Ein Nakionalhriliger.
Raninchen.
ie Fröschxnaiers sind unsre Nachbarn. Sie haben einen
Garten mit Kaninchen drin. Mir haben auch einen
Garten, aber keine Kaninchen drin. Die Kaninchen von
Fröschmaiers stecken oft die Schnauze durch den Zaun und fressen
von unsrem Gras. Das sieht sehr lustig aus. Aber eine Frechheit
ist es doch. Denn erstens ist es unser Gras, und zweitens hätten
sie genug Gras drüben. Aber die Kaninchen sind wie die Menschen.
Die stecken ihre Nasen auch durch jedes Gitter und fressen gern
vom fremden Gras.
Aber die Fröschmaiers sind verantwortlich, wenn wir Kanin-
chen hätten, wären wir auch verantwortlich, wir werden den
Fröschmaiers einen Brief schreiben, wir hätten unser Gras auch
nicht gestohlen, werden wir ihnen schreiben, und wo der Zentner
kseu jetzt fünfundsiebzig Mark kostet, ist es kein Ersatz, wenn in
unsre Nasen der Geruch von drüben gebratenen Kaninchen —
„wirrd sich drrüben nix mehrr brraten," sagte unsre Zugeh-
frau, die auch bei Fröschmaiers drüben die Treppen schrubbt, „sind
sich Kaninchen alle dreizehn dod, serr dod, mausdod."
„Geschlachtet?" fragte meine Frau sachlich.
„Nix geschlachtet, sind sich begrraben."
„Dummes Zeug," sagte ich, „in diesen Zeiten ißt man die
Kaninchen und begräbt die Menschen — ein Unterschied muß doch
'mal sein, Ludovika."
Die Ludovika aus Bromberg sah mich lange an: „Und sind
sich doch begrraben, arrmerr viecherr."
„warum arm?"
„weil sich sind verrgiftet."
Meine Frau sah mich entsetzt an. In den Brief an Frösch-
maiers sollte nämlich auch ein Wink mit Gift hineinkommen, hatte
ich vorgeschlagen.
„vergiftet?" sagte ich, „das ist eine -- eine GemeinheitI"
„Ist sich keine Gcm.inhcit, ist sich ein Unglick, ist sich ein
grroßes Unglick mit Eibisch."
„womit?"
„Mit Tannenzweig, wo haben rrote Kugeln drran."
„Ah, Libenzweige?"
„Ja, Libischzweig haben sich arrmerr viecherr crrwischt, Hab'
mirr's gleich gedacht, weil sind drreizehn viecherr — sind sich
begrraben heite nacht gleich bei Gitterr."
wir sahen uns an. wir waren bewegt, wir schauten aus
wie Leidtragende, wir gingen in den Garten. Die Kinder preßten
ihre Nasen durch das Gitter, wahrhaftig, da war ein bfügelchcn
von frischer Erde. Die Kinder wollten sofort ein Kreuz schnitzen.
„was fällt Euch ein," sagte ich, „für fremde Kaninchen!"
Aber dann ging ich doch hinüber zu Fröschmaiers und sagte,
es täte mir leid, Herr Fröschmaier gab mir die Hand. Er schaute
traurig aus. Aber Flor hatte er keinen um den Arm.
Ich sagte: „Und der Tierarzt? Hat er gar nicht —P"
„Ich habe natürlich sofort telephoniert," sagte Herr Frösch-
maier sachlich, „aber er meinte, Garantie könne er nicht über-
nehmen —"
„Garantie?"
„Ja, wegen des Essens natürlich."
Dann ging ich. „Es ist unglaublich," sagte ich zu Hause,
„diese Roheit! — denken die ans Essen!"
Später traf ich Professor Mischmann auf der Straße. Er hat
ein Werk über Gifte geschrieben, „Herr Professor," sagte ich, „wie
wirkt eigentlich das Libischgift?"
„Eibisch ist ein Tee, kein Gift."
„Natürlich — diese dumme Ludovika — hat mich angesteckt
mit ihrem blöden Eibisch — ich meine selbstverständlich Eibe."
Professor Mischmann rückte an der Brille: „Das in den roten
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Raninchen.
ie Fröschxnaiers sind unsre Nachbarn. Sie haben einen
Garten mit Kaninchen drin. Mir haben auch einen
Garten, aber keine Kaninchen drin. Die Kaninchen von
Fröschmaiers stecken oft die Schnauze durch den Zaun und fressen
von unsrem Gras. Das sieht sehr lustig aus. Aber eine Frechheit
ist es doch. Denn erstens ist es unser Gras, und zweitens hätten
sie genug Gras drüben. Aber die Kaninchen sind wie die Menschen.
Die stecken ihre Nasen auch durch jedes Gitter und fressen gern
vom fremden Gras.
Aber die Fröschmaiers sind verantwortlich, wenn wir Kanin-
chen hätten, wären wir auch verantwortlich, wir werden den
Fröschmaiers einen Brief schreiben, wir hätten unser Gras auch
nicht gestohlen, werden wir ihnen schreiben, und wo der Zentner
kseu jetzt fünfundsiebzig Mark kostet, ist es kein Ersatz, wenn in
unsre Nasen der Geruch von drüben gebratenen Kaninchen —
„wirrd sich drrüben nix mehrr brraten," sagte unsre Zugeh-
frau, die auch bei Fröschmaiers drüben die Treppen schrubbt, „sind
sich Kaninchen alle dreizehn dod, serr dod, mausdod."
„Geschlachtet?" fragte meine Frau sachlich.
„Nix geschlachtet, sind sich begrraben."
„Dummes Zeug," sagte ich, „in diesen Zeiten ißt man die
Kaninchen und begräbt die Menschen — ein Unterschied muß doch
'mal sein, Ludovika."
Die Ludovika aus Bromberg sah mich lange an: „Und sind
sich doch begrraben, arrmerr viecherr."
„warum arm?"
„weil sich sind verrgiftet."
Meine Frau sah mich entsetzt an. In den Brief an Frösch-
maiers sollte nämlich auch ein Wink mit Gift hineinkommen, hatte
ich vorgeschlagen.
„vergiftet?" sagte ich, „das ist eine -- eine GemeinheitI"
„Ist sich keine Gcm.inhcit, ist sich ein Unglick, ist sich ein
grroßes Unglick mit Eibisch."
„womit?"
„Mit Tannenzweig, wo haben rrote Kugeln drran."
„Ah, Libenzweige?"
„Ja, Libischzweig haben sich arrmerr viecherr crrwischt, Hab'
mirr's gleich gedacht, weil sind drreizehn viecherr — sind sich
begrraben heite nacht gleich bei Gitterr."
wir sahen uns an. wir waren bewegt, wir schauten aus
wie Leidtragende, wir gingen in den Garten. Die Kinder preßten
ihre Nasen durch das Gitter, wahrhaftig, da war ein bfügelchcn
von frischer Erde. Die Kinder wollten sofort ein Kreuz schnitzen.
„was fällt Euch ein," sagte ich, „für fremde Kaninchen!"
Aber dann ging ich doch hinüber zu Fröschmaiers und sagte,
es täte mir leid, Herr Fröschmaier gab mir die Hand. Er schaute
traurig aus. Aber Flor hatte er keinen um den Arm.
Ich sagte: „Und der Tierarzt? Hat er gar nicht —P"
„Ich habe natürlich sofort telephoniert," sagte Herr Frösch-
maier sachlich, „aber er meinte, Garantie könne er nicht über-
nehmen —"
„Garantie?"
„Ja, wegen des Essens natürlich."
Dann ging ich. „Es ist unglaublich," sagte ich zu Hause,
„diese Roheit! — denken die ans Essen!"
Später traf ich Professor Mischmann auf der Straße. Er hat
ein Werk über Gifte geschrieben, „Herr Professor," sagte ich, „wie
wirkt eigentlich das Libischgift?"
„Eibisch ist ein Tee, kein Gift."
„Natürlich — diese dumme Ludovika — hat mich angesteckt
mit ihrem blöden Eibisch — ich meine selbstverständlich Eibe."
Professor Mischmann rückte an der Brille: „Das in den roten
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ein Nationalheiliger"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1920
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1930
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 153.1920, Nr. 3912, S. 24
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg