Jlinste feilen - S
Freundchen/ eile dem \Kein
Nicht gar fo ftür milch entgegen !
Stürmilcher dringt er fonft ein,
Rafdier ins Gras didi zu legen!
Kling klang !
Ich kaufte mir auf der Dult-~
Was sagen Sie, verehrte Leserin, ganz preußische ? Sie wissen
nicht, was die Dult ist? Na, ich bitt' Ihnen recht schön, geh'n
S' zu! Sie haben ja gar keine Ahnung von München! Also
passen Sie auf: München, Hauptstadt des derzeitigen Freistaates
Bayern, mit ehemaliger Residenz (jetzt = Museum), liegt 520,
in Worten fünfhundertzwanzig Meter über dem Meere, hat
(mehr oder weniger rund) 700 000 Einwohner (Friedens-
Seelen), eine Glypto-, zwei Pinakotheken, „plahl", Mario-
netten- und sonstige Theater, nur ein Hofbräuhaus, zahlreiche
Kirchen, einen weltberühmten Fasching (z. 3. konfisziert), ein
Oktoberfest (dito) und (imGegenteil) dreiDulten. DieseDulten
finden jeweils im Frühling, Sommer und Herbst in einem etwas
abseitigen Stadtviertel, der mit Recht sogenannten Au, statt und
bestehen aus Karussellen, Schaubuden, Lebzelten-, Zigarren-
und sonstigen besseren Ständen, den langen Biwakreihen von
Töpfen, Tassen, Tellern und vergißmeinntchtsüßen Porzellan-
ersatz-Feen, endlich — und vor allem — zahlreichen Buden der
Münchener Altwarenhändler jeder Art, vom Antiquar herab
bis zum tabakschnupfendften „Tandler"
Also auf der Dult kaufte ich mireinOlgemälde. Denn ich wollte
mir Patentknöpfe kaufen. Patentknöpfe sind das einzig Richtige
ommerfreude
Nur heim Alädchenfang eilt s mit der Zeit -
Wir find tapfere Junggefellen !
Lin fer Liebchen ift immer bereit>
Uns das Merz zu erhellen!
Kling klang!
und weitaus Notwendigste für einen Junggesellen. Die Hand-
habung von Nadel und Faden ist nicht jederledigenmannes
Sache, jedoch schnell fertig, wie die Jugend mit dem Worte, ist
der Junggeselle mit dem Patentknopf. Ich betrachtete deshalb
Reihe nach Reihe die ungeheueren Stilleben der Tandlerbuden
und wühlte mir die Finger wund und schwarz in den ausgelegten
(wenn man so sagen darf!) Waren.
Ich fand Nägel, Haken, Steigeisen, Kasperlköpfe, Waschkötzbe,
Könige Ludwig, Rosinen und Weinbeeren, Ammonshörner-,
Gesammelte poetische Werke, Tischdecken, Borhang-, Schlüssel-,
Fingerringe, Kirschbaummöbel, Fragmente von Dachrinnen und
Schulheften, Photographien, Messer, weiße Mäuse, Drehbänke,
flüssigen Leim und die Null-Fünf eines guterhaltenen Domino-
spieles . . . aber Patentknöpfe fand ich leider nicht.
Schließlich rief mich eine Frau Zirngiebl aus der Butter-
melcherstraße an. „Gengan S' her, schöner Herr!" rief sie mir
aufmunternd entgegen, „ schlagen S' Eahna a wem zuawi zum
Gewäsch! Ois (---alles, verehrte norddeutsche Leserin!) ois Hab'
i — und durchwegs nur primawar. Mögen S' a Teepuppen?
Oder aSchreibmaschina? Anagelneu'sBogelhaus Hab'i — sehr
gut erhalten — und billige Füllfederhalter. Gengan S' her da,
suachen S' Eahna was aus!" Ich gestand ihr, daß ich patcnt-
knöpfe suchte. Da mußte auch sie, die „ois" hatte, beschämt das
Haupt schütteln. Sie faßte sich aber rasch zu dem Borschlage, ich
möge doch Reißnägel nehmen und die nachert mit Spielmarken
zammabohr'n (zusammenbohrcn. Sie verstehen?) — sie habe
beides auf Lager. Jedoch ich sagte mir: wenn schon Patentknopf,
denn schon keinen Patcntknopfersah, und verzichtete dankend.
„No, dös macht nix," begütigte Frau Zftngiebl, „'s gibt ja
ah no' anders Sach gnua. Nehman S' dauerhafte Gummisohlen
oder den Gipskopf — macht si' sehr guat auf'n Schreibtisch,
wissen S', derGeethe, gal ? — oder apaar Büacher. Daschaung
S' her: „Dantons Tod" — dös is a schön's Lesen. No, Sie
wer'n doch net leer hoamgeh' vo' der Dult, wann's scho' koane
Patentknöpf' net gibt? San S' verheirat'? Da is a billiger Kin-
derstui („Stui" d. i. Stuhl, liebe Preußin) und a Bögleisen,
Herr! Was haben S' denn vo dö dumme Patentknöpf — san
a Glump, zerreißen Eahna nur 's Sach ! Schaung S', daß die
Rentenmark a bisserl in Fluß kimmt -, wo koa Handel und
Wandel is, richt' koa Hitler und koa Ludendorff nix aus.
Ich hatte mittlerweile im düstcrn Hintergründe der Bude zwi-
schen einem Kürassierhclm, peitschen, Bürsten und Tabakspfeifen
eine Landschaft in staubgedämpftem Rot-Grün und altem Gold-
rahmcn entdeckt und mit Kennerblick schätzte ich augenblicklich:
62 X 80 cm! Das war gerade die Größe des Schmutzfleckes
(Forts. S. 296)
Debes-Baidamus
294
Freundchen/ eile dem \Kein
Nicht gar fo ftür milch entgegen !
Stürmilcher dringt er fonft ein,
Rafdier ins Gras didi zu legen!
Kling klang !
Ich kaufte mir auf der Dult-~
Was sagen Sie, verehrte Leserin, ganz preußische ? Sie wissen
nicht, was die Dult ist? Na, ich bitt' Ihnen recht schön, geh'n
S' zu! Sie haben ja gar keine Ahnung von München! Also
passen Sie auf: München, Hauptstadt des derzeitigen Freistaates
Bayern, mit ehemaliger Residenz (jetzt = Museum), liegt 520,
in Worten fünfhundertzwanzig Meter über dem Meere, hat
(mehr oder weniger rund) 700 000 Einwohner (Friedens-
Seelen), eine Glypto-, zwei Pinakotheken, „plahl", Mario-
netten- und sonstige Theater, nur ein Hofbräuhaus, zahlreiche
Kirchen, einen weltberühmten Fasching (z. 3. konfisziert), ein
Oktoberfest (dito) und (imGegenteil) dreiDulten. DieseDulten
finden jeweils im Frühling, Sommer und Herbst in einem etwas
abseitigen Stadtviertel, der mit Recht sogenannten Au, statt und
bestehen aus Karussellen, Schaubuden, Lebzelten-, Zigarren-
und sonstigen besseren Ständen, den langen Biwakreihen von
Töpfen, Tassen, Tellern und vergißmeinntchtsüßen Porzellan-
ersatz-Feen, endlich — und vor allem — zahlreichen Buden der
Münchener Altwarenhändler jeder Art, vom Antiquar herab
bis zum tabakschnupfendften „Tandler"
Also auf der Dult kaufte ich mireinOlgemälde. Denn ich wollte
mir Patentknöpfe kaufen. Patentknöpfe sind das einzig Richtige
ommerfreude
Nur heim Alädchenfang eilt s mit der Zeit -
Wir find tapfere Junggefellen !
Lin fer Liebchen ift immer bereit>
Uns das Merz zu erhellen!
Kling klang!
und weitaus Notwendigste für einen Junggesellen. Die Hand-
habung von Nadel und Faden ist nicht jederledigenmannes
Sache, jedoch schnell fertig, wie die Jugend mit dem Worte, ist
der Junggeselle mit dem Patentknopf. Ich betrachtete deshalb
Reihe nach Reihe die ungeheueren Stilleben der Tandlerbuden
und wühlte mir die Finger wund und schwarz in den ausgelegten
(wenn man so sagen darf!) Waren.
Ich fand Nägel, Haken, Steigeisen, Kasperlköpfe, Waschkötzbe,
Könige Ludwig, Rosinen und Weinbeeren, Ammonshörner-,
Gesammelte poetische Werke, Tischdecken, Borhang-, Schlüssel-,
Fingerringe, Kirschbaummöbel, Fragmente von Dachrinnen und
Schulheften, Photographien, Messer, weiße Mäuse, Drehbänke,
flüssigen Leim und die Null-Fünf eines guterhaltenen Domino-
spieles . . . aber Patentknöpfe fand ich leider nicht.
Schließlich rief mich eine Frau Zirngiebl aus der Butter-
melcherstraße an. „Gengan S' her, schöner Herr!" rief sie mir
aufmunternd entgegen, „ schlagen S' Eahna a wem zuawi zum
Gewäsch! Ois (---alles, verehrte norddeutsche Leserin!) ois Hab'
i — und durchwegs nur primawar. Mögen S' a Teepuppen?
Oder aSchreibmaschina? Anagelneu'sBogelhaus Hab'i — sehr
gut erhalten — und billige Füllfederhalter. Gengan S' her da,
suachen S' Eahna was aus!" Ich gestand ihr, daß ich patcnt-
knöpfe suchte. Da mußte auch sie, die „ois" hatte, beschämt das
Haupt schütteln. Sie faßte sich aber rasch zu dem Borschlage, ich
möge doch Reißnägel nehmen und die nachert mit Spielmarken
zammabohr'n (zusammenbohrcn. Sie verstehen?) — sie habe
beides auf Lager. Jedoch ich sagte mir: wenn schon Patentknopf,
denn schon keinen Patcntknopfersah, und verzichtete dankend.
„No, dös macht nix," begütigte Frau Zftngiebl, „'s gibt ja
ah no' anders Sach gnua. Nehman S' dauerhafte Gummisohlen
oder den Gipskopf — macht si' sehr guat auf'n Schreibtisch,
wissen S', derGeethe, gal ? — oder apaar Büacher. Daschaung
S' her: „Dantons Tod" — dös is a schön's Lesen. No, Sie
wer'n doch net leer hoamgeh' vo' der Dult, wann's scho' koane
Patentknöpf' net gibt? San S' verheirat'? Da is a billiger Kin-
derstui („Stui" d. i. Stuhl, liebe Preußin) und a Bögleisen,
Herr! Was haben S' denn vo dö dumme Patentknöpf — san
a Glump, zerreißen Eahna nur 's Sach ! Schaung S', daß die
Rentenmark a bisserl in Fluß kimmt -, wo koa Handel und
Wandel is, richt' koa Hitler und koa Ludendorff nix aus.
Ich hatte mittlerweile im düstcrn Hintergründe der Bude zwi-
schen einem Kürassierhclm, peitschen, Bürsten und Tabakspfeifen
eine Landschaft in staubgedämpftem Rot-Grün und altem Gold-
rahmcn entdeckt und mit Kennerblick schätzte ich augenblicklich:
62 X 80 cm! Das war gerade die Größe des Schmutzfleckes
(Forts. S. 296)
Debes-Baidamus
294
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Kunst-Handel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1924
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1929
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)