Das verhängnisvolle Ballspiel.
Die neue Briefmarke.
Die Schaffung einer neuen Briefmarke ist ein
unabweisbares Bedürfnis. Ls wird uns daniit jedes
Monat so unfehlbar gedroht wie mit den: Streik und
der Beamtenaufbefferung. Wir stehen ini Zeichen
des Wiederaufbaus, darum niüsscn wir UNS aller-
hand Neuerungen gefallen lassen. Die bisherige
Reichsmarkc komuit »ns so veraltet vor wie vieles,
was noch aus dem heiligen Deutschen Reich Berliner
Nation stammt. Germania mit den, Brustpanzer
ist nach dem Friedensschluß nicht mehr zulässig.
Die Entente wird verlangen,, daß auch die Brief-
marke abrüstet und die Germania ihren Brustpanzer
abliesert. Daß sic noch in blanker Rüstung dastcht,
bedeutet eine weitere flagrante Verletzung des Ver-
sailler Friedensvertrags und eine Bedrohung Frank-
reichs. Man erkennt daran den Angriffswille»
Deutschlands, das sogar heimlich die Briefmarken
unter den Waffen hält. Die französische Regierung
gedenkt, diese deutsche Drohung nicht länger zu
dulden und mit der Besetzung einiger besser bezahlter
Stellen im Reichspostministcriuni zu beantworten.
Auch die Kopfbedeckung der Germania ist nicht mehr
ganz modern. Irgend eine Kopfzier braucht sie aller-
dings, sonst fliegen ihr bei dem scharfen politischen
wind, der um sie weht, die Haare weg, die ohne-
dies arg genug zerzaust sind. Line Freihcitsmützc
können wir ihr nicht anfsetzen, da würde man sie
mit der französische» Marianne verwechseln. Alle-
gorische Figuren sind überhaupt überlebt. Der Typ
Germania ist zur Zeit am allerwenigsten zugkräftig.
An der „Brillantenliesel" auf den bayerischen Marken
haben wir uns auch abgesehen. Sic macht zu sehr
den Eindruck, als ob sie mit ihren blitzenden Schmuck-
gegenständen das Gschpnsi eines Kriegs- oder Re-
volutionsgewinners wäre. Brillanten soll man heut-
zutage in der Öffentlichkeit nicht zu auffallend zur
Schau tragen. Könnte man nicht die Porträts der
Reichs- und Ministerpräsidenten aufdrucken? Mder
falls diese sich zu unrepräsentabel ansnehmen, die
Köpfe sonstiger bedeutender Deutscher, die im Aus-
land nicht nur berühmt, sondern ausnahmsweise
auch beliebt geworden sind, wie Ullstein, Bädeckcr,
Förster, kcvien oder Hölz?
Es ist für die Künstler ein reiches Feld der Be-
tätigung geschaffen. Durch immer neue Briefmarken
können wir ihnen doch Aufträge zukommen lassen.
Ölgemälde können wir ihnen in der nächsten Zeit
ohnehin nicht nichr abkaufen. Als Symbol dafür,
daß wir mitten in der Tinte stecken, werden die neuen
Marken im Mezzotintoverfahren ausgeführt. Die
Strichätzung, in der die Reichsmarke hergestellt war,
ist zwar billiger, wird aber, was heutzutage vermieden
werden sollte, mit zersetzenden Ulittcln hergestellt.
Ulan könnte auch das Feld der Briefmarke zu
Reklamczwecken vermieten. Wie schön wäre es,
wenn uns zum Beispiel schon die Ulorgenpost auf
der Briefmarke die lebensbejahende Ermunterung
zuriefei „Dental ist das Beste für die Zähne!"
Auch die Rückseite könnte so verwendet werden.
Wie sinnig und süß wäre cs, wenn eine Dame zu
ihren Liebesbriefen die Marke ableckt, auf der die
Versicherung steht, daß „die besten Pralinen bei
Zuckerl & Co." zu haben sind. Liebe mit Süßigkeiten
ist noch einmal so süß. Und damit würde jede
Briefmarke nicht nur eine erhöhte Einnahmequelle
für den Fiskus, sondern auch ein gewaltiger Bau-
stein zu Deutschlands Wiederaufbau. Willy.
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Die neue Briefmarke.
Die Schaffung einer neuen Briefmarke ist ein
unabweisbares Bedürfnis. Ls wird uns daniit jedes
Monat so unfehlbar gedroht wie mit den: Streik und
der Beamtenaufbefferung. Wir stehen ini Zeichen
des Wiederaufbaus, darum niüsscn wir UNS aller-
hand Neuerungen gefallen lassen. Die bisherige
Reichsmarkc komuit »ns so veraltet vor wie vieles,
was noch aus dem heiligen Deutschen Reich Berliner
Nation stammt. Germania mit den, Brustpanzer
ist nach dem Friedensschluß nicht mehr zulässig.
Die Entente wird verlangen,, daß auch die Brief-
marke abrüstet und die Germania ihren Brustpanzer
abliesert. Daß sic noch in blanker Rüstung dastcht,
bedeutet eine weitere flagrante Verletzung des Ver-
sailler Friedensvertrags und eine Bedrohung Frank-
reichs. Man erkennt daran den Angriffswille»
Deutschlands, das sogar heimlich die Briefmarken
unter den Waffen hält. Die französische Regierung
gedenkt, diese deutsche Drohung nicht länger zu
dulden und mit der Besetzung einiger besser bezahlter
Stellen im Reichspostministcriuni zu beantworten.
Auch die Kopfbedeckung der Germania ist nicht mehr
ganz modern. Irgend eine Kopfzier braucht sie aller-
dings, sonst fliegen ihr bei dem scharfen politischen
wind, der um sie weht, die Haare weg, die ohne-
dies arg genug zerzaust sind. Line Freihcitsmützc
können wir ihr nicht anfsetzen, da würde man sie
mit der französische» Marianne verwechseln. Alle-
gorische Figuren sind überhaupt überlebt. Der Typ
Germania ist zur Zeit am allerwenigsten zugkräftig.
An der „Brillantenliesel" auf den bayerischen Marken
haben wir uns auch abgesehen. Sic macht zu sehr
den Eindruck, als ob sie mit ihren blitzenden Schmuck-
gegenständen das Gschpnsi eines Kriegs- oder Re-
volutionsgewinners wäre. Brillanten soll man heut-
zutage in der Öffentlichkeit nicht zu auffallend zur
Schau tragen. Könnte man nicht die Porträts der
Reichs- und Ministerpräsidenten aufdrucken? Mder
falls diese sich zu unrepräsentabel ansnehmen, die
Köpfe sonstiger bedeutender Deutscher, die im Aus-
land nicht nur berühmt, sondern ausnahmsweise
auch beliebt geworden sind, wie Ullstein, Bädeckcr,
Förster, kcvien oder Hölz?
Es ist für die Künstler ein reiches Feld der Be-
tätigung geschaffen. Durch immer neue Briefmarken
können wir ihnen doch Aufträge zukommen lassen.
Ölgemälde können wir ihnen in der nächsten Zeit
ohnehin nicht nichr abkaufen. Als Symbol dafür,
daß wir mitten in der Tinte stecken, werden die neuen
Marken im Mezzotintoverfahren ausgeführt. Die
Strichätzung, in der die Reichsmarke hergestellt war,
ist zwar billiger, wird aber, was heutzutage vermieden
werden sollte, mit zersetzenden Ulittcln hergestellt.
Ulan könnte auch das Feld der Briefmarke zu
Reklamczwecken vermieten. Wie schön wäre es,
wenn uns zum Beispiel schon die Ulorgenpost auf
der Briefmarke die lebensbejahende Ermunterung
zuriefei „Dental ist das Beste für die Zähne!"
Auch die Rückseite könnte so verwendet werden.
Wie sinnig und süß wäre cs, wenn eine Dame zu
ihren Liebesbriefen die Marke ableckt, auf der die
Versicherung steht, daß „die besten Pralinen bei
Zuckerl & Co." zu haben sind. Liebe mit Süßigkeiten
ist noch einmal so süß. Und damit würde jede
Briefmarke nicht nur eine erhöhte Einnahmequelle
für den Fiskus, sondern auch ein gewaltiger Bau-
stein zu Deutschlands Wiederaufbau. Willy.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das verhängnisvolle Ballspiel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 154.1921, Nr. 3946, S. 82
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg