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Die Lehrseite der Medaille.

Illustrierte Sprichwörter.

Keine Regel ohne Ausnahme.

wer nicht tanzen kann, wird immer „grundsätzlich" nicht tanzen.
Grundsätze sind stets die besten Ausreden.

Emil Schlubkc ist Höhenmensch mit abgebissencn Fingernägeln und
etwas schwärzlichen» Hcmdkragen. <£t findet das Tanzen albern, läppisch,

— blödsinnig —, Übung für Gänse beiderlei Geschlechts. Nächstes Jahr
aber will er als heimliches Laster eineir Tanzkurs mitmachcn. Bis dahin
hat er Grundsätzliches.

Indes sich die paare im Walzer drehen, sitzt Schlubke als Mauer-
blume da. Ihm zur Seite Fräulein Ida — blond, blau, lieblich. Sic
tanzt heute auch nicht. „Venn, wissen Sie, Herr Schlubkc," sagte sie,
„cs ist geradezu mal eine Erholung, mit einem gescheiten, klugen
Menschen (Schlubke verbeugt sich zu verbindlich grinsender Abwehr) zu
reden — so aus dem Alltag hcrauszukommen, so gewissermaßen in
eine andere geistige Sphäre. — Ach Gott — die öde Tanzerci! Die
Ballgespräche der Kavaliere! — Überhaupt, Herr Schlubkc!" — Ja, sic
habe geradezu eine gewisse Sehnsucht für das sogenannte Höhere . . . lind
ihre Augen gehen merkwürdig brennend ihrer Freundin Noscl nach, die
mit dem flotten Müller walzt. — Schlubkc kniet sich ordentlich ins
Höhere hinein. Es fließt ihm der Redefluß höchster Bildung und Geistig-
keit von den kippen: Line Mischung Nietzsche —Schlubkc —Schopen-

hauer—Schlubke—Goethe—Schlubkc—Kant—Schlubkc. . . .

Fräulein Ida
haucht: „Nein, wie
interessant!" Und
spielt mit dem Kaf-
feelöffel und wirft
von Mal zu Mal
einen Blick auf die
Tanzenden. —

Schlubke ist sehr
befriedigt. Er sagt
auf dem Heimweg zu
Schulze, da sic sich
über das - auf Män-
nerhcimwcgeu un-
vermeidliche Thema

— Weib unterhalten:

„Also wissen Sie,

Schulze! Sic sind
nicht alle gleich. Es
gibt auch solche mit
hohen geistigen In-
teressen. Nicht nur
Tanzgänse! Nicht
nur Weibchen! Keine
Regel ohne Aus-
nahme ! Da ist zum
Beispiel das Fräu-
lein Ida . . verzich-
tet eines anregenden
philosophischen Ge-
sprächs wegen einen
Abend lang auf jc-
dcn Tanz. Line tief
veranlagte, grund-
gescheite Natur . . .

Also wirklich, tief
veranlagt, sag' ich
Ihnen!" —

Das Fräulein
Ida feuert im Mäd-
chenzimmer wütend
ihre Tanzschuhe in
die Ecke. Sagt zur
Schwester: „Zum

Heulen war's! Zum
Andiewandhinauf-
kricchcn!" Sie schlen-
kerte die Füße — im-
mer noch schmerzbe-

wcgt. — „Ich konnte keinen Schritt in den neuen Schuhen tanzen. Ls war
schrecklich! — Mit müh' und Not, daß ich mich zur Trambahn schleppte.

Und dazu mußte ich den ganzen Abend über neben diesem Ekel,
diesem Affen, diesem Schwätzer Schlubkc sitzen, der mich mit seinen
Vuasseleien anödete . . .

Und Müller, der flotte Müller, wollte mich zweimal holen!" —
Keine Regel ohne Ausnahme.

Begeisterung hat kurze Beine.

Sic sprachen von dem Buch. — von t) cm Buch.

„. . . Doch," sagte die gnädige Frau zum Dichter, „doch, so ein Buch
ist wärmende Flamme und brennendes Licht!" Und in ihren Augen lag
— ganz vorzüglich gekonnt — das tiefe keuchten reiner Gcistcsfrcudc.

„Wie man da dankbar ist", sagte sie. „Wie dankbar! Ja, das
Buch ist mir ein Feiertag für die Seele. Gerade, was da im Schluß-
kapitel — bitte, killi, bring mir doch die „Flammende Erlösung"," rief
sie dem Töchtcrchen zu — „was da geschrieben steht, macht mir das Buch
zum Freund, zum liebsten Freund fürs Leben..."

Das Töchtcrchen killi sucht im Nebenzimmer nach dem Buch. Kranit
in den Regalen und Nipptischchen — „Ma—ma! Die „Flammende Er-
lösung" Hab' ich doch gestern wieder in die Leihbibliothek zurückgebracht! —
(D verflucht!

Aller

Bildungsanfang
ist schwer.

Striescckes ha-
ben sich einen Sa-
longk zugclegt mit
allem Klimbim:
Tee, belegte Bröt-
chen, Dichter, Musi-
ker, Maler, Jazz...
Denn Frau Stric-
scckc ist der Ansicht,
daß Reichtum zu
Bildung verpflichtet.

Eben spricht der
blonde Doktor Puls-
wärmer mit der über-
lebensgroßen Horn-
brille zu Frau Strie-
sccke vom Erleben
des Dichters bei
Goethe — Hölder-
lin — Rilke — Ste-
fan George - Ra-
bindranat Taghore.
— Spricht vom Rin-
gen des Schaffenden,
vom Schauer der Ge-
staltung, von der
Erhebung und der
Tual des Dichters . .

Die Stricscckcu
ist sichtlich ergriffen.
Sic würgt ganz lang-
sam — mit großen
Augen — ihr Sar-
dellenbrot hinunter
und nickt. —

„Tja, Herr Dok-
tor, da können Se
recht haben! Das
mit der Tual des
Dichters! — was
nur das Mühe macht,
zum Beispiel einen
Reim auf „Mensch"
auszuknobeln . . ."

Julius Kreis.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ohne Titel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Traub, Gustav
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Winter <Motiv>
Hausierhandel

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 154.1921, Nr. 3938, S. 18
 
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