnerschlag bei heiterem Himmel in den Ohren der
wonneberauschten Hausfrau und weg waren mit einem Male
all die träumerischen glücklichen Phantasieen, die sich ohne
Ausprägung vor ihrer freudestrahlenden Stirne gesammelt
und als Nebelbilder aufgestiegen, sich so schnell wieder ver-
ziehen mußten. Obgleich durch den momentanen Glücksschwindel
noch etwas verblüfft, so meinte sie zuletzt doch auch, daß
man nach christlichem Sinne wohl nicht anders handeln könne,
deckte den Tisch und servirte eine kalte, ziemlich frugale Küche,
welche gegen den Gemahl als theilweise Strafe für unzeitiges
Ausbleiben schon vorher erkannt, nunmehr in ganzer Strenge
zur Anwendung kam, um den Verdruß doch in etwas aus-
lassen zu können. — Klöpflein blieb darüber beruhigt; er
hatte sich ja auf dem Feste nichts abgehen lassen, stellte sich
daher mit Allem vollkommen zufrieden, um jeden Anstoß zu
vermeiden und war innerlich seelenerfreut, daß er die ver-
muthete und sicher zugedachte Strafpredigt so listig zu Wasser
gemacht habe und sich nun harmlos zur Ruhe begeben könne.
Er hatte kaum die müden Glieder zu Bette gelegt, als er
durch einen gewaltigen Lärm, welcher an seiner eigenen Haus-
thüre erregt zu werden schien, aus dem ersten Schlummer ge-
schreckt wurde. In Schlafrock und Pantoffel der Revolution
entgegen tretend, eilt er zum Fenster und gewahrt durch dieses
unten an seinem Hause in Begleitung zweier Polizeimänner
einen Fremden, welcher in barschem und brutalen Tone Einlaß
begehrte. — Klöpflein, welcher nebenbei auch den Code civil
im Kopfe trug, verbat sich jede weitere Störung seiner und der
Nachbarschaft Ruhe und, ohne das eigentliche Begehren des
Fremdlings auch nur im Entferntesten zu erfragen, warf er
das Fenster zu, nachdem er vorher noch die kategorische End-
bemerkung hinuntergerufen hatte: „wer etwas mit mir zu
verhandeln hat, der komme morgen früh nach sechs Uhr,
wenn es Tag ist."
Damit war die Sache für den Augenblick freilich abgethan.
Die beiden Polizisten suchten dem sich fast närrisch gebahrcnden
Fremden begreiflich zu machen, daß nach den bestehenden Landcs-
gesetzen das Haus eines unbescholtenen Bürgers als ein Asyl
respcktirt werden müsse, welches zu keiner Zeit in der Nacht
durch die bewaffnete Macht mit Gewalt betreten werden dürfe
und daß von den wenigen Ausnahmsfällen hier keiner in An-
Wenn ich den Kerl
des Schützenfestes zwei Pfennige Brückengeld hinüber, zwei
Pfennige herüber, in summ» vier Pfennige zu ersparen, wo-
durch die auf die Gesundheit des Landesvaters gereichten thenern
und saueren Getränke doch wenigstens von der sonst fatalen
Nebensteucr entlastet sind. Nach neun Uhr des Abends hört
jedoch jene Begünstigung auf und die Gäste und Schwärmer,
welche sich bis nach dieser Stunde verweilen oder verspäten, zahlen
wieder ihre zwei Pfennige Passantengeld und das von Rechtswegen.
Zu diesen gehörte unter Andern auch Meister Klöpflein,
seines Zeichens ein 'Blechschmicd, welcher nun den bis zu zwei
Pfennigen reduzirten Skonto-Profit aus die genossene Gesammt-
masse zu vertheilen hatte. Er mochte übrigens des Guten
etwas Biel gethan haben, denn unterwegs wollte es ihn mehr-
mals bedünken, daß die Verdielung der Brücke gar zu hol-
perich sei und ehestens einer Reparatur bedürfe. Am Zoll-
häuschen, wo es bergan geht, nun gar, da hätte der lustige
Blechschmied einmal beinahe die Balance verloren. „Ich bin
doch nicht schwach auf den Füßen," murmelte er und stieß
dabei mit dem rechten ärgerlich an den vermeinten Stein
des letzten Anstoßes. Aber siehe, — da blinkt ja etwas
wie Silber auf dem Boden — und mit einer ziemlichen
Neigung nach vorne, bückte sich Klöpflein zur Erde und hob
mit schwankendem Körper-Gleichgewicht eine Brieftasche, zier-
lich in gepreßten Saffian gebunden mit einer blanken Gar-
nitur von polirtem Stahl, aus dem Staube empor. Es
mag des Aufhebens immerhin werth sein, überdachte kaltblütig
der Reichsstädler de ante, steckte den Fund in die Rocktasche,
zahlte das Brückengeld mit den gleich einer Prise schon parad-
gehaltenen zwei Pfennigen und wankte wohlgemuth nach seinem
Hause, dem alten Erbsitz vom Urgroßvater bis herunter auf
Bater und Sohn.
Darin, in der schmucklos weiß getünchten großen Stube
des ersten Stockes, mit den nach altem Baustyl parallel durch-
laufenden Balkcu an der hochgesprengten Decke, saß im leder-
gepolsterten Sorgestuhl, den Schemel unter den Füßen und
den knurrenden greisen Kater „Miezchen" auf dem Schooße,
die eheleibliche Hälfte Klöpfleins in behaglicher Ruhe, die
einsamen Stunden sich mit andächtiger Durchforschung des
christlichen Hauskalenders für Zeit und Ewigkeit verkürzend.
Um ihr beim Eintritte in die Wohnstube das erste Wort,
welchem in der Regel auch das letzte zu folgen pflegte, und
überhaupt, um ihr den Faden zum Textlesen über langes Aus-
bleiben von vorneherein abzuschneiden, öffnete Klöpflein die
Thüre und schickte seiner Person die Worte „Frau, einen
Fund!" voraus, indem er die Brieftasche gleichsam alsFriedens-
Parlamentär seiner Lebensgefährtin entgegenhielt.
„Einen Fund?" entgegnete die Alte, — „das wird mir wohl
was Rechtes sein, denn was du schon all dein Lebtag gefunden
hast, das hebt kein Anderer auf! Laß einmal sehen deu Plun-
der da." — Das Gewitter war wenigstens glücklich abgeleitet,
dieweil der Magnet des Vorwitzes und der Neugierde ebensogut
seine Anziehungskraft für die sonst sehr ehrbare Frau Klöps-
lein hatte, wie für alle andern Eva's-Töchter im Allgemeinen.
Ohne Zögern wurde zur Obduction der ledernen Tasche ge-
nur noch einmal hätt'.
schritten; doch wer malte wohl Ueberraschung, Erstaunen
und Freude, welche sich aus dem spitzenumrahmten Antlitze
der Alten zugleich ausprägten!
„Seh' ich denn recht? — da drinn ist ja ein ganzer Schatz
von fünfzig Thaler-Scheinen, die ungezählt wenigstens ein
paar Tausend zusammen ausmachen und hier ist noch gar
ein Banknote, allein von fünftausend Thalern! — Um Gottes-
willen, Mann, ich weiß gar nicht, was ich zu deinem großen
Glücke sagen soll!"
„Nun, es wird sich schon Jemand als Eigenthümer darum
melden und wenn nicht, so bringe ich morgen die ganze Be-
scheerung ans die Polizei und lasse die Sache in der Zeit-
ung ansschreiben." — Diese einfachen trockenen Worte klangen
wie Donnerschlag bei heiterem Himmel in den Ohren der
wonneberauschten Hausfrau und weg waren mit einem Male
all die träumerischen glücklichen Phantasieen, die sich ohne
Ausprägung vor ihrer freudestrahlenden Stirne gesammelt
und als Nebelbilder aufgestiegen, sich so schnell wieder ver-
ziehen mußten. Obgleich durch den momentanen Glücksschwindel
noch etwas verblüfft, so meinte sie zuletzt doch auch, daß
man nach christlichem Sinne wohl nicht anders handeln könne,
deckte den Tisch und servirte eine kalte, ziemlich frugale Küche,
welche gegen den Gemahl als theilweise Strafe für unzeitiges
Ausbleiben schon vorher erkannt, nunmehr in ganzer Strenge
zur Anwendung kam, um den Verdruß doch in etwas aus-
lassen zu können. — Klöpflein blieb darüber beruhigt; er
hatte sich ja auf dem Feste nichts abgehen lassen, stellte sich
daher mit Allem vollkommen zufrieden, um jeden Anstoß zu
vermeiden und war innerlich seelenerfreut, daß er die ver-
muthete und sicher zugedachte Strafpredigt so listig zu Wasser
gemacht habe und sich nun harmlos zur Ruhe begeben könne.
Er hatte kaum die müden Glieder zu Bette gelegt, als er
durch einen gewaltigen Lärm, welcher an seiner eigenen Haus-
thüre erregt zu werden schien, aus dem ersten Schlummer ge-
schreckt wurde. In Schlafrock und Pantoffel der Revolution
entgegen tretend, eilt er zum Fenster und gewahrt durch dieses
unten an seinem Hause in Begleitung zweier Polizeimänner
einen Fremden, welcher in barschem und brutalen Tone Einlaß
begehrte. — Klöpflein, welcher nebenbei auch den Code civil
im Kopfe trug, verbat sich jede weitere Störung seiner und der
Nachbarschaft Ruhe und, ohne das eigentliche Begehren des
Fremdlings auch nur im Entferntesten zu erfragen, warf er
das Fenster zu, nachdem er vorher noch die kategorische End-
bemerkung hinuntergerufen hatte: „wer etwas mit mir zu
verhandeln hat, der komme morgen früh nach sechs Uhr,
wenn es Tag ist."
Damit war die Sache für den Augenblick freilich abgethan.
Die beiden Polizisten suchten dem sich fast närrisch gebahrcnden
Fremden begreiflich zu machen, daß nach den bestehenden Landcs-
gesetzen das Haus eines unbescholtenen Bürgers als ein Asyl
respcktirt werden müsse, welches zu keiner Zeit in der Nacht
durch die bewaffnete Macht mit Gewalt betreten werden dürfe
und daß von den wenigen Ausnahmsfällen hier keiner in An-