Heidentum.
De» Tag über flog der Mud
von Süden her mit weiten, blauen
Schwingen, oder floß wie ein
Stroni, der das Tal non Rand
zu Rand mit warmen fluten
füllte. Gder er saß hinter den
tiefblauen Bergen und blies.
Blies ein Lied, daß die Wäl-
der aufhorchten und zu rauschen
begannen, daß die Felder die
dünne Schneedecke vom Gesicht
schoben, daß der ksahn auf dem
Rirchturm einen rostigen Sang
kreischte und die lebendigen ksähne
allenthalben schrien, als sei der
Frühling schon mitten unter ihnen.
lind blies manchmal einen
Ruft für feine Rasen drunter
hinein. Ich schnupperte rnid wit-
terte wie ein Jagdhund und kani
endlich aus das wild
Der Frühling stand hinter
den Bergen und streute leise
seinen Duft für feine Rasen.
Doch die verschnupften Ra-
sen der Bürger waren an die
Fenster gedrückt, meinten, es
müsse kalt sein, schauten auf den
Aalender, nickten und schoben
ein großes Buchenscheit in den
Gfen, daß es krachte und bul-
lerte. —
Gemach fiel der Abend über
die Welt. Die Sonne war hinun-
ter und aus ihrem Grab blühte
ein tausendfaches ,farbenwunder.
Line rostrote Wolkenhand reckte
sich auf und holte den Abend-
stern aus dem bleichenden lfim-
mel, daß er an ihr glänzte wie
ein edler Stein.
Dann wieder war's eine
mächtige Gpferschale, aus der
ruhig die blaue Dämmerung
rauchte. Lin Reim flog durch
den Abend:
Die gold'ne Gabe, die der Tag gebracht,
ward ihm vergolten durch den Traum der Rächt. . .
Sonntag war auch. Irgendwo jubelten Rinder. Menschen
gingen der Stadt zu. Alle Gesichter waren froh, so daß ich keinen
kannte, und ich grüßte die frohen Unbekannten. Stern um Stern
kam. Der wind legte sich schlafen und die Stille war nun ganz
allein auf der Welt. Ich wanderte von den Käufern weg.
Groß war meine Ircude, als ich einen einsamen Baum auf
einem weiten ksügel erblickte. Denn ich liebe ksügel, die wie Grauen-
Nacken sind, und einsame Bäume.
Ich stand still und schaute mich in den späten Abend hinein,
der immer glühender und brünstiger ward. Als wollte der Tag
der Rächt gewaltsam ins Auge seh'n.
Und der großen Stille.
Da tat's ganz leise über mir
pip, pip . . .
pell und fein, aber tonvoll,
wie ein Pizzikato auf einer alten
Geige. - Pip, pip . . .
Das saß über mir in der Lsche.
Pip, pip, pip . . .
Ich lachte ganz drinnen in
inir, lachte unbändig in mich
hinein. — Pip, pip, pip . . .
Line Mutter kam auf dem
wog; das Rind auf deni Arm.
Pip, pip . . . pip, pip . . .
„Mama, das ist einPip-pix!"
„Rein", sagte die Mama
sehr bestimmt, „das ist ein Vogel."
Es war nämlich eine Amsel,
oder vielleicht doch ein. . .
Pip, pip... .
Die Aveglocken sangen her
und legten den Frieden über die
Welt mit zitternden päudeu. Ls
war die Zeit, wo der Bann von
allem Tode fällt.
Die Amsel über mir impro-
visierte. wahrscheinlich für die
Irühliugsyinphonie. Mich über-
lief der gleiche frohe Kost, als
stimmte ein (Orchester vor dem
Ronzert. Lin Sprudeln und Du
dein und Trillern und Schillern ..
Pier einen Fauntanz. Linen
zuckenden, ruckenden, springen-
den, wilden Fauntanz.
Line Wünschelrute. . .
Auf dem Kügel standen, sie,
schwarz gegen den noch immer
Hellen westhimmel ab und horch-
ten auf die Amselflöte.
Pip, pip - - -
Und nun sprang und hopste
cs, fiel zurück und lauerte; dann
aufeinander los, wild, heftig,
umarmt sich. Und rast wieder
auseinander. Lin Lodern und
Sprühen. . .
Du prächtiger, wilder un-
bändiger Fauntanz, du prächtiges, wildes, unbändiges Heidentum.
Jauchzt auf und wirbelt sterbend, weltumfangen in die Rächt
hinein. Lin Lachen, ein aufschreiendes, tolles Lachen. Durch die
Stille. . . Pip, pip . . . pip, pip . . . pip ... pip . . .
Schritte weckten mich. Ls war mein freund mit seiner Liebsten.
Sie gingen der Stadt zu. Ich mit. Sie plauderten. Ich war nur
halb dabei. Lin Lachen klingelte manchmal an mir vorbei, daß ich
aufhorchte. Und dann: „Denken Sic sich, eben hatten wir einen
köstlichen Spaß! Ach . . ." Jetzt ein silbernes einziges Lachen.
In mir morgendämmerte es. Der Traum schwand.
„wir haben eben auf dem Hügel da oben getanzt."
„Linen Fauntanz. . .
„Linen Foxtrott. . ." ®sf.u Krön.
Oer Herr Betriebsrat.
Der Herr Betriebsrat von die Henna,
Der Gockel, halt' auf offner Denn«
Versammlung über manche Frag'n,
Notiert sich die verschiedna Rlag'n:
Den woazen all'n verkauft da Bau«
Und d' Henna ham dann 's Nachischauaz
Die weiberleut', de reinsten Furien,
Die schmeißen 'rum g'rad' mit Injurien;
wenn's cvarl a bisserl kloana is,
Verziagt die Bäu'rin glei' ihr G'frieß
Und schreit: „Is dös denn aa' r-a Gab'k
Am Birta stich i' enk alle ab!" —
Dem Gockel g'schrvillt der rote Ramm,
Er kräht: „Gs Leutel, halt'« nur z'samm'l
A jeder denkt an sich zuletzt.
Dann wird no' alles durchig'setzt."
* *
Die Nacht drauf stad is's überall
Da bricht der Fuchs in Hennastall.
Da rennt ums Leb'n das Federvieh,
Als erster vorn der Rikriki. -r. sirmpNngrr.
De» Tag über flog der Mud
von Süden her mit weiten, blauen
Schwingen, oder floß wie ein
Stroni, der das Tal non Rand
zu Rand mit warmen fluten
füllte. Gder er saß hinter den
tiefblauen Bergen und blies.
Blies ein Lied, daß die Wäl-
der aufhorchten und zu rauschen
begannen, daß die Felder die
dünne Schneedecke vom Gesicht
schoben, daß der ksahn auf dem
Rirchturm einen rostigen Sang
kreischte und die lebendigen ksähne
allenthalben schrien, als sei der
Frühling schon mitten unter ihnen.
lind blies manchmal einen
Ruft für feine Rasen drunter
hinein. Ich schnupperte rnid wit-
terte wie ein Jagdhund und kani
endlich aus das wild
Der Frühling stand hinter
den Bergen und streute leise
seinen Duft für feine Rasen.
Doch die verschnupften Ra-
sen der Bürger waren an die
Fenster gedrückt, meinten, es
müsse kalt sein, schauten auf den
Aalender, nickten und schoben
ein großes Buchenscheit in den
Gfen, daß es krachte und bul-
lerte. —
Gemach fiel der Abend über
die Welt. Die Sonne war hinun-
ter und aus ihrem Grab blühte
ein tausendfaches ,farbenwunder.
Line rostrote Wolkenhand reckte
sich auf und holte den Abend-
stern aus dem bleichenden lfim-
mel, daß er an ihr glänzte wie
ein edler Stein.
Dann wieder war's eine
mächtige Gpferschale, aus der
ruhig die blaue Dämmerung
rauchte. Lin Reim flog durch
den Abend:
Die gold'ne Gabe, die der Tag gebracht,
ward ihm vergolten durch den Traum der Rächt. . .
Sonntag war auch. Irgendwo jubelten Rinder. Menschen
gingen der Stadt zu. Alle Gesichter waren froh, so daß ich keinen
kannte, und ich grüßte die frohen Unbekannten. Stern um Stern
kam. Der wind legte sich schlafen und die Stille war nun ganz
allein auf der Welt. Ich wanderte von den Käufern weg.
Groß war meine Ircude, als ich einen einsamen Baum auf
einem weiten ksügel erblickte. Denn ich liebe ksügel, die wie Grauen-
Nacken sind, und einsame Bäume.
Ich stand still und schaute mich in den späten Abend hinein,
der immer glühender und brünstiger ward. Als wollte der Tag
der Rächt gewaltsam ins Auge seh'n.
Und der großen Stille.
Da tat's ganz leise über mir
pip, pip . . .
pell und fein, aber tonvoll,
wie ein Pizzikato auf einer alten
Geige. - Pip, pip . . .
Das saß über mir in der Lsche.
Pip, pip, pip . . .
Ich lachte ganz drinnen in
inir, lachte unbändig in mich
hinein. — Pip, pip, pip . . .
Line Mutter kam auf dem
wog; das Rind auf deni Arm.
Pip, pip . . . pip, pip . . .
„Mama, das ist einPip-pix!"
„Rein", sagte die Mama
sehr bestimmt, „das ist ein Vogel."
Es war nämlich eine Amsel,
oder vielleicht doch ein. . .
Pip, pip... .
Die Aveglocken sangen her
und legten den Frieden über die
Welt mit zitternden päudeu. Ls
war die Zeit, wo der Bann von
allem Tode fällt.
Die Amsel über mir impro-
visierte. wahrscheinlich für die
Irühliugsyinphonie. Mich über-
lief der gleiche frohe Kost, als
stimmte ein (Orchester vor dem
Ronzert. Lin Sprudeln und Du
dein und Trillern und Schillern ..
Pier einen Fauntanz. Linen
zuckenden, ruckenden, springen-
den, wilden Fauntanz.
Line Wünschelrute. . .
Auf dem Kügel standen, sie,
schwarz gegen den noch immer
Hellen westhimmel ab und horch-
ten auf die Amselflöte.
Pip, pip - - -
Und nun sprang und hopste
cs, fiel zurück und lauerte; dann
aufeinander los, wild, heftig,
umarmt sich. Und rast wieder
auseinander. Lin Lodern und
Sprühen. . .
Du prächtiger, wilder un-
bändiger Fauntanz, du prächtiges, wildes, unbändiges Heidentum.
Jauchzt auf und wirbelt sterbend, weltumfangen in die Rächt
hinein. Lin Lachen, ein aufschreiendes, tolles Lachen. Durch die
Stille. . . Pip, pip . . . pip, pip . . . pip ... pip . . .
Schritte weckten mich. Ls war mein freund mit seiner Liebsten.
Sie gingen der Stadt zu. Ich mit. Sie plauderten. Ich war nur
halb dabei. Lin Lachen klingelte manchmal an mir vorbei, daß ich
aufhorchte. Und dann: „Denken Sic sich, eben hatten wir einen
köstlichen Spaß! Ach . . ." Jetzt ein silbernes einziges Lachen.
In mir morgendämmerte es. Der Traum schwand.
„wir haben eben auf dem Hügel da oben getanzt."
„Linen Fauntanz. . .
„Linen Foxtrott. . ." ®sf.u Krön.
Oer Herr Betriebsrat.
Der Herr Betriebsrat von die Henna,
Der Gockel, halt' auf offner Denn«
Versammlung über manche Frag'n,
Notiert sich die verschiedna Rlag'n:
Den woazen all'n verkauft da Bau«
Und d' Henna ham dann 's Nachischauaz
Die weiberleut', de reinsten Furien,
Die schmeißen 'rum g'rad' mit Injurien;
wenn's cvarl a bisserl kloana is,
Verziagt die Bäu'rin glei' ihr G'frieß
Und schreit: „Is dös denn aa' r-a Gab'k
Am Birta stich i' enk alle ab!" —
Dem Gockel g'schrvillt der rote Ramm,
Er kräht: „Gs Leutel, halt'« nur z'samm'l
A jeder denkt an sich zuletzt.
Dann wird no' alles durchig'setzt."
* *
Die Nacht drauf stad is's überall
Da bricht der Fuchs in Hennastall.
Da rennt ums Leb'n das Federvieh,
Als erster vorn der Rikriki. -r. sirmpNngrr.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Herr Betriebsrat"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 154.1921, Nr. 3950, S. 118
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg