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Der amerikanische Speck.

von Fritz Müller-Partcnkirchen.

?it Speck fängt man Mäuse. Manchmal auch mit Mäusen
Speck. Nur müssen sie dann münchnerisch gesprochen
werden, die Mäuse nänilich.

Die Verteilung der ersten amerikanischen Specksendung war
angekündigt worden. In drei Tagen, hieß es. Zeit genug, um
allerlei Gerüchte aus dem Speck wachsen zu lassen. Gerüchte
wachsen in München so hoch wie in Amerika die Wolkenkratzer.
Nur merkwürdig, daß sie aus dem gleichen Specke schießen, Gerüchte
hier und Wolkenkratzer dort.

„<Db jetzt das wirklich wahr ist, Frau Gunzelmann?"

„Kann leicht sein, Frau Arallinger — von was reden S'
eigentlich?"

„von was werd' ich reden — vom amerikanischen Speck
natürlich."

„vom amerikanischen Speck? Ja mci', Frau Arallinger, bei
dem ist alles möglich."

„Seh'n S', das Hab' ich mir gleich denkt, Frau Gunzelmann
und jetzt freut 's mich, daß Sic das nämliche glauben von dem
Speck, dem amerikanischen —' hadjä —"

• „Halten 5’, halten S', was — was glaub' ich denn vom
Speck — ?"

„No, das mit die Ratzen halt, Frau Gunzelmann."

„Das mit die Ratzen? Ja ja, Frau Arallinger, Speck fressen
s' gern, die Ratzen —"

„Umgekehrt, Frau Gunzelmann, umgekehrt I"

„Umgekehrt? Lassen S' Ihnen net auslachen, Frau Arallinger,
wie soll denn das der Speck machen, daß er die Ratzen frißt?"
„Als toter Speck freilich net, aber als ein lebendiger Speck."
„Lebendiger Speck? — fjöi’n S' auf, Frau Arallinger, da
werd ei'm ja ganz grauslich!"

„Seh'n S', das Hab' ich auch g'sagt, Frau Gunzelmann —"
„11? as Ham S’ g'sagt, Frau Arallinger?"

„Daß wenn die amerikanischen Säu wirklich mit Ratzen
g'füttert werd'n — o mei', o mei', die gräuslichen Ratzen "

„<D mei', o mei', die schönen Säu —"

Pause. Beide hingen in verschiedener Richtung der Schönheit
und den Gräuslichkeiten nach. Endlich raffte sich Frau Gunzelmann
wieder auf.

„wer hat denn das mit die Ratzen eigentlich auf'bracht, Frau
Arallinger?"

„wer werd 's denn auf'bracht Ham — d' Leut' halt, d' Leut'."
Frau Gunzelmann kämpfte einen schweren Aampf. Aber sie
hatte die Speckration von übermorgen schon in den Aüchenzettel
dieser Woche fest eingestellt. Also unterlag die Gcäuslichkeit. „Ivas
d' Leut' sag'n, is mir wurscht," sagte sie, „Speck is Speck —"
„Aber denken 5’ doch, Frau Gunzelmann: Ratzenspcck l"
„Dumm's Zeug, Frau Arallinger: Sauspeck I"

„Aber ein Sauspeck, Frau Gunzelmann, der wo eigentlich ein
Ratzcnspcck is!"

„Nein, Frau Arallinger, ein Ratzenspeck, der wo eigentlich
ein Sauspeck is 1"

„(Ein Ratzenspeck, sag' ich I"

„Ein Sauspeck, sag' ich!"

„Und ich sag': ein Ratzenspeck l"

„Und ich sag': ein Sauspeck l"

Die Geschichte wäre hitzig geworden, hätte die Frau Gunzel-
mann nicht versöhnend eingelenkt: „wir werd'n uns doch nicht
streiten, Frau Arallinger, wegen dem Dreck-Ratzen-Sau-Sxcck."

„Recht hab'n S', Frau Gunzelmann, wegen so einem Dreck-
Sau-Ratzen-Sxeck werd'n wir uns doch nicht - jeffes, fallt mir
g'rad' ein, der Herr Professor peitinger vom dritten Stock, der
tät sich am besten auskennen, Frau Arallinger."

„In was, Frau Gunzelmann?"

„In die Säu — die amerikanischen mein' ich."

„Und warum sollt' sich der besser in die amerikanischen Säu
auskennen?"

„weil er selber dabei war, Frau Arallinger — kommen S'
nur, Frau Arallinger — den kenn' ich gut — das is ein Gelehrter
der wo Ihnen nix tut, wenn er auch ein Preuß' is —"

„Aber wenn er selber dabei war, bei die amerikanischen Säu,
die wo mit Ratzen g'füttert werd'n — mir graust ’s ja glei' scho'
so viel", sagte die Frau Arallinger zögernd.

„Aber Frau Arallinger," wurde sie begütigend mitgezogen,
„Sie tun ja g'rad' so, als ob der Professor peitinger selber lauter
Ratzen g'sressen hätt'l"

„wenn er lauter Säu g'sressen hat, die wo lauter Ratzen
g'sressen Ham, so is das g'hupft wie g'sprungcn — mir graust 's
ja glei' scho' so viel —"

,,Bscht, da kommt er g'rad' die Treppen 'runter, der Professor
— also, Herr Professor, wir hätten halt eine Bitte."

Freundlich lächelnd blieb der Gelehrte stehen: „Bitte, nieinc
Damen?"

„Indem daß Sie früher ins Amerika, wo 's die vielen Säu
gibt, wo die Frau Arallinger hier sagt, daß sie mit lauter Ratzen
g'füttert werd'n —"

„Bitl' schön, Herr Professor," wehrte sich Frau Arallinger,
„das mit die Ratzen sag'n halt die Leut' — und mir graust 's ja
glei' scho' so viel —“

„Beruhigen Sie sich, meine Damen: die amerikanischen Schweine
werden nicht mit Ratzen gefüttert — "

„Hab' ich's net g'sagt?" triumphierte Frau Gunzelmann.

„ - sondern mit Mais, ausschließlich mit Mais — guten
Morgen, meine Damen." Lächelnd grüßte nochmal sein Zylinder
aus dem unteren Treppenhaus herauf.

„Sondern mit Mais', ausschließlich mit Mais'," wiederholte
Frau Arallinger triumphierend, ,,hab' ich's net g'sagt, Frau Gunzel-
mann? — Denn zwischen Mais' und Ratzen, schau'n S', Frau
Gunzelmann, da dreh' ich d' Hand net um — daß halt d' Ratzen
ein bissel größer sind als d' Mais' — und das kann man über-
haupt beim Speck gleich riechen, sag'n d' Leut' — und mir graust
's ja glei' scho' so viel —"

„Also dann geb'n S' niir Ihre Speckkart'n, damit Ihnen nimmer
z' grausen braucht", sagte Frau Gunzelmann merkwürdig ruhig.

Frau Arallinger stutzte. Gewiß, sie kaufte nichts von diesem
Speck, aber wenn ihr grauste, hatte es der andern auch zu grausen
und wenn 's der nicht grauste, so war das eine Gefühllosigkeit,
der man mit Güte beizukommen suchen mußte: „Aber schau'n S',
Frau Gunzelmann, wo doch der Professor selber g'sagt hat, daß
die Säu mit Mais', aus—schließ-lich mit Mais' — mir graust 's
ja glei' scho' —"

„Dank' schön also für die Aart'n", griff Frau Gunzelmann
darnach und schoß dem Professor nach. Nicht ohne daß die Frau
Arallinger ihr nachgemurmelt hätte: „Guten Appetit — mir
graust 's ja glei' scho' so viel .. ."

Indessen hatte Frau Gunzelmann den Professor auf der Straße
cingcholl: „Also entschuldigen S', Herr Professor, es gibt doch

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