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das Bild sehen: Ria Vandra erhält durch den Bahnhofsvorsteher
von Schilda ein wichtiges Telegrannn. Auch ihm eröffneten sich
ungeahnte Möglichkeiten.

Weitere zehn Minuten schlichen dahin. Und dann endlich —
brauste der langersehnte Zug in den winzigen Bahnhof. Der rot-
bemützte Vorsteher war in Erregung, wie nie zuvor, Wie ein
Rasender lief er am Zuge auf und ab, das Telegramm durch die
Luft schwenkend.

„Ria Vandra ! I > Ein Telegramni für Fräulein Ria Vandra 11111"

Die saß mit ihrer Gesellschaft in einem Abteil erster Klasse
und hörte die emsigen Rufe wohl. Und ließ ihn ruhig weiter
schreien.

„Ein Telegramm für Fräulein Ria Vandra I l ll!"

Bis sie glaubte, daß sich nun genug Zuschauer auf denr Bahn-
steig und an den Wagenfenstern versammelt hätten. Graziös beugte
sie sich nun zum Fenster hinaus, nahni das Telegramm aus den
kfänden des vor freudigen: Stolz zitternden Beamten, lieg sich
von allen Seiten entsprechend bewundern und bestaunen, dankte
leutselig wie ein Lürst seinen Untertanen und — der Zug fuhr
weiter.

Dieses Schauspiel wiederholte sich noch auf verschiedene»Stationen.
Überall das freudig gerötete Gesicht des Rotbcmützten, überall die
wartende Menge, die in spontanen Jubel ausbrach, wenn sich Ria
Vandra, der allbeliebte Kinostern, am Fenster ihres Abteils zeigte.
Kurz, es klappte wie auf einer großen Premiere.

Bis der Zug, durch die gesegneten Gefilde Schwabens fahrend,
in dem kleinen Städtchen Stümpelfingen hielt. Allwo ein besonders
scharfsinniger Menschenschlag wohnte, dessen Klugheit weit und breit
berühmt war. Der Stationsvorsteher, ein biederer Schwabe, deni ein
Kino etwas vollständig Unbekanntes war, ärgerte sich über das ein-
gelaufene Telegramm, das ihm unnöiige Scherereien machte.

Also, der Zug hielt, das Telegrannn ward ausgerufen, das
Publikum stand neugierig herum und ein großer Teil der Mit-
reisenden, die den Vorgang schon kannten, erwarteten nun die Uber-
gabe der Depesche.

Ria vandra erschien am Lenster, leutselig lächelnd streckte sie
dem Beamten die ksand entgegen. Doch der machte wenig Anstalten,
das Telegramm herauszugeben.

„kfaben S' denn überhaupt einen Paß? Gder sonst an Aus-
weis?"

Ria Vandra wandte sich an ihre Begleiter, die dom Beamten
einstimmig klarzumachen versuchten, daß sie die berühmte Lilmdiva
Ria vandra sei. Der Kreis der Zuschauer wurde durch die Reu-
gierigen der nächsten Abteile immer größer. Aber „der wack're
Schwabe forcht' sich nit". Er blieb hartnäckig.

„Das könnt' jeder sagen. Bhne Ausweis kein Telegramm!"

Uni der Szene ein Ende zu machen, suchte sie nun ihren Paß .
und reichte ihn zum Lenster hinaus. Der unerbittliche Beanite
wandte das Papier umständlich hin und her. Zuckte dann mit den
Achseln, wie einer, der seine Vermutung von einem großen Betrug
bestätigt sieht. Ria vandra sah das diabolische Lächeln unter der
roten Mütze. Sah es mit Schrecken.

„Ra also, da haben wir - ja I Ist das Ihre Unterschrift?"

Sie nickte heftig, ksoffte, er würde nun befriedigt schweigen.
Doch er dachte gar nicht daran, lvandto sich vielmehr an den
inimer größer werdenden Kreis von Zuschauern.

„Sehen Sie, ein Telegranmi für Ria vandra will sie haben.
Und einen Paß zeigt sie vor, in dem sie Anastasia lhinterhuber heißt! l I"

Wieder setzte der Jubel des Publikums ob dieser Entlarvung
des bürgerlichen Ramens der Kinokönigin ein. Ihr aber schien es
diesmal wie ein lfohngelächter der lhölle.

Raffelnd fuhr das Lenster in die bföhe ....

Einfälle.

Mißtrauen.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Einfälle. Mißtrauen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kirchner, Eugen
Entstehungsdatum
um 1920
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1930
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 152.1920, Nr. 3899, S. 183
 
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