Wadj, die der Rauch seiner Zigarre in die Dämmerung wob. „Nicht
nur wie ein Scheiterhaufen. <Ls ist wirklich ein Scheiterhaufen,
^örst Du den dumpfen Ton der merkwürdigen indischen Instrumente,
die den Trauerzug begleiten, der da langsam herannaht. Klageweiber
schreiten hinter den Musikanten, raufen sich das Haar, schlagen sich
die Brust und stngen seltsame schwermütige Weisen. Jetzt kommt
die ganze Verwandtschaft des verstorbenen Gatten und dann auch
lene der jungen schönen Witwe. (!) Mahalatta, wie schön bist Du I
„Wie schön bist Du, o Mahalatta I" seufzte nun auch Fritz.
„Sieh' sie Dir genau an!" fuhr Karl fort. „Sie ist erst sechzehn
Jahre alt und soll nun schon sterben nach der grausamen Sitte der
Inder, die es nicht zuläßt, daß die Witwe den Gatten überlebt.
Die weiße Seide, die ihren schlanken nußbraunen Körper umhüllt,
i^t nicht weicher als die Samthaut darunter. Tin elektrisches Knistern
geht von ihren blauschwarzen Socken aus. Wenn sie die müden Augen
Zn einem kurzen Abschiedsblick nach den Palmen und nach dem
leuchtenden Himmel öffnet, dann zuckt es wie ein Blitz über die
Welt hin, der die Sonne verdunkelt. . ."
„© Mahalatta!" seufzte Fritz.
„Jetzt" — fuhr Karl fort — „jetzt ist sie an dem Scheiterhaufen
augekommen. Jetzt nimmt sie Abschied von ihren Angehörigen und
'hre Mutter drückt ihr sanft und stolz einen Kranz von Lotosblumen
auf das duftende Haar. Nun heben ihre zwei Brüder sie auf den
Scheiterhaufen. Nun kauert sie sich nieder und alle verwandten
häufen wohlriechendes Holz und Geschenke um sie her. Ihre
Granatlippen murmeln sehnsüchtige Gebete und ihre verklärten
Augen öffnen die Pforten des Gartens der Houris, in denen ihr
Gatte wandelt und sehnsüchtig die Arme nach ihr ausstreckt. . ."
„0 Mahalatta I" flüsterte Fritz und stöhnte leise.
Das Zündholz krachte in seinen letzten sterbenden Windungen.
„Hörst Du die Flammen zischen? Siehst Du sie züngeln? Nun
fassen sie das seidene Gewand, nun berühren sie den köstlichen
Körper. Noch einmal schrecken sie zurück wie vor einem verbrechen.
Aber die keckste unter ihnen greift nach der Seide und schlingt sich
daran empor. Andere folgen ihr zu einer glühenden Umarmung der
herrlichen Witwe. Jetzt ist sic ganz in Rauch und Flammen cin-
gehüllt. Lauter tönen die Gebete der Klageweiber. Groller klingen
die pfeifen und Trommeln. Das Feuer brandet und loht, prasselt
und kracht und jauchzt in wollüstigem Rausch . . . o Mahalatta!"
„(D Mahalatta!" flüsterte Fritz.
Das Zündholz bog sich und stürzte zwischen dem Gitter in den
Grund.
„Es ist vorüber." murmelte Karl und erhob sich. „Der
Scheiterhaufen ist eingesunken. Ihre Seele schwebt empor zu dem
sehnenden Gatten . . ."
Leise kräuselte sich der letzte Rauch über dem Gitter.
„Leb' wohl, Mahalatta!" sprach Karl und drehte sich um:
„Pikkolo, meinen Überzieher!" Wilhelm herben.
Wirdrrsehrn.
NN Däumiein gleich im Märchen, Das anDrrr ßlättrr
wollt',
Tragen dir Micken allr Mättlrin von lichtem Gold.
Des Ahorns Kronen drrnnrn in fcharlachfarbrner Glut.
In roten Wildwrinfluten verströmt des Sommers iDlut.
® fchönheitstrunkrnrs Sterben, soweit das jstuge schweift!
Der Wind in leisem Schauern die Mätirr nirdrrstrrift.
lim Sinken noch orrhauchrn sie letzten, herben Duft.
Ulrich lichten Schmetterlingen durchgaukeln sie dir Luft.
Anter dem goldenen Liegen geh'n wir durchs stille Land
Aach einmal Seit' an Seite, noch einmal Hand in Hand.
Kühl schon die Lüfte wehen. Dag Abendrot verglimmt —
Mag frommt rinWirüersrhen, wenn allrsAbfchieü nimmt!
Sind das dieselben Megr, dir einst mit dir ich ging,
Da noch drin Ing' mir lachte, drin Arm mich heih umfing?
Mas frommt rin Wiedersehen — herbst ward's im Leben
auch.
Kurz Glück und langes Grämen — das ist der Liebe Krauch.
Dahin des Lebens Krone! An deiner Seite hin
Schreit' ich — eine entthronte, trauernde Königin.
Still lösen sich dir Hände — der Klick bleibt kühl und klar.
Das Märchen ging zu Ende. — Ls war einmal — es war!
T. Firfn.
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nur wie ein Scheiterhaufen. <Ls ist wirklich ein Scheiterhaufen,
^örst Du den dumpfen Ton der merkwürdigen indischen Instrumente,
die den Trauerzug begleiten, der da langsam herannaht. Klageweiber
schreiten hinter den Musikanten, raufen sich das Haar, schlagen sich
die Brust und stngen seltsame schwermütige Weisen. Jetzt kommt
die ganze Verwandtschaft des verstorbenen Gatten und dann auch
lene der jungen schönen Witwe. (!) Mahalatta, wie schön bist Du I
„Wie schön bist Du, o Mahalatta I" seufzte nun auch Fritz.
„Sieh' sie Dir genau an!" fuhr Karl fort. „Sie ist erst sechzehn
Jahre alt und soll nun schon sterben nach der grausamen Sitte der
Inder, die es nicht zuläßt, daß die Witwe den Gatten überlebt.
Die weiße Seide, die ihren schlanken nußbraunen Körper umhüllt,
i^t nicht weicher als die Samthaut darunter. Tin elektrisches Knistern
geht von ihren blauschwarzen Socken aus. Wenn sie die müden Augen
Zn einem kurzen Abschiedsblick nach den Palmen und nach dem
leuchtenden Himmel öffnet, dann zuckt es wie ein Blitz über die
Welt hin, der die Sonne verdunkelt. . ."
„© Mahalatta!" seufzte Fritz.
„Jetzt" — fuhr Karl fort — „jetzt ist sie an dem Scheiterhaufen
augekommen. Jetzt nimmt sie Abschied von ihren Angehörigen und
'hre Mutter drückt ihr sanft und stolz einen Kranz von Lotosblumen
auf das duftende Haar. Nun heben ihre zwei Brüder sie auf den
Scheiterhaufen. Nun kauert sie sich nieder und alle verwandten
häufen wohlriechendes Holz und Geschenke um sie her. Ihre
Granatlippen murmeln sehnsüchtige Gebete und ihre verklärten
Augen öffnen die Pforten des Gartens der Houris, in denen ihr
Gatte wandelt und sehnsüchtig die Arme nach ihr ausstreckt. . ."
„0 Mahalatta I" flüsterte Fritz und stöhnte leise.
Das Zündholz krachte in seinen letzten sterbenden Windungen.
„Hörst Du die Flammen zischen? Siehst Du sie züngeln? Nun
fassen sie das seidene Gewand, nun berühren sie den köstlichen
Körper. Noch einmal schrecken sie zurück wie vor einem verbrechen.
Aber die keckste unter ihnen greift nach der Seide und schlingt sich
daran empor. Andere folgen ihr zu einer glühenden Umarmung der
herrlichen Witwe. Jetzt ist sic ganz in Rauch und Flammen cin-
gehüllt. Lauter tönen die Gebete der Klageweiber. Groller klingen
die pfeifen und Trommeln. Das Feuer brandet und loht, prasselt
und kracht und jauchzt in wollüstigem Rausch . . . o Mahalatta!"
„(D Mahalatta!" flüsterte Fritz.
Das Zündholz bog sich und stürzte zwischen dem Gitter in den
Grund.
„Es ist vorüber." murmelte Karl und erhob sich. „Der
Scheiterhaufen ist eingesunken. Ihre Seele schwebt empor zu dem
sehnenden Gatten . . ."
Leise kräuselte sich der letzte Rauch über dem Gitter.
„Leb' wohl, Mahalatta!" sprach Karl und drehte sich um:
„Pikkolo, meinen Überzieher!" Wilhelm herben.
Wirdrrsehrn.
NN Däumiein gleich im Märchen, Das anDrrr ßlättrr
wollt',
Tragen dir Micken allr Mättlrin von lichtem Gold.
Des Ahorns Kronen drrnnrn in fcharlachfarbrner Glut.
In roten Wildwrinfluten verströmt des Sommers iDlut.
® fchönheitstrunkrnrs Sterben, soweit das jstuge schweift!
Der Wind in leisem Schauern die Mätirr nirdrrstrrift.
lim Sinken noch orrhauchrn sie letzten, herben Duft.
Ulrich lichten Schmetterlingen durchgaukeln sie dir Luft.
Anter dem goldenen Liegen geh'n wir durchs stille Land
Aach einmal Seit' an Seite, noch einmal Hand in Hand.
Kühl schon die Lüfte wehen. Dag Abendrot verglimmt —
Mag frommt rinWirüersrhen, wenn allrsAbfchieü nimmt!
Sind das dieselben Megr, dir einst mit dir ich ging,
Da noch drin Ing' mir lachte, drin Arm mich heih umfing?
Mas frommt rin Wiedersehen — herbst ward's im Leben
auch.
Kurz Glück und langes Grämen — das ist der Liebe Krauch.
Dahin des Lebens Krone! An deiner Seite hin
Schreit' ich — eine entthronte, trauernde Königin.
Still lösen sich dir Hände — der Klick bleibt kühl und klar.
Das Märchen ging zu Ende. — Ls war einmal — es war!
T. Firfn.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Phantasie"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1919
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 152.1920, Nr. 3886, S. 31
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg