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(Forts. 4) Trotzdem wurde Peter Bichler auch ohne ihr Zutun
von Tag zu Tag stiller. Seine bisherige Freundlichkeit gegen-
über den Gästen ließ mit ,eder Woche nach,- er nannte fast keinen
mehr „Vetter",- sein Gesicht wurde von eigenartiger, blutiger
Schwere erfüllt und seine kleinen Augen sahen mehr auf die
Tischplatte oder auf den Boden als in das Gesicht der Leute.
Mehr denn je verließ Peter Bichler in dieser Zeit sein Haus
und ging durch den Falkengraben, der die Hochwasser des Früh-
lings aus den nahen Waldbergen zum Flusse führt, im aus-
getrockneten Zustand aber als'offentlicher Weg dient, in die freien
Felder hinaus bis in den Wald. Hier ließ er sich auf bemoosten
Steinen nieder,
kratzte mit seinem
Spazicrstock das
grüne Moos vom
schwarzen Boden
und bohrte bis-
weilen ganz tiefe
Löcher in die Erde.

Er dachte: Wäre
es eigentlich nicht
am besten, wenn
man dem Jungen
einmal etwasBier-
hefc in die Milch-
flasche mischte, so
daßesihnaustriebe
wie einen Gummi-
ball? Therese folge
ihm dann vielleicht
aus Verzweiflung
nach,-Haken gebe es
ja genug im Haus,
auf dem Tanz-
boden, im Theater-
saal, an allen Dek-
ken, wo man bei festlichen Gelegenheiten die großen Petroleum-
lampen aufhänge, und auch er werde einen Strick zu finden wissen.

2n dieser für Bichler immer gefährlicher werdenden Zeit
verabredeten die Schühenbrüder, sich gerade am Geburtstag
des kleinen Peter schon nachmittags, wenn noch keine Gäste in
der Stube wären, beim Ankcrbräu zu versammeln. Sie machten
sich leichte Vorwürfe, weil aus jener lujtigen Kellerjzene ein so
böjcr Zustand hervorgegangen sei, und luden deshalb den Küfer
nicht ein, um den Wirt, der inzwischen vom wirklichen Vater
erfahren hatte, nicht schon gleich beim Eintritt noch mehr zu ver-
stimmen. Voraus ging der Kaufmann Taler, ihm folgte der
Zimmcrmeister Klos und diesem der Spänglcr Stuß. Kaum
jedoch hatten.die drei „Grüß' Gott!" gesagt und ihre Hüte an
den neben der Tür angebrachten Klciderrahmcn gehängt, stand
der Ankerwirt von seinem Platz am Ofen auf und wollte, ohne
sich mit den Gästen in ein Gespräch einzulassen, durch die Türe

zur Küche entschwinden. „Aber Peter," sagte der Taler, „du
mußt doch auch wieder einmal Verstand annehmen", faßte ihn
am Arm und hielt ihn zurück. „Schau," bestärkte Klos, „wir
meinen es dir doch gut", und Stuß fügte hinzu: „Peter, bleib,
und setz' dich zu uns." Bichler blieb auch wirklich stehen, sah
zwar noch mißmutig vor sich hin, dann aber, während er sich
die dünnen Haare hinter den Ohren glatt wischte, seine drei
Freunde an und entgegnete: „Was wollt ihr denn eigentlich
von mir? Ich habe mir schon den Grabstein ausgesucht." —
Indessen hatte der Kaufmann Taler seine Geldtasche heroor-
gezogen und legte einen blauen Hunderter auf den Tisch. „Der

muß heute verzecht
werden", sprach er
zum Wirt. Peter
Bichler blickte den
Spender verwun-
dert an und erwi-
derte: „Du hast
es wohl nicht recht
im Kopf, Taler.
Hundert Mark auf
einmal zu vertrin-
ken. Das bringt
ihr drei ja gar nicht
fertig." - „Aber
zu viert, Peter," er-
widerte der Kauf-
mann, „zwingen
wir's", und suchte
den Wirt an den
Tisch zu ziehen.
Tatsächlich glückte
es ihm auch, und
wie Peter so plötz-
lich zwischen den
drei Freunden auf
seinem Platz am Ofen sah, schien er von seiner traurigen
Laune unwillkürlich etwas verloren zu haben und ein kleines
Lächeln huschte verstohlen über sein Gesicht. Freilich wurde er
gleich wieder ernst, zumal die Kellnerin von der Küche herein-
kam, wo sie den einjährigen Peter im Wagen hin und her ge-
fahren hatte. Man sah durch die etwas offen gebliebene Tür die
- vier Drahträdcr, das gelbe Korbgeflecht und das aufgeschlagene
Lederdach,- kaum aber hatte man auch einen Laut des Jungen
gehört, wurde durch die Wirtin, die sich dabei nicht sehen ließ,
die Tür von draußen geschlossen. Taler bestellte zunächst Bier,
sagte aber zugleich der Kellnerin, einer etwas bäuerlichen Per-
son, sie möchte Wein, und, wenn Sekt da wäre, auch solchen
aus dem Hauskeller herbeiholen. Der Wirt staunte immer mehr,
und als die drei Gäste hierauf die herbeigebrachten vollen Bier-
gläser hoben und mit Bichler anstießen, sagte Taler: „Der Peter
soll wieder leben. Darauf trinken wir."' (Schluß folgt)

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das Schützenfest"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1924
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1929
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 161.1924, Nr. 4118, S. 291
 
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