Rache ist süß.
(3n drei Bildern.)
von Berlin hierher. Als endlich eine Pause eintrat, sah sie mich
schwärmerisch an, nahm fast feierlich meine rechte Hand und
hauchte bedeutungsvoll: „Emil!" Im nächsten Augenblick fuhr
sie entsetzt zurück, als hätte sie die Hand in konzentrierte Schwefel-
säure getaucht, ihre Züge nahmen etwas Mildes, hünenhaftes
an und scharf klang ihre vorwurfsvolle Stimme: „Sie haben
ja einen Ehering!!"
„Allerdings", antwortete ich betreten, „ich bin nämlich ver-
heiratet. Übrigens heiße ich nicht Emil . . ."
„Dann sind Sie's ja gar nicht!" schrie beinahe die — „Emma".
„Mer denn? Mer soll ich denn sein?"
„Nun, der Herr, der auf die Heiratsannonce hin mit mir
in Briefwechsel getreten ist und mich heute abholen wollte . . .
Das haben Sie mir verpatzt! Jetzt sind Sie so gut und suchen
mir den Richtigen!"
Das sprudelte sie nur so heraus. „Also schnell", erwiderte
ich in augenblicklichem Schuldgefühl. „Gehen Sie gleich nochmal
hinaus zum Zug, vielleicht wartet der Emil noch . . . ich zahle
und komme nach."
Ich hatte nicht übel Lust auszureißen. Aber ich mußte doch
meine Emma suchen. Ich ging mit recht schwacher Hoffnung
hinaus zum Zug, sah viele spitze Nasen, aber weder die richtige,
noch Gott sei Dank — die falsche Emma. Die war hoffentlich
zum falschen Zug gerannt.
vielleicht war die richtige
Emnia doch so klug, nach unserer
nicht weit entfernten Mahnung
zu gehen. Jedenfalls blieb mir
nichts anderes übrig als mal
heim zu schauen. Als ich mich
meiner Behausung näherte,
überholte ich ein weibliches
Mesen, das eine schwere Hand-
tasche schleppte und unschlüssig
nach den Hausnummern zu
blinzeln schien. Aha! kurzsichtig!
„Suchen Sie Nummer zehn,
gnädiges Fräulein?"
„Ja, freilich", flötete freu-
dig überrascht ein roter Ktund,
der von einer allerdings lebens-
gefährlich spitzigen Nase be-
schirmt war. „Sie konimen von Tante Adele in Berlin?" „Stimmt
auffallend." - „Na, Gott fei Dank!" atmete ich auf, stammelte. Ent-
schuldigungen. packte den Koffer und führte die glücklich Erlöste hinauf
mal feste drauf los!!" - -
So, jetzt ist der Tyrann hinausgegangen, da haben wir seine Hose
die stopfen wir mal etwas aus und min-
„Also mit dem Dater ist's nimmer zum Aushalten! Wegen ein paar
Fünfer nimmt die Drescherei kein End'! Wenn man sich nur die Wut
etwas stillen könnte! - - -
Oer billige Reis.
Unsere Tante Adele in Berlin ist eine ungemein praktische Haus-
frau. Kauft unglaublich billig ein und läßt auch ihre verwandten daran
teilnehmcn. Das tut sic wohl
nicht nur aus wohlwollender
Fürsorge, sondern wcil's eben
noch billiger konimt, wenn sic
recht viel kauft, mehr, als sie
allein brauchen kann, Mas sie
abläßt, hängt sie irgend jemand
auf, der zufällig zu den ver-
wandten oder in deren Nähe
fährt.
Kam da kürzlich wieder
ein Brief: „Ich habe unglaub-
lich billigen Reis gekauft. Habe
gleich an Euch gedacht und will
Euch gerne zehn Pfund ablaffen.
Ich gebe ihn gleich der Emma
Hefter mit, einer Nichte meiner
Schwibschwägerin. Sie fährt
nächsten Kkontag in die baye-
rischen Berge. Holt sie bitte am Bahnsteig Dienstag früh 7S0 ab!
Sie ist mittelgroß blond, etwas kurzsichtig, hat eine sehr spitze
Nase. Ich werde ihr sagen, sie sott sich eine Blume als weiteres
Erkennungszeichen vorne anstccken. Zeigt ihr auch München
ein bißchen! Emma ist ein sehr liebes Geschöpf, Kutte zwanzig."
pünktlich war ich am Zug und stellte mich dem Strom ent
gegen, der sich daherwälzte, immer die Erkennungszeichen für
mich hersagend. Unglaublich! Noch nie habe ich sovicle spitze
Nasen auf einem Fleck beisammen gesehen. Aber halt, da kam
etwas! Eine blutrote Nelke vorne an der weißen Bluse — blond,
blaue Augen, die anscheinend jemand suchten. Entschlossen trat
ich vor: „Sind Sie es, Fräulein Emma . . ?" „Freilich bi»
ich's", hastete die Angeredete hervor, offenbar glücklich, sogleich
erkannt worden zu sein.
Gern nahm ich ihr den schweren Koffer ab, der ja den köst-
lichen Reis barg, und da meine Frage , ob sie recht müde und
hungrig sei, entschieden bejaht wurde, gingen wir gleich ins
Bahnhofrestaurant.
Beim Kaffee erzählte sie von der langen beschwerlichen Reise
102
(3n drei Bildern.)
von Berlin hierher. Als endlich eine Pause eintrat, sah sie mich
schwärmerisch an, nahm fast feierlich meine rechte Hand und
hauchte bedeutungsvoll: „Emil!" Im nächsten Augenblick fuhr
sie entsetzt zurück, als hätte sie die Hand in konzentrierte Schwefel-
säure getaucht, ihre Züge nahmen etwas Mildes, hünenhaftes
an und scharf klang ihre vorwurfsvolle Stimme: „Sie haben
ja einen Ehering!!"
„Allerdings", antwortete ich betreten, „ich bin nämlich ver-
heiratet. Übrigens heiße ich nicht Emil . . ."
„Dann sind Sie's ja gar nicht!" schrie beinahe die — „Emma".
„Mer denn? Mer soll ich denn sein?"
„Nun, der Herr, der auf die Heiratsannonce hin mit mir
in Briefwechsel getreten ist und mich heute abholen wollte . . .
Das haben Sie mir verpatzt! Jetzt sind Sie so gut und suchen
mir den Richtigen!"
Das sprudelte sie nur so heraus. „Also schnell", erwiderte
ich in augenblicklichem Schuldgefühl. „Gehen Sie gleich nochmal
hinaus zum Zug, vielleicht wartet der Emil noch . . . ich zahle
und komme nach."
Ich hatte nicht übel Lust auszureißen. Aber ich mußte doch
meine Emma suchen. Ich ging mit recht schwacher Hoffnung
hinaus zum Zug, sah viele spitze Nasen, aber weder die richtige,
noch Gott sei Dank — die falsche Emma. Die war hoffentlich
zum falschen Zug gerannt.
vielleicht war die richtige
Emnia doch so klug, nach unserer
nicht weit entfernten Mahnung
zu gehen. Jedenfalls blieb mir
nichts anderes übrig als mal
heim zu schauen. Als ich mich
meiner Behausung näherte,
überholte ich ein weibliches
Mesen, das eine schwere Hand-
tasche schleppte und unschlüssig
nach den Hausnummern zu
blinzeln schien. Aha! kurzsichtig!
„Suchen Sie Nummer zehn,
gnädiges Fräulein?"
„Ja, freilich", flötete freu-
dig überrascht ein roter Ktund,
der von einer allerdings lebens-
gefährlich spitzigen Nase be-
schirmt war. „Sie konimen von Tante Adele in Berlin?" „Stimmt
auffallend." - „Na, Gott fei Dank!" atmete ich auf, stammelte. Ent-
schuldigungen. packte den Koffer und führte die glücklich Erlöste hinauf
mal feste drauf los!!" - -
So, jetzt ist der Tyrann hinausgegangen, da haben wir seine Hose
die stopfen wir mal etwas aus und min-
„Also mit dem Dater ist's nimmer zum Aushalten! Wegen ein paar
Fünfer nimmt die Drescherei kein End'! Wenn man sich nur die Wut
etwas stillen könnte! - - -
Oer billige Reis.
Unsere Tante Adele in Berlin ist eine ungemein praktische Haus-
frau. Kauft unglaublich billig ein und läßt auch ihre verwandten daran
teilnehmcn. Das tut sic wohl
nicht nur aus wohlwollender
Fürsorge, sondern wcil's eben
noch billiger konimt, wenn sic
recht viel kauft, mehr, als sie
allein brauchen kann, Mas sie
abläßt, hängt sie irgend jemand
auf, der zufällig zu den ver-
wandten oder in deren Nähe
fährt.
Kam da kürzlich wieder
ein Brief: „Ich habe unglaub-
lich billigen Reis gekauft. Habe
gleich an Euch gedacht und will
Euch gerne zehn Pfund ablaffen.
Ich gebe ihn gleich der Emma
Hefter mit, einer Nichte meiner
Schwibschwägerin. Sie fährt
nächsten Kkontag in die baye-
rischen Berge. Holt sie bitte am Bahnsteig Dienstag früh 7S0 ab!
Sie ist mittelgroß blond, etwas kurzsichtig, hat eine sehr spitze
Nase. Ich werde ihr sagen, sie sott sich eine Blume als weiteres
Erkennungszeichen vorne anstccken. Zeigt ihr auch München
ein bißchen! Emma ist ein sehr liebes Geschöpf, Kutte zwanzig."
pünktlich war ich am Zug und stellte mich dem Strom ent
gegen, der sich daherwälzte, immer die Erkennungszeichen für
mich hersagend. Unglaublich! Noch nie habe ich sovicle spitze
Nasen auf einem Fleck beisammen gesehen. Aber halt, da kam
etwas! Eine blutrote Nelke vorne an der weißen Bluse — blond,
blaue Augen, die anscheinend jemand suchten. Entschlossen trat
ich vor: „Sind Sie es, Fräulein Emma . . ?" „Freilich bi»
ich's", hastete die Angeredete hervor, offenbar glücklich, sogleich
erkannt worden zu sein.
Gern nahm ich ihr den schweren Koffer ab, der ja den köst-
lichen Reis barg, und da meine Frage , ob sie recht müde und
hungrig sei, entschieden bejaht wurde, gingen wir gleich ins
Bahnhofrestaurant.
Beim Kaffee erzählte sie von der langen beschwerlichen Reise
102
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Rache ist süß"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1923
Entstehungsdatum (normiert)
1918 - 1928
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 159.1923, Nr. 4078, S. 102
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg