Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
'-von &tp~i>i£<fözdßcLrcC

leich am ersten Tag, da ich inNeapel war,
i fielen mir sehr elegante Leute mit recht absonder-
lichen Schuhen auf. Ganz im Gegensatz zur Mode
waren diese Fuß-Bekleidungsstücke alles andere denn
spitz und klein,- im Gegenteil — sie lieben dem Gange ihrer
stolzen Träger etwas Cbaplinhaft-Groteskcs. Sogleick stand es
bei mir fest: solcbe Schuhe mutzte ich haben! Aber — woher
kriegen?

Einen der Glücklichen init der Frage ansprechen: allwo man
sich wohl also köstlich beschuhen lassen könne, wollte mir zudring-
lich erscheinen. Ich mutzte es schon dem Zufall überlassen, einen
Laden mit solch Wundcrschuhcn ausfindig zu machen.

Nack einigen Tagen ertappte ich mich dabei, daß ich über-
haupt nur nocb Augen für Schuhgeschäfte batte. Ick vergaß dar-
über Frübling, Stätten
der Erinnerung, Men-
scben der Gegenwart.

Am vorletzten Tag
meines Neapolitanischen
Aufenthalts — gerade als
ich bereits schwermütig
über mein vergebliches
Sueben werden wollte —
traf icb einen Budapestcr
Maler, der — o Freude!
o Jubel! — just meine er-
sehnten Schube trug.

Ganz vorsichtig fing ich
cs an mit dem Fragen:

„ Was sind denn das für

fabelhafte Schuhe, die Sic da anbaben?"

„Amerikanische — natürlicb! Nichts besonderes. Lediglich
dauerhaft. Daher billig. So teuer sie sind. Von wegen der Soh-
len. Die sind nämlich aus Haifischhaut. Vorläufig nur in cincin
Geschäft an der Piazza del plebiseito zu haben. Wenn es Sie
interessiert."

Ob es mich interessierte! Gar nicht schnell genug verabschieden
konnte ick mich. Nasch m ein Auto. Nach der Piazza del plebiseito.

Der bewußte Laden war bald gefunden. Meine Furcht, daß
vielleicht just meine Nummer nickt vorbanden sei, erwies fick
Gott sei dank als zu. voreilig. Aber 120 Lire für ein Paar
Sckuhe — ? Jetzt durfte man nickt geizig sein.

„Die Soble kriegen Sic nickt klein!" versicherte mir die kleine
Verkäuferin, deren Hübsckigkeit mir jetzt erst auffiel. „Eher zer-
fällt das Oberleder — ick kann Ihnen nur empfehlen —

Es hätte solck freundlicken Zuredens nickt mehr bedurft. „Ick
weiß, ick weiß — " nickte ich begeistert und zückte die letzten Geld-
scheine meiner Brieftasche. Nun würde es nur noch zu einer
Heimreise dritter Güte, langen!

Dafür jcdock — ging ich - schritt ich — glitt ich — wie in
Den bequemsten Hausschuhen — ganz lautlos — wie schwebend
— wie fliegend - wie von aller Erdenschwere befreit — ein-
fack bimmlisck — einfach göttlich! Der Schmerz um die 1 20 Lire
war längst vergessen.

Ich gehe auf Haifisch! froblockte es heimlich in mir. Ihr alle,
Mann wie Weib, ibr müßt bemerken, daß ick auf Haifisch gehe!

Ihr müßt mich bewundern! Denn so ein Haifisch ist ein gar sel-
tenes, großes, starkes Tier, das sich nicht so ohne weiteres das
Fell über die Ohren ziehen läßt. Ihr kennt doch die alte Ge-
schichte von jenem größten, stärksten Haifisch, der einmal das
Sckiff des alten Kapitän Munkepunkc angriff? Die Harpunen
waren gerade verlegt — wie das so vorkommt. Das ganze Schiff
konnte in die Binsen gehen, wenn nicht — da dieser Korb mit
Orangen! Vielleicht wandte der die Gefahr des Augenblicks
ab. War schon in den Nachen des Ungeheuers geworfen, das

— nichts desto trotz — bereits zum zweiten Sturmangriff aus-
holte. Da — diese Küchcnbank ~ auch sie flog über die aufgc-
peitschten Wogen dem Vielfraß in die Schnauze, um sogleich
im unermeßlickcn Bauch des Fabelwesens zu verschwinden. Die
Harpunen! Die Harpunen! Matrosen! Suchen! Suchen! Der
dritte Angriff. Ein chinesischerKulhdcr eben dem zweitcn'Steucr-
mann das Frühstück bringen wollte, mußte sich als weiteres Opfer
hergcben. Schon war der Ärmste im Innern des Haifisches ver-
schwunden. Grausame Wirklichkeit des vierten Angriffs! Gott

verzeihe meinem Freunde
den nächstfolgenden Ent-
schluß: auch noch einen
kleinen Ostgalizier dem
Ungetüm zwischen die
Zähne zu werfen! Aber
wenn das ganze Schiff
dadurch gerettet werden
konnte — Armer Moses
Feiteles! Die Harpunen!
Hier sindfie! Endlich! Endlich! Inaller Nuhe zielen! Nichtzittern!
Kalke Hand und sicherer Blick! So. Sitzt! Hat ihn schon! Sckncll
aufs Deck gezogen! Dem Tier den Bauch aufschneiden! Netten,
was nock zu retten ist! Und das Ergebnis in der aufgcscklitzten
Höhle? —: Der Jude sitzt mit dem Korb Orangen auf der Bank
und bietet die Früchte dem Chinesen zum Kauf an! Gelächter.
Man zerschneidet den Hai vollends. Alles freut sich auf die un-
verwüstlichen Schuhsohlen, die seine Haut liefert. Oie ich jetzt
vielleickt von ebendeinselben Tier trage. Welck herrliches Be-
wußtsein! Gebt sich's nock mal so leicht. Schwebt sich's noch mal
so süß. Fliegt sich's noch .aal so beiter. Weiter und immer weiter

— durch Neapel.

Bis mein Kopf gegen einen Menschen rennt.

„Wo baden Sic denn Ibre Augen? Können Sie nicht ein
wenig Obacht geben?"

„Müller — Mensch — was machst Du denn in Neapel.?
Und — wahrlich — wahrhaftig - Du
trägst auck sblch köstliche Schuhe mit Soh-
len aus Haifisch-Haut? Unverwüstlich!"

„Wenn Du das so nennst!" schüttelt
mir der Freund bieder die Hand und er-
hebt sein linkes Hinterbein. „Bor acht
Tagen gekauft. Absatz ab. Sohle durch.

Schlechtestes amerikanisckcs Gummi -
diese angebliche Haifisch-Haut! Wie bei
Dir. Tröstet mich etwas. Gratuliere.

Nehmen wir einen Aperitif drüben m
der Bar!"

312
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ich gehe auf Haifisch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Virl, Hermann
Entstehungsdatum
um 1924
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1929
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 161.1924, Nr. 4120, S. 312

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen