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„Ach, Herr Doktor, ich muß meinen Beruf aufgeben. Ich bin Nackttänzerin und habe mir einen Splitter in die Fußsohle
getreten." — „Nun, mein liebes Fräulein, dann treten Sie eben künftig als Splitternackttänzerin auf."

Die Bauernuhr.

Pott Stubtoig Bäte.

Den ganzen Tag ist die zierliche Rokokouhr unter dem großen
Glassturz, die vor Jahren vom alten Erbgut des benachbarten
Schlosses in die Bauernstube kam, wach. Gleichmäßig und ernst
aber schlägt die große Standuhr neben der Stubentür und das
braune, gedunkelte Eichenholz ächzt, wenn sie wuchtig aushebt.
Wie der Großvater, wenn er seinen Ohrensessel ain Ofen verläßt.

„Wie übel!" spöttelt die Rokokouhr von der gelben Ahorn-
kommode hinter den: Knecht her, der mit seinem schweren Acker-
wagen just unter dem offenen Lenster vorbeihumpelt und seinen
Pfälzer fröhlich den: jungen Morgenwind zubläst.

Die Standuhr achtet nicht darauf. „Ob Line noch nicht auf-
steht? Sie kann ihren Katechismus nicht. Und nicht das Einmal-
eins mit sieben!" Dröhnend hämmert sie los. Da öffnet sich leise
die Tür. Zwei Augen lugen, die noch so gern im gewürfelten
Bettlaken träumten. Dann kramt sie die Schultasche aus: „Du
sollst lieben Gott, deinen köerrn!" Die alte Uhr lächelt und schiebt
langsam, ganz langsam ihre Zeiger vor.

„Gott!" meint die Nachbarin gedehnt. „Glaubt man an den
immer noch, wie bei uns das Volk? Freiheit, Vernunft, Bruder-

liebe! Gott, ivie das duftet nach Weihrauch und verwelkten
Blumen in den Gesangbüchern! Und so früh steht das kleine Kind
auf! Unsere vikomtessen molestierte da noch feiner! Und gähnend
ließ sie ihr zierliches Silberspiel läuten und schlief dann ein wie
ihre frühere kserrin, die ein junger Sonnenstrahl geweckt.

Unaufhörlich geht die große Uhr: „Halb acht! Nun mußt du
deine Suppe essen, Line I vergiß dein Rechenbuch nicht! Sind die
Kühe alle geinolken? Ist der Milchwagen fort?" Und ihre gute,
treue Seele geht mit in Stall und Boden, auf Hof und Feld, auf
die grüne Sommerwiese, Heiß wird der Tag. Schon quellen dicke
Lichtbündel durch die Linden, die Bienen sumnien, über die flammen-
den Feuerlilien taumeln zwei gelbe Zitronenfalter und die Glas-
kugeln vor der hohen Hainbuchenhecke gleißen in der grellen Sonne.
Die Großmutter ist beim Erbsenschälen eingenickt. Gerd, der Enkel,
spielt im Sande, Hühner scharren. Streng duftet der Buchsbaum.

„Herr Marschall!" — „SüßesteI" — „Lassen Sie das! Wir
sind nicht am Hofe des Grafeti Brühl!" —„Geliebte!"

„Wenn mein Gemahl . . ." Arglos tritt er ein. Seine
Weste von himmelblaueni Moire und sehr prall neigt sich vor dem

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Beim Arzt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kirchner, Eugen
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 154.1921, Nr. 3951, S. 122

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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