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6m. Ja. Natürlich könnten wir da fast die halbe Strecke
miteinanderfahren.

6ubcr haut mir einen wohlgemeinten Meseritzer Freundschafts-
patsch auf die Schulter, der mich fast in die Knie brechen macht.
Da hätten sie ja wenigstens Gesellschaft. Das passe fgmos.

Zischend saust der Zug in die Halle.

Huber geht auf ein Schildchen zu, das sachlich rnitteilt, daß
„hier die IV. Wagenklasse halte". Und ich habe ll. Klasse gelöst.
Ich werde das Hubers sagen. — Aber man weiß, wie die
Bauern sind. „Guck einer den feinen Herrn an, wenn sic zu uns
kommen, sind wir gut. Aber sonst schämen sie sich mit uns.
Und schinden können wir uns von früh fünfen bis an den
Abend, damit wir IV. fahren dürfen, wenn wir alle halben Jahre
mal in die Stadt kommen. Aber die können es nicht fein genug
haben. Die sind nicht wie die dummen, dummen Bauern. Denen
kanns bloß nicht billig genug sein, wenn sic etwas von uns
wollen. .

Nein; ich darf keinesfalls sagen, daß ich II. habe. Das
machte böses Blut. Meine Frau kriegte nicnials wieder etwas von
Hubers. Ich muß schon IV. fahren. (Es geht nicht anders. Ls
ist ja auch gleichgültig. Als ob ich nicht schon hundertmal IV. ge-
fahren wäre. Nur hatte ich da nicht ausgerechnet II. gelöst.
Die sieben Mark, die II. mehr kostet als IV. sind für die Katz' ge-
wesen. was macht's aus l Ich steige zu Hubers in die IV.

Ich plaudere wie ein Überökonom während der Fahrt mit
Hubers. Schinipfe auf die Stadt. Mache ihre Menschen madig.
Sage: „Ah was sind doch die vom Dorf für Leute! Bescheiden!
Einfach! Fleißig! Kräftig! Unverdorben! Gesund! Und gutmütig!"
Hubers, sie hören cs gerne.

Mit einem höre ich einen dumpfen Bierbaß aus dem Nebcn-
roupe an meine Bhrcn poltern: „Bitte, Fahrkarten vorzeigen I"

Mir saust das Blut aus dem Gesicht. Jetzt taucht ein langer
weißer Bart in den, Gang zu unserem Abteil auf. „Bitte, Fahr-
karten vorzeigen I"

Nun kommt- heraus, denke ich. Ruhigen Gewissens hebt
Huber aus seinem Tabakbeutel die Karten für sich und sein Ge-
spans hervor.

Ich greife in nieine Westentasche und habe meine Karle schon
gepackt. Ich nehme sie aber nicht heraus, wenn nian dem
Kontrolleur recht verschwiegen die Karte reichte, daß keiner etwas
merkte . . . Aber das geht nicht. Der Kontrolleur würde gewiß stutzen.
Lr wird fragen. Ls wäre maßlos fatal, müßte ich dann bekennen,
daß ich II. löste, aber Hubers zuliebe IV. fahre. Man weiß, wie
Bauern sind.

wieder sehe ich die Morgen- und Abendbutter in eine
schmieriggelbo Lrsatzhonigmasse sich verwandeln. Aus meinen
Stirnporen bricht der Schweiß.

Hubers haben eben die Karte abgestrichen bekonimen. Nun
steht der Mensch vor mir. Jetzt entscheidet es sich. Ich greife in
meine Westentasche, packe die Karte noch-einmal. Ich ziehe sie
aber nicht heraus, Hubers blicken nüch unverwandt an. Ich krame
in anderen Taschen. Ich gebe vor, wie ein verrückter zu suchen.
Ich gebe vor, nicht zu wissen, wohin ich die Karte steckte. Schließlich
blitzt der rettende Gedanke in mir hoch. Ich sage zum Kontrolleur,
ich besitze meine Karte nicht mehr. Ich habe sie veilorcn.

Der Kontrolleur notiert rnich. Hubers suchen auf der Bank,
unter der Bank, über der Bank nach meiner Karte. Sic erwägen
jede nur erdenkbare Möglichkeit, wo die Karte sein könnte. Schließlich
kommen sie zu dem Resultat, daß es glatterdings unmöglich sei,
daß die Karte weg wäre und endlich scheinen sie zu vermuten,
dast ich mich ohne Karte durch die Sperre geschmuagelt habe.

In Meseritz verabschieden sich Hubers von mir, durch das
seltsame Begebnis etwas mißtrauisch gemacht, Man weiß, wie
Bauern sind.

In Dresden erwäge ich, ob ich alles aufklären und meine
Karte II. Klasse zeigen soll. Schließlich nehme ich davon Abstand, da
die glaubwürdige Darstellung der Verhältnisse vor dem Kontrolleur
mindestens eine halbe Stunde in Anspruch nehmen würde.

Und ich zahle den Preis für die IV. Wagenklasse der Strecke
Leipzig—Dresden nach.

Gmoasiirstcha Zungenschlag,

Der macht fi’ heunt an guat'n Dag.

Sei' Wein is kcmma vor a Stund,

Zlvoa Fasse! san im Kella drnnt.

„Iah", sagt a, „muaß i's lviss'n g'wiß,

Da lvelcha als da bessa is.

Probier'« ma's halt in Gottes Nam',

Na wer'n ma's bald heranßtn Ham!"

sind abi tappt a über d' Stiag'n,

Wo d' Fasscln in da Gcka liag'n,

And hämmert ob'» und hämmert unl'

And haut 'n Pahna 'nei' in Spund
sind zipfclt da und zapfclt durt
And zapfelt allawcil so furt
And draht so lang an jed'n Dahn,

Bis all zlvoa Fasse! firti' san.

üerman» Franz..

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"D' Weinprob"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stockmann, Hermann
Entstehungsdatum
um 1920
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1930
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 152.1920, Nr. 3901, S. 199

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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