's Spötter!.
IHitt’n in der Altstadt in 'ram
kloan' Gasser! is a Auskochg'schäft.
Da sitzt der Kloa'rentner lsuaber
d'rinn und stillt sein' ksunger. Aiit
Ausnahm' von 'ra blankglänzend'n
Glatz'n is eahm aus seiner Glanz-
zeit net viel mehr übrig blieb'n: A
greane Mest'n mit birschhornknöpf',
g'siickte bos'n, g'flickte Schuah, sei'
verrostete Baßstimm' und sei' guater
bumor. — vor kurzem aber hab'n
f sei' Alte im Maidsriedhof ei'-
grab'n; da is eahm der guate
kfumor aa' verganga.
Jatzt schneid't er si' grad an'
Keil Brot in d' Supp'n und laßt
si' von 'ram Nachbar'« erklär'n,
wia ma's macht, daß ma' schmerzlos
verhungert, „Für die Steuern, die i'
im Leb'n scho' zahlt Hab', werd'n s'
mi' nachher neb'n meiner Alt'« scho'
kost'nlos ei'scharr'n". So moant der
kserr buaber. „Bloß schmerzhaft
soll's net sei'!" And in solcher
Zuaversicht schleckt er sein' Löff'l
ab und steckt 'n in d' Ta sch'» . . .
niit Recht — weil er ’n selber mit-
bracht bat. Er tragt ’n überall mit
'rum, sein' „Sorg'nlöff'l", wia er
'n selber nennt, vor lauter Angst
und Vorsicht, daß er eahm ja net
g'stohl'n wird — grad wia sei' Ahr,
die mit 'ram Miderhak'n in seiner
Iagdwest'n steckt.
,^ast jed'n Nachmittag ziagt
er seine Schuah aus, hängt s' um
und laast, als ob er was z'büaß'n
hätt', barfuaß aus 'n Maldfriedhos.
Dort setzt er si' vor 's Grab seiner
Frau und rcd't mit ihr. And wenn
er sei' berz aurg'schütt't hat, wirft
er etliche Löffel voll Meihwasser
aufs Grab, seufzt tias auf und
will geh'. Er geht aber net — Gott
bewahr'! Er wart't, ob net a Ant-
wort kimmt. „ksansi!" locht er, nach
'ra Zeit — und aufs Grabkrcuz
fliagt a Spötterl, dös glei' drauf auf
seiner pand sitzt, etliche Körnd'ln
draus nascht und aus sei'm Löff'l
Meihwasser trinkt. Nachher flud-
dert's auf den untersten Ast von
der nächsten Traueresch'n und singt
und singt. Der arme Rentner hört
eahm zua. Sobald er aber mit
sei'm Bierbaß mitsinga will, hört
's Spötterl auf.
So is das fast alle Tag. Nur
wird der berr buaber mit jedem
Tag weniger und weniger; denn
sei' Mag'n is laar und die Pilger-
fahrt anstrengend und weit. Er
kann's bald nimmer macha — wenn
er aa' auf 'm Marsch den alt'n
Militärschritt probiert und „Hinaus
in die Ferne mit lautem Hörner-
klang" o'stimmt: Bald hört er
wieder auf, erstens, weil si' das
grad auf dem Meg net g'hört und
zwoat'ns, weil cr's nimma da-
schnaufa ko'.
Heut' is er scho' ganz elend
d'ro'. 's Spötterl aber von der
Traueresch'n richt't ’n auf. „(Quiri-
wied l" singt's, „(l)uiriwied!" And
dem halbverhungert'» Kloa'rcutncr
werd'n d' Aug'n »aß. — Lr draaht
si' um und sagt: ,,I' glaab dir's
scho', du moanst es guat mit mir."
Der vog'l aber setzt sei' G'spräch
fort: „Dui, dui, bui!" Und grad,
als ob er 'n beiß'n wollt', reißt er
den Gelbschnabel auf und schreit
dem verzagt'» Mann zua: „Titli
witt! Titti witt!" Der aber sagt:
„Geh, Hansi, b'schliaß'n ma’s!
Morg'n fahrt mci' Seel in a Amsel.
Die wird dir's nachher scho' sag'»."
— Lr schaugt auf sei' Ahr. And
wia der Deck! aufspringt, spiag'lt
si' aa' scho' 's Köpferl von dem
Spötterl d'rin. Es sitzt auf seiner
Schulter und zupft in sei'm Bart.
„Tiri-tur!" schrcit's, „Tiri-Iur!" —
Dem Herrn buaber gibt's an' Riß,
Is net sei Sorg'nuhr von Gold?
und der Sorg'nlöffel von Silber?..
Das fahrt unscrm Kloa'rcntncr
auf a mal wia der Blitz durch '»
Kopf. Aber glei' laßt er '» wieder
hänga. „Ach was!" moant er, „das
waar' ja aa' bloß von heut' auf
morg'n!" Der vog'l aber hört net
auf mit sei'm „Tiri-tur!" und mit
sei m ausmunternden „(puiriwied!"
und sei'm sanft » „Dui, dui!" Ja,
wia der Herr buaber scho' pfüa
Gott sagt, schreit er eahm lang no'
nach: „Titti witt — tipp, tipp! ...
Titti witt —tipp tipp!" Der draaht
si' aber nimmer um. —
Am nächst'» Nachmittag wan-
dert unser Huaber aber doch wieder
zum stillen Maldfriedhos, Lr gehl
flotter und is frischer. Ganz hoamli'
lacht er vor sich hi' — wia er sonst
g'lacht hat mit 'ram Liter Bier im
Leib. A kloan's Giaßkannerl hat
er bei sich und fleißi' sprengt er
damit die Vergißmeinnicht auf'm
82
IHitt’n in der Altstadt in 'ram
kloan' Gasser! is a Auskochg'schäft.
Da sitzt der Kloa'rentner lsuaber
d'rinn und stillt sein' ksunger. Aiit
Ausnahm' von 'ra blankglänzend'n
Glatz'n is eahm aus seiner Glanz-
zeit net viel mehr übrig blieb'n: A
greane Mest'n mit birschhornknöpf',
g'siickte bos'n, g'flickte Schuah, sei'
verrostete Baßstimm' und sei' guater
bumor. — vor kurzem aber hab'n
f sei' Alte im Maidsriedhof ei'-
grab'n; da is eahm der guate
kfumor aa' verganga.
Jatzt schneid't er si' grad an'
Keil Brot in d' Supp'n und laßt
si' von 'ram Nachbar'« erklär'n,
wia ma's macht, daß ma' schmerzlos
verhungert, „Für die Steuern, die i'
im Leb'n scho' zahlt Hab', werd'n s'
mi' nachher neb'n meiner Alt'« scho'
kost'nlos ei'scharr'n". So moant der
kserr buaber. „Bloß schmerzhaft
soll's net sei'!" And in solcher
Zuaversicht schleckt er sein' Löff'l
ab und steckt 'n in d' Ta sch'» . . .
niit Recht — weil er ’n selber mit-
bracht bat. Er tragt ’n überall mit
'rum, sein' „Sorg'nlöff'l", wia er
'n selber nennt, vor lauter Angst
und Vorsicht, daß er eahm ja net
g'stohl'n wird — grad wia sei' Ahr,
die mit 'ram Miderhak'n in seiner
Iagdwest'n steckt.
,^ast jed'n Nachmittag ziagt
er seine Schuah aus, hängt s' um
und laast, als ob er was z'büaß'n
hätt', barfuaß aus 'n Maldfriedhos.
Dort setzt er si' vor 's Grab seiner
Frau und rcd't mit ihr. And wenn
er sei' berz aurg'schütt't hat, wirft
er etliche Löffel voll Meihwasser
aufs Grab, seufzt tias auf und
will geh'. Er geht aber net — Gott
bewahr'! Er wart't, ob net a Ant-
wort kimmt. „ksansi!" locht er, nach
'ra Zeit — und aufs Grabkrcuz
fliagt a Spötterl, dös glei' drauf auf
seiner pand sitzt, etliche Körnd'ln
draus nascht und aus sei'm Löff'l
Meihwasser trinkt. Nachher flud-
dert's auf den untersten Ast von
der nächsten Traueresch'n und singt
und singt. Der arme Rentner hört
eahm zua. Sobald er aber mit
sei'm Bierbaß mitsinga will, hört
's Spötterl auf.
So is das fast alle Tag. Nur
wird der berr buaber mit jedem
Tag weniger und weniger; denn
sei' Mag'n is laar und die Pilger-
fahrt anstrengend und weit. Er
kann's bald nimmer macha — wenn
er aa' auf 'm Marsch den alt'n
Militärschritt probiert und „Hinaus
in die Ferne mit lautem Hörner-
klang" o'stimmt: Bald hört er
wieder auf, erstens, weil si' das
grad auf dem Meg net g'hört und
zwoat'ns, weil cr's nimma da-
schnaufa ko'.
Heut' is er scho' ganz elend
d'ro'. 's Spötterl aber von der
Traueresch'n richt't ’n auf. „(Quiri-
wied l" singt's, „(l)uiriwied!" And
dem halbverhungert'» Kloa'rcutncr
werd'n d' Aug'n »aß. — Lr draaht
si' um und sagt: ,,I' glaab dir's
scho', du moanst es guat mit mir."
Der vog'l aber setzt sei' G'spräch
fort: „Dui, dui, bui!" Und grad,
als ob er 'n beiß'n wollt', reißt er
den Gelbschnabel auf und schreit
dem verzagt'» Mann zua: „Titli
witt! Titti witt!" Der aber sagt:
„Geh, Hansi, b'schliaß'n ma’s!
Morg'n fahrt mci' Seel in a Amsel.
Die wird dir's nachher scho' sag'»."
— Lr schaugt auf sei' Ahr. And
wia der Deck! aufspringt, spiag'lt
si' aa' scho' 's Köpferl von dem
Spötterl d'rin. Es sitzt auf seiner
Schulter und zupft in sei'm Bart.
„Tiri-tur!" schrcit's, „Tiri-Iur!" —
Dem Herrn buaber gibt's an' Riß,
Is net sei Sorg'nuhr von Gold?
und der Sorg'nlöffel von Silber?..
Das fahrt unscrm Kloa'rcntncr
auf a mal wia der Blitz durch '»
Kopf. Aber glei' laßt er '» wieder
hänga. „Ach was!" moant er, „das
waar' ja aa' bloß von heut' auf
morg'n!" Der vog'l aber hört net
auf mit sei'm „Tiri-tur!" und mit
sei m ausmunternden „(puiriwied!"
und sei'm sanft » „Dui, dui!" Ja,
wia der Herr buaber scho' pfüa
Gott sagt, schreit er eahm lang no'
nach: „Titti witt — tipp, tipp! ...
Titti witt —tipp tipp!" Der draaht
si' aber nimmer um. —
Am nächst'» Nachmittag wan-
dert unser Huaber aber doch wieder
zum stillen Maldfriedhos, Lr gehl
flotter und is frischer. Ganz hoamli'
lacht er vor sich hi' — wia er sonst
g'lacht hat mit 'ram Liter Bier im
Leib. A kloan's Giaßkannerl hat
er bei sich und fleißi' sprengt er
damit die Vergißmeinnicht auf'm
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"O lieb' so lang du lieben kannst!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1923
Entstehungsdatum (normiert)
1918 - 1928
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 159.1923, Nr. 4076, S. 82
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg